„#Wir leben Rechtsstaat“ – das ist das Motto der „Woche der Justiz“, die vom 23. bis zum 27. Juni in ganz Rheinland-Pfalz stattfindet. Unter diesem Motto öffnen Gerichte und Staatsanwaltschaften ihre Türen, um interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen Einblick in die Arbeit der Justiz zu vermitteln. Auch die beiden Amtsgerichte im Rhein-Lahn-Kreis, in Lahnstein und Diez, machen mit. Unsere Zeitung hat exemplarisch mit Dennis Graf, dem Direktor des Diezer Amtsgericht, über die Veranstaltungswoche, die Notwendigkeit eines wehrhaften Rechtsstaates und hartnäckige Rechtsmythen gesprochen.
Was erwartet Interessierte in der Woche der Justiz am Amtsgericht Diez?
Wir wollen zeigen, wie Justiz als zentrale Säule unseres demokratischen Rechtsstaates funktioniert und welche Menschen und Berufsgruppen hier tagtäglich im Einsatz sind. In einem Rechtsstaat steht allen Bürgerinnen und Bürgern der Rechtsweg offen. Dieser beginnt bei ihrem Amtsgericht vor Ort. In Diez werden wir Justiz hautnah erlebbar machen. So bekommen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, eine Gerichtsverhandlung nachzuspielen und in die Rollen der Verfahrensbeteiligten, Richter, Staatsanwälte, Zeugen, hineinzuschlüpfen. Als Herzstück der Woche der Justiz wird es am Donnerstag, 26. Juni, am Amtsgericht Diez einen Tag der offenen Tür geben.
Was ist an diesem Tag geplant?
Wir starten um 9 Uhr mit einer kurzen Begrüßung. Im Anschluss werden die Wachtmeister eine Sicherheitskontrolle simulieren. Den ganzen Tag über wird es Vorträge zu Themen wie „Aufbau der Justiz“ und „Digitalisierung“ geben. Ein junger Richter wird aus seinem Berufsalltag erzählen. Außerdem können sich Schüler über Karrierechancen in der Justiz informieren. Hierfür wird es Infostände geben, an denen Kollegen aus allen Bereichen des Amtsgerichtes für Fragen zur Verfügung stehen.
In der Justiz gibt es vielfältige Tätigkeitsfelder, angefangen über die Wachtmeister, ohne die keine Sicherheit gewährleistet wäre, über Mitarbeiter der Serviceeinheiten, Gerichtsvollzieher bis hin zu IT-Fachleuten, die für unsere Arbeit immer wichtiger werden. Besonders das Berufsbild des Rechtspflegers ist noch weithin unbekannt, was schade ist. Denn Rechtspfleger treffen ähnlich wie Richter selbstständig Entscheidungen und sind nicht weisungsgebunden, sondern nur dem Gesetz unterworfen. Rechtspflege ist ein eigener dualer Studiengang, verbunden mit einer Praxisausbildung an Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft. Auch hierüber werden wir beim Tag der offenen Tür informieren.
Am Nachmittag werden die beiden Bezirksnotare Vorträge zum Thema „Schenken oder vererben“ sowie zum Thema „Vorsorgevollmacht“ halten. Außerordentlich freuen wir uns an diesem Tag auch über einen Besuch von Landesjustizminister Philipp Fernis.
Sie sagen, das Ziel ist, den Menschen die Arbeit der Justiz als eine Säule der Rechtsstaatlichkeit näherzubringen. Sehen Sie diesen Rechtsstaat aktuell besonders herausgefordert?
Es geht um einen starken und wehrhaften Rechtsstaat. Bezogen auf die Amtsgerichte bedeutet ein starker Rechtsstaat eine bürgernahe und effiziente Justiz vor Ort. Dabei geht es um Grundbuchsachen, die Erteilung eines Erbscheines oder Betreuungssachen, wenn eine Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Rechtsgeschäfte selbstständig zu tätigen. Wenn wir hingegen über den wehrhaften Rechtsstaat sprechen, hat das eher eine politische und verfassungsrechtliche Dimension. Ich nehme mit großer Sorge zur Kenntnis, dass es demokratiefeindliche, rechtspopulistische Bestrebungen gibt, die mit elementaren Grundsätzen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung wie Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit nichts mehr zu tun haben.
Die von Ihnen angesprochenen demokratiefeindlichen Bestrebungen spiegeln sich auch in den Statistiken wider, die belegen, dass politisch motivierte Straftaten, besonders von rechts, massiv zugenommen haben. Nehmen Sie diese Zunahme auch bei Ihrer Arbeit hier am Amtsgericht wahr?
Wir führen dazu keine Statistik. Aber auch hier in Diez werden entsprechende Fälle verhandelt. So hatte ein Angeklagter in einem sozialen Netzwerk öffentlich einsehbar ein Bild, das den Reichsadler mit dem Logo von Bündnis 90/Die Grünen und den Schriftzug „Grünes Reich’“ enthielt, geteilt. Zudem enthielt das Bild den Text: „Der Nazi von heute ist nicht braun, sondern grün! Sein Holocaust ist der Mord am eigenen Volk“. Dieser Angeklagte wurde im vergangenen Jahr wegen Volksverhetzung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, zeigt aber, dass auch wir am Amtsgericht solche Fälle zu verhandeln haben.
Am Amtsgericht werden auch Straftaten verhandelt, die von Angehörigen eines Milieus begangen werden, welches noch vor zehn Jahren eine vergleichsweise geringe Rolle spielte: den Delegitimierern oder „Reichsbürgern“. Wie geht man mit einem Angeklagten um, der den ganzen Staat, auf dessen Rechtsgrundlage er angeklagt wurde, für eine Fiktion hält?
Indem in Strafverfahren die Strafprozessordnung konsequent angewendet wird. Die Anhänger sogenannter Reichsideologien versuchen, die Arbeit der Justiz mit vielfältigen Mitteln zu verhindern. Nichtsdestotrotz erhalten auch diese Personen ein faires Verfahren. Die Strafprozessordnung stellt uns hierfür das juristische Handwerkszeug zur Verfügung. Man kann beispielsweise sogenannte sitzungspolizeiliche Maßnahmen anordnen, um Störaktionen zu unterbinden. Zudem werden die Verfahren regelmäßig unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt. Ladungen werden durch Beamte oder Gerichtsvollzieher direkt zugestellt, um einen Nachweis der Zustellung zu haben.
Es gibt eine Reihe von Rechtsmythen, die sich in der Bevölkerung hartnäckig halten, wie zum Beispiel „Eltern haften für ihre Kinder“, „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ oder „Aussage gegen Aussage bedeutet Freispruch“. Welche begegnet Ihnen und Ihren Kollegen bei der alltäglichen Arbeit im Gericht am häufigsten?
Es gibt viele solcher Rechtsirrtümer. Bei dem immer noch im Alltag häufig anzutreffenden Schild „Eltern haften für ihre Kinder“ geht es um die Frage, ob den Eltern eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vorgeworfen werden kann. Hier am Amtsgericht werden auch Verkehrsunfälle verhandelt. Dabei hört man häufig: „Wer auffährt, hat Schuld.“ Hier kommt es aber auf den konkreten Unfallhergang an. Die Frage ist, ob der sogenannte Anscheinsbeweis, nämlich, der Auffahrende hat den Sicherheitsabstand nicht eingehalten, widerlegt werden kann.
Juristisches Halbwissen kann in diesen Bereichen durchaus gefährlich sein. Ich bin wirklich gespannt, ob wir in der Woche der Justiz auf solche populären Rechtsirrtümer angesprochen werden. Ich freue mich jedenfalls darauf, über solche Themen ins Gespräch zu kommen.
Das Programm zur Woche der Justiz an den Amtsgerichten in Diez und Lahnstein sowie bei allen anderen teilnehmenden Institutionen gibt es online unter www.woche-der-justiz.rlp.de/alle-veranstaltungen-im-ueberblick