Als es noch die Wehrpflicht gab, machten viele junge Männer von dem Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung mit der Rechtfertigung Gebrauch, dass sie aus Glaubens- und Gewissensgründen den Dienst an der Waffe ablehnen. Angesichts der heutigen weltpolitischen Lage und der Bedrohung der Freiheit stellt sich nicht nur die Frage, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werden soll. Es geht auch darum, ob die Ablehnung der Verteidigung mit militärischen Mitteln aus christlicher Sicht noch zu verantworten wäre.
Die Frage „Soldat und Christ – Wie geht das zusammen?“ interessierte über 40 Zuhörer, die der Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung in der Reihe „Zeitzeichen“ in das Missionshaus der Pallottiner gefolgt waren. Ein konfliktträchtiges Thema, das der aus Niederhadamar stammende ehemalige Generalmajor der Bundeswehr, Josef Blotz, von unterschiedlichen Seiten beleuchtete.
Das ganze Dilemma nimmt seinen Ausgang im fünften Gebot. Einerseits fordert Gott „Du sollst nicht töten“, aber auch, dem Nächsten zu helfen und ihm beizustehen. „Wer sich für etwas einsetzt, setzt sich etwas aus. Er wird zum schützenden Streiter“, sagte Blotz. Sich und seine Mitmenschen zu verteidigen, resultiere aus Achtung und Schutz von Freiheit und Menschenwürde. Völkerrecht und Grundgesetz orientierten sich an christlich-ethischen Werten. So habe die Bundeswehr dereinst am Hindukusch friedenssichernde Aufgaben wahrgenommen. „Damals war das Spannungsverhältnis Christ und Soldat in den Hintergrund getreten, ist aber spätestens 2014 bei der Besetzung der Krim durch Russland wieder ins Bewusstsein gerückt“, erklärte der Referent.
Die erste Etappe zum himmlischen Frieden
Christen könnten dem Frieden in der Welt dienen. „Es geht nicht um die Frage, ob ich eingreifen darf, sondern muss“, sagte der ehemalige General. Der weltliche Friede sei die erste Etappe zum himmlischen Frieden, „und dafür muss ich etwas tun“. Blotz: „Wir brauchen nicht den gerechten Krieg, sondern den gerechten Frieden.“ Er kam auf den Lösungsweg der „Zwei-Reiche-Lehre“ Martin Luthers zu sprechen. Der Reformator meinte, um Politik nicht mit religiösen Dogmen zu belasten, müssten das geistliche und weltliche Regiment unterschiedliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten haben, die nicht miteinander vermischt werden sollten. „Christ und öffentliche Ämter, das sind zwei Personen“, bemerkte Blotz. Da könne es in vielerlei Beziehungen immer zu Gewissenskonflikten kommen: zum Beispiel Geschäftsmann und Christ oder Wissenschaftler und Christ. Soldaten sollen als Christen schützen. Sie stünden im Dienst der Sicherheit und Wahrheit.
Blotz sieht für den Soldat zwei Wege, aus dem Dilemma herauszukommen. Sieht er das Christsein als Hindernis, muss er sich fragen, wo seine Verantwortung für den Nächsten bleibt. Oder Christsein ist kein Hindernis, sondern eine Erlösung; denn als Christ kann ich nur Soldat sein, weil mein Glaube die Eindämmung des Bösen vorgibt und folglich eine Notwendigkeit ist. Blotz hielt es mit Martin Luther: „Kann ich als Soldat in ethischen Fragen in seligem Stand der Gnade sein?“ – Ja, sagt der Ex-General: „Auch wenn ich die Welt allein nicht retten kann, aber ich kann ein Helfer sein.“
Der Soldateneid beinhalte die dienende Verantwortung vor Gott und den Menschen. Es gehe darum, sich selbst und andere vor Gewalt und Krieg zu schützen, dem gerechten Frieden zu dienen, um sich nicht später rechtfertigen zu müssen. Die Abwehr von Gewalt kann nach Einschätzung des Referenten nicht schuldhaft sein, räumte aber ein, dass für gläubige Soldaten ein Schuldproblem bleibt. Glaube heiße Hoffnung, dass es Gott versteht. Blotz beendete seinen Vortrag mit einem Zitat des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss: „Wie kann man eigentlich Soldat sein, ohne Christ zu sein?“
Denkmäler für den Widerstand
Josef Blotz (Jahrgang 1956) stammt aus Niederhadamar, bestand das Abitur an der Fürst-Johann-Ludwig-Schule in Hadamar und begann seine steile militärische Laufbahn 1975 als Offiziersanwärter bei der Bundeswehr. Nach zahlreichen Stationen wurde er unter anderem Abteilungsleiter der Deutschen Nato-Vertretung in Brüssel. Als Brigadegeneral war er in Afghanistan und Libyen im Einsatz, zuletzt als Generalmajor Stellvertretender Kommandierender General des Eurokorps in Straßburg. Er ist Mitglied der Gemeinschaft Katholischer Soldaten und wurde für diese Tätigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. 2022 wurde der gebürtige Mannebacher an der Universität Cottbus zum Thema „Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Topographie einer deutschen Erinnerungslandschaft am Beispiel des 20. Juli 1944“ promoviert. Der verheiratete Vater zweier Kinder ist im Rhein-Sieg-Kreis zu Hause.