Im Frühjahr 2020 wurden nicht nur Schulen und Kindergärten geschlossen – auch Geschäfte, Cafés und Restaurants mussten mehrfach dichtmachen. Die Büros von Betrieben und Behörden leerten sich, Arbeitnehmer gingen ins Homeoffice. Mit Milliardenpaketen steuerten die Regierungen der drohenden wirtschaftlichen Abwärtsspirale entgegen; die Folgen der Pandemie waren lange spürbar, sind es teilweise bis heute.
Was hat Corona mit der Wirtschaft gemacht? Im Gespräch mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Limburg, dem Handelsverband Hessen, Einzelhändlern des City-Rings Limburg und dem Kreisverband Limburg-Weilburg des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands versuchen wir eine Bilanz, die angesichts der Komplexität und Vielfalt der Probleme unvollständig bleiben muss.
Beziffern lässt sich der Schaden für die heimische Wirtschaft infolge der Pandemie heute nicht, macht Mats Nicolas Müller, Sprecher der IHK Limburg deutlich. Denn: „Die wirtschaftliche Entwicklung wird seit einiger Zeit durch neue wirtschaftliche Krisen überlagert, etwa durch den Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, Inflation oder Unsicherheiten auf den internationalen Märkten.“ Die Beurteilung der Corona-Pandemie sei selbst für Unternehmerinnen und Unternehmer heute schwierig, da deren Auswirkungen nicht klar von den derzeitigen wirtschaftlichen Belastungen abgrenzbar seien.
In einzelnen Branchen wirke die Pandemie allerdings bis heute nach, beispielsweise im stationären Einzelhandel oder in der Gastronomie. Doch auch diese Herausforderungen seien oft nicht allein auf diese zurückzuführen. Vielmehr wirkten zahlreiche Entwicklungen gleichzeitig: gestiegene Energiepreise, Konsumzurückhaltung, hohe Bürokratiekosten und Fachkräftemangel.
IHK-Konjunkturklimaindex erholte sich sehr schnell
Der IHK-Konjunkturklimaindex sei zu Pandemiebeginn im Frühjahr 2020 auf 66 Punkte gesackt, doch schon im Herbst 2020 wieder auf 93 Punkte gestiegen. Dies zeige, dass viele Unternehmen bereits frühzeitig nach vorne geschaut hätten, so IHK-Sprecher Müller. „Die entscheidende Frage ist nicht, wie lange uns die Pandemie noch beschäftigt, sondern wie wir die aktuellen und kommenden Herausforderungen bewältigen. Dazu zählen der immer noch anhaltende Ukraine-Krieg, die US-Wahl, möglich Zollkonflikte etc. – es kommt darauf an, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zu verbessern, zum Beispiel durch Bürokratieabbau, steuerliche Entlastungen der Unternehmen, Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, und eine stärkere Förderung von Innovationen.“
Die Pandemie-Zeit sei aber auch eine Zeit der hohen Anpassungsbereitschaft und Innovationskraft gewesen, zieht Müller eine Bilanz. „Viele Unternehmen haben die Zeit genutzt, um Prozesse neu zu denken, Kundenbeziehungen zu festigen und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen, etwa durch weitere Digitalisierungsschritte.“ Die Pandemie sei für viele Unternehmen ein Anlass gewesen, interne Prozesse zu überprüfen und neu zu strukturieren. „Homeoffice, digitale Kommunikation und neue Formen der Arbeitsorganisation sind vielerorts etabliert worden und bis heute in den Arbeitsalltag integriert. Viele dieser Entwicklungen wären wohl ohnehin gekommen – die Pandemie hat sie lediglich beschleunigt.“
Hohe Umsatzeinbußen für die Einzelhändler
Mit hohen Umsatzeinbußen hatten auch die heimischen Einzelhändler zu kämpfen. Doch über die Größenordnung des coronabedingten Einbruchs hat der Limburger City-Ring laut Vorsitzender Simone Spranz-Osthoff keinen Überblick. Spranz-Osthoff, die ein Geschäft für Landhaus- und Trachtenmoden betreibt, hält die Pandemie zumindest für ihren Betrieb für überwunden. „Stationär haben wir wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht.“ Nach den Einbrüchen habe es einen Nachholeffekt gegeben, der sich besonders im Bereich Events und Feiern gezeigt habe. „Insgesamt beobachten wir in der Trachtenbranche mittlerweile, dass es sogar eher einen Rückgang des Onlinegeschäftes hin zum stationären Geschäft gibt.“
Innerbetrieblich habe die Pandemie die Nutzung digitaler Kommunikation und Prozesse gestärkt. Allerdings habe Corona besonders im Textilbereich „starke Ressourcen gefordert“ und verschiedene Unternehmen zur Aufnahme neuer Kredite gezwungen, die langfristig weiter bedient werden müssten und diese Unternehmen nun belasteten.
Das Modehaus Vohl & Meyer hat laut Geschäftsführer Martin Acht massive Verluste von bis zu 45 Prozent mit negativen Ergebnissen in den Jahren 2020 und 2021 eingefahren. Doch schon im Jahr 2023 sei das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht und sogar übertroffen worden. Aus der Krise geholfen hätten staatliche Hilfen, die Möglichkeit für Kurzarbeit, aber auch ein KfW-Kredit. Vor allem habe Vohl & Meyer das Online-Geschäft ausgebaut, das kurz vor Pandemiebeginn startete. Dies komme dem Unternehmen bis heute zugute. Aber auch mit besonderen Aktionen wie Videos, Tüten packen, Modenschauen und Außer-Haus-Lieferungen habe das Limburger Bekleidungshaus auf die Krise reagiert. Positiv sieht Acht im Rückblick den Durchhaltewillen der Belegschaft. Die Stimmung, die damals aufkam und bis heute anhält, beschreibt er mit einem Satz: „Wir nehmen alles gelassen, positiv und agieren.“
Energiekrise sorgt für anhaltende Verunsicherung
Der Handelsverband Hessen schätzt, dass im Jahr 2024 das Umsatzniveau der Vor-Corona-Zeit erreicht wurde. „Während der Pandemie haben die steigenden Onlineumsätze zu einem real stabilen Umsatzniveau beigetragen, bevor die anschließende Energiekrise für eine anhaltende Verunsicherung bei den Konsumentinnen und Konsumenten gesorgt hat“, teilt der Handelsverband auf Anfrage mit. Vor allem für kleine und mittlere Händler seien die Folgen der Pandemie aber bis heute zu spüren. „Viele haben ihre Rücklagen aufgebraucht und bangen nach wie vor um ihre Existenz.“ Zahlreiche Handelsunternehmen hätten über mehrere Monate hinweg keine Umsätze gemacht. Dieser Verlust bewirkte entsprechend Investitionszurückhaltungen, erschwerte oder geschrumpfte Altersvorsorgen oder sogar Aufgabe von Geschäften“, so der Handelsverband.
Die Konsumgewohnheiten der Kunden hätten sich im Zuge der Coronakrise enorm geändert, zieht der Handelsverband Bilanz. Allerdings habe der Strukturwandel im Handel schon vor Corona eingesetzt, sich aber dann enorm beschleunigt. Heute präferierten die Konsumenten eine Mischung aus Online- und stationären Einkäufen, sie nähmen Angebote wie „Click & Collect“ verstärkt wahr – entsprechend hätten die meisten Händler ihr „Multichannel-Angebot“ ausgebaut und auch nach den Corona-Beschränkungen beibehalten.
Viele Betriebe mussten„die Flügel strecken“
Armin Güth, Kreisvorsitzender Limburg-Weilburg des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, blickt mit gemischten Gefühlen auf die Pandemie zurück. Etwa zwölf bis 13 Prozent der etwa 500 gemeldeten Betriebe haben „die Flügel strecken“ müssen, und nach wie vor seien die Umsätze der Vor-Corona-Zeit in der heimischen Gastronomie nicht wieder erreicht worden. „Immerhin sind wir auf dem richtigen Weg“, sagt Güth. Einigen Betrieben mache nach wie vor zu schaffen, dass sie Corona-Hilfen zurückzahlen müssten, die sie etwas zu euphorisch beantragt hätten. „Für diese Betriebe kommt es nun zum Schweinebeißen“, sagt Güth.
Negativ habe sich die Pandemie auf den Personalbestand ausgewirkt; viele Mitarbeiter hätten sich neue Jobs gesucht, sie fehlten nun. Und das, obwohl die Gastro-Branche die Löhne zwischenzeitlich um etwa 20 Prozent angehoben habe, um für Arbeitnehmer attraktiver zu werden. Güth hofft daher auf eine Öffnung der Grenzen für Fachkräfte aus dem Ausland. „Die haben noch Spaß an der Sache“, sagt er. Zusammenfassend sagt der Dehoga-Chef: „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“