Eines vorab: Es muss einem nicht alles gefallen bei dieser Kunstausstellung. Manche Exponate, die bei „Arte Ems“ zu sehen sind, kann man sogar ziemlich schrecklich finden. Aber, wie ein Besucher es formuliert: „Die Vielfalt an Motiven, Stilrichtungen und künstlerischen Techniken, die man bei hier zu Gesicht bekommt, frappiert und fasziniert zugleich. Hier ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.“

Und das ist natürlich kein Zufall, sondern pure Absicht. „Wir haben die ausstellenden Künstler bewusst so ausgewählt, dass sie eine möglichst große Bandbreite repräsentieren“, sagt Daniel Mrakic, der gemeinsam mit Thomas Stähler den Vorstand des veranstaltenden Kunstvereins Ars Logana bildet, im Gespräch mit unserer Zeitung. Beide sind, wie sie erklären, selbst keine Künstler, aber Kunstliebhaber und -sammler und haben den Verein Ars Logana – zu Deutsch „Kunst von der Lahn“ – vor Kurzem zusammen mit zwei Handvoll Mitstreitern mit keinem anderen Ziel als dem gegründet, diese außergewöhnliche Ausstellung im mondänen, kulturgeschichtlich bedeutsamen Bad Emser Kursaalgebäude auf die Beine zu stellen.
„Als Kunstsammler schauen wir uns in der ganzen Welt um – da haben wir uns gesagt: Warum holen wir nicht mal die Welt nach Bad Ems?“
Initiator Daniel Mrakic
Arte Ems? Ars Logana? Auch wenn der lokale Bezug kaum zu übersehen ist, reicht das „Einzugsgebiet“ weit über das Kurstädtchen hinaus. „Als Kunstsammler schauen wir uns in der ganzen Welt um – da haben wir uns gesagt: Warum holen wir nicht mal die Welt nach Bad Ems?“, sagt Daniel Mrakic bei der offiziellen Eröffnung am Mittwochnachmittag und nennt als diejenigen Künstlerinnen mit der weitesten Anreise Susanne Reibe aus Kiel und Uta Oberneder aus dem Allgäu. Mehr noch: Da auch Künstler mit im Boot sind, die ihre Wurzeln im Iran, der früheren Sowjetunion, Frankreich oder Japan haben, kann „Arte Ems“ sogar mit einem internationalen Touch punkten.

Ihren besonderen Charakter erhält die Ausstellung vor allem aber durch die Gegenüberstellung alter Meister, deren Werke im Kurtheater zu sehen sind, und zeitgenössischer Künstler, die im Marmorsaal und auf der Galerie darüber ausstellen. „Wenn man die Bilder betrachtet, wird man feststellen, dass sich viele zeitgenössische Künstler von der Motivwahl und der Maltechnik alter Meister inspirieren lassen, um sie auf ihre ganz eigene Art und Weise neu zu interpretieren“, lenkt Daniel Mrakic den Blick auf das Verbindende zwischen Hüben und Drüben. Nicht umsonst trägt die Ausstellung den Untertitel „Junge Meister treffen alte Meister“ – ein Motto, das sich gewissermaßen auch auf die hier vertretenen Künstler-Generationen übertragen lässt. So berichten sowohl Heribert Elzer, der seit mehr als 40 Jahren hauptberuflich Künstler ist, als auch Andreas Görzen, Jahrgang 1986, wie ihre Leidenschaft für die Kunst entstanden ist. „Man merkt, dass Sie für Ihre Sache brennen“, bringt Stadtbürgermeister Oliver Krügel die Stimmung in seinem Grußwort auf den Punkt und heißt alle 32 Künstler willkommen: „Egal, ob Sie den Weg aus Bad Ems, Japan oder dem Iran hierher gefunden haben.“
„Der gegenseitige Austausch ist perfekt, und wir haben schon viel voneinander gelernt.“
Künstlerin Michéle Kleez
Michéle Kleez ist aus der Nähe von Dresden angereist und präsentiert im Marmorsaal ihre von hellen Farben und einer pastosen Technik geprägten Gemälde. „Ich bin ein großer Fan von van Gogh“, lässt sie erahnen, welcher alte Meister sie beeinflusst haben könnte, und freut sich über das harmonische Miteinander mit ihren Mit-Ausstellern. „Der gegenseitige Austausch ist perfekt, und wir haben schon viel voneinander gelernt“, sagt sie.
Ein Statement, das so oder so ähnlich immer wieder zu hören ist. „Zu Hause arbeitet man an seinen eigenen Sachen. Aber es ist sehr bereichernd zu sehen, was andere machen“, sagt etwa Tatjana Kühnal aus Diez und fügt hinzu: „Schauen Sie mal diese beiden Meeresbilder hier: Das ist dasselbe Motiv, aber auf eine völlig andere Art und Weise künstlerisch umgesetzt.“

Nicht zuletzt habe sie auch der Marmorsaal mit seinem historischen Ambiente als Kulturstätte gereizt, begründet die aus Schleswig-Holstein angereiste Katja Meier-Chromik, die bei ihren Bildern mit Acrylfarbe, Strukturpasten und Kunstharz auf Holzpaneelen arbeitet, ihre Teilnahme: „Und die Ausstellung ist wirklich toll organisiert.“
Susanne Reibe wiederum bringt ihr Wissen aus 40 Jahren Arbeit in der Apotheke in ihre künstlerische Tätigkeit ein, indem sie Mörser und andere pharmazeutische Geräte einsetzt, um abstrakte Kunstwerke zu schaffen, die durch ihre besonderen Strukturen nicht nur visuell, sondern auch haptisch etwas zu bieten haben.
Wie bereits angedeutet: Der Facettenreichtum ist enorm. Hier gesellt sich nicht nur abstrakte zu gegenständlicher Kunst, sondern auch Fotografie zu Malerei, Pop-Art zu Graffiti und, um nur ein drittes Beispiel zu nennen, die Pouring-Technik zu gestickten Bildern. „Malen kann fast jeder, aber sticken können nicht so viele“, sagt Elena Naroshnaja mit einem Augenzwinkern. Während Keiko Buttler die japanische und Birgit Moldenhauer die chinesische Kunst ins Geschehen einbringt, zeigt der aus dem Iran stammende Reza Momen Straßenlandschaften, denen tanzende Lichtreflexe einen ganz eigenen Zauber einhauchen – eine Malweise, die stark an die Kunst der Impressionisten erinnert.

Die sind drüben im Kurtheater zwar nicht vertreten, dafür aber von Tintorettos „Der heilige Antonius“ über Guiseppe di Francos „Die Anbetung der Könige“ bis zu Guilio Cesare Procaccinis „Die heilige Familie“ und vielen anderen eine beeindruckende Phalanx alter Meister, deren Werke teils im Original, teils als Kopien zu sehen sind. Von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert spannt sich hier der Bogen, den Daniel Mrakic und Thomas Stähler bei Führungen mit zahlreichen Details veranschaulichen.
Die Ausstellung „Arte Ems“ ist noch bis Sonntag, 4. Mai, jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet für Erwachsene 8 Euro und für Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre 5 Euro. Tickets sind unter www.arslogana.de erhältlich.