Von so ein paar Windböen und dunkelgrauen Wolken lassen sich echte Freunde des Obstanbaus doch nicht ins Bockshorn jagen. „Wir haben hier schon viel schlechteres Wetter gehabt“, ist beim Kirschblüten-Picknick in Filsen allenthalben zu hören. „Vor zwei Jahren zum Beispiel war es eisig kalt. Sogar ein bisschen geschneit hat es – und trotzdem sind mehrere Hundert Leute gekommen.“
Was definitiv für die Qualität der Veranstaltung spricht: Als Teil des vom Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal ins Leben gerufenen Projekts „Mittelrhein-Kirsche“ verfolgt das Kirschblüten-Picknick das Ziel, einer alten, aber ziemlich darniederliegenden Tradition wieder mehr Leben einzuhauchen. Über 80 Süß- und einige Sauerkirschensorten habe es im Oberen Mittelrheintal einst gegeben, berichtet Projektleiter Nico Melchior im Vorfeld im Gespräch mit unserer Zeitung. Ende der 1950er-Jahre standen hier mehr als 370.000 Kirschbäume.

Bereits seit Mitte der 1960er-Jahre ging der Kirschanbau dann allerdings rapide zurück, längst sind viele der alten Sorten vom Aussterben bedroht – eine mit Blick auf die Biodiversität mehr als bedenkliche Entwicklung, der man sich mit bewusstseinsstiftenden Veranstaltungen wie etwa Bildungsangeboten für Schulklassen oder kulinarischen Genusswanderungen rund um das rote Steinobst entgegenzustemmen versucht.
Und eben mit dem Kirschblüten-Picknick, bei dem der kulinarische Genuss ebenfalls hoch im Kurs steht. Die verschiedenen themenbezogenen Spezialitäten, zu denen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, selbst gemachte Honigwaffeln mit heißen Kirschen bei der ortsansässigen Imkerei Schneider, aber auch so ausgefallene Dinge wie Kirschbalsam oder Leber-Pâté mit Kirschen beim Heimatverein und Dorfladen Filsen zählen, tragen zweifelsohne dazu bei, dass auch 2025 ordentlich was los ist.
„Das Tolle an diesem Fest ist auch, dass man hier jede Menge Freunde und Bekannte trifft.“
Ute Heinz und Annette Schmidt aus Lahnstein
Ist ja auch kein Wunder bei diesem Standort, an dem man mit dem einen Auge auf blühende Kirschbäume und mit dem anderen auf den gemächlich dahinziehenden Rhein blicken kann. Früher habe das Kirschblüten-Picknick an wechselnden Orten im Mittelrheintal stattgefunden, sich spätestens nach der Corona-Pause aber fest in Filsen etabliert, erzählt Nico Melchior: „Die Wiese beim Sortengarten, in dem im Zuge der Flurbereinigung über 200 Bäume verschiedener alter Kirschsorten gepflanzt wurden, ist ja auch prädestiniert dafür.“
Man sieht es schon: Hier vermischt sich Lehrreiches mit Unterhaltsamem, Nützliches mit Genussvollem und ökologisch Wertvolles mit Spannendem. „Und die Ecke hier oben ist einfach wunderschön“, ergänzen Ute Heinz und Annette Schmidt aus Lahnstein, die auch außerhalb der Kirschblüten-Zeit schon das eine oder andere Mal auf dem zum Sortengarten führenden Filsener Kirschenpfad unterwegs gewesen sind: „Das Tolle an diesem Fest ist aber auch, dass man hier jede Menge Freunde und Bekannte trifft.“

Und sich an einer wachsenden Zahl von Ständen informieren kann. Fast von Anfang an dabei ist der Naturpark Nassau. „Schön, dass hier viele Lokal- und Direktvermarkter vor Ort sind“, finden Geschäftsführer Stefan Eschenauer und Mitarbeiter Simon Ostermann, die die Veranstaltung logischerweise auch für ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit nutzen und die entspannte Atmosphäre des kleinen, aber feinen Festes, das der Zweckverband gemeinsam mit der Ortsgemeinde und dem Heimatverein Filsen auf die Beine stellt, zu schätzen wissen.
Entspannt geht es hier in der Tat zu. Während einige Besucher das Wort „Picknick“ wörtlich nehmen und sich gemütlich auf mitgebrachten Decken niedergelassen haben, haben andere auf Bänken Platz genommen, genießen Kirschlikör und Co. und die fantastische Aussicht auf den Strom. Und natürlich die groovige Musik, die das Duo Latin & More aus Lorch auf Lager hat. Gemeinsam mit Sängerin Ulla Jones sorgen Jürgen Gentemann (Gitarre) und Kurt Stieffenhofer (Gitarre und Gesang) dafür, dass es auch akustische Genüsse gibt.
„Im Gegensatz zu Japan tragen unsere Kirschbäume nicht nur diese Blütenpracht, sondern verwandeln diese dann auch in leckere Kirschen.“
Landrat Jörg Denninghoff
Ein paar Meter weiter ist sportlicher Ehrgeiz angesagt: An der Spuckbahn treten immer wieder Gruppen zur vorolympischen Disziplin des Kirschstein-Weitspuckens an. Ein gewisser Andreas schafft es hier mit 6,7 Metern ganz nach vorne – und heimst damit eine der kirschroten Gießkannen als Trophäe ein.
Angelehnt ist das Kirschblüten-Picknick an Hanamis – Feste, mit denen die Japaner traditionell im Frühjahr die Schönheit ihrer in Blüte stehenden Kirschbäume feiern. Allerdings, so Landrat Jörg Denninghoff in seinem Grußwort: „Im Gegensatz zu Japan tragen unsere Kirschbäume nicht nur diese Blütenpracht, sondern verwandeln diese dann auch in leckere Kirschen.“
Das werden mittel- bis längerfristig auch die zehn Bäumchen tun, die Martinimarktkönigin Lara I. aus Osterspai bei der anschließenden Verlosung unters Volk bringt – hier sind von der Spanischen vom Mittelrhein bis zur Königlichen Amarelle etliche alte Sorten vertreten, die man zudem auch käuflich erwerben kann.

Dazu gibt’s jede Menge Wissenswertes. Nicht nur auf den zahlreichen Infotafeln entlang des Kirschenpfads, sondern beispielsweise auch am Stand von Slow Food, einer Initiative, die sich für den Erhalt der regionalen Küche mit heimischen Produkten und deren lokale Produktion einsetzt. „Wir haben die traditionellen Kirschsorten des Mittelrheintals in unsere Arche des Geschmacks aufgenommen und machen deutschlandweit auf ihre Existenz aufmerksam“, sagt Brigitte Heuft von der Rhein-Mosel-Gruppe, die in Filsen zum dritten oder vierten Mal mit dabei ist.
Auch einige „Neue“ sind an Bord. Neben der Bürgergruppe Grüner Daumen Spay, die sich unter anderem in Wiederaufforstungsprojekten engagiert, zählen dazu auch die Buga 2029 gGmbH und die Buga-Freunde, die kräftig Werbung für die Großveranstaltung in vier Jahren machen. „Eine prima Gelegenheit, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen“, nennen Elke Adam und Wiebke Neumann von der Buga-Gesellschaft das fröhliche, gut besuchte Fest: „Und wenn dann auch noch, wie in diesem Jahr, die Kirschbäume pünktlich blühen, ist es einfach perfekt.“