Infotag in Miehlen
Wenn das Kind per Whatsapp straffällig wird 
Die Mesanger-App Whatsapp gehört zu den beliebtesten Apps bei Kindern und Jugendlichen. Dass viele im Umgang damit Straftaten begehen, ist vor allem Minderjährigen nicht klar.
Weronika Peneshko. dpa

Digitale Medien gehören zum Leben junger Menschen dazu. Doch welche Gefahren dort lauern, wissen die wenigsten. Beim Infotag zeigten Experten, wie Eltern und Fachkräfte den Umgang damit begleiten und Medienkompetenz fördern können.

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Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mit 13 Jahren hat jedes Kind in Deutschland Zugang zum Internet, 81 Prozent der 12- bis 13-Jährigen haben ein eigenes Smartphone, zeigen aktuelle Studien. Was für die Kids cool und praktisch ist, stellt die Erwachsenen vor Herausforderungen. Mit welchen Gefahren werden Minderjährige im Internet konfrontiert? Und, wie können Eltern, aber auch Fachkräfte, die mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, dem begegnen? Darüber informierte das Netzwerk Kindeswohl der Verbandsgemeinde (VG) Nastätten kürzlich bei einem Infonachmittag, der unerwartet rege besucht war.

„Wir haben 90 Personen angeschrieben, noch etwas Werbung gemacht und heute sind 190 Leute hier. Das zeigt, wie wichtig das Thema ist“, betonte Organisatorin Anke Sorg und übergab das Wort an Kriminalhauptkommissarin Regine Lumpp, die sich mit Gewaltprävention im digitalen Raum beschäftigt und aufzeigte, welche Gefahren das Internet und digitale Medien für junge Menschen mit sich bringen. So zum Beispiel das Cybergrooming, die gezielte Manipulation Minderjähriger über das Internet, dessen Ziel es ist, das Opfer in eine Falle zu locken, um Straftaten wie sexuell motivierte Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung zu begehen – ein Phänomen, das immer häufiger vorkommt. Allein 2024 registrierte die Polizei deutschlandweit rund 3500 Fälle, „das Dunkelfeld liegt 171-mal höher“, so Lumpp.

Kriminalhauptkommissarin Regine Lumpp zeigte Gefahren im Netz auf.
Marta Fröhlich

Sie berichtete darüber hinaus, welche gefährlichen Challenges, also Wettbewerbe auf verschiedenen Plattformen gerade angesagt sind und wie Mobbing auch im Internet stattfinden kann. „Am wichtigsten ist: Das Internet ist ein digitaler Raum, der genauso wie unsere reale Welt Gesetzen unterliegt“, betonte die Polizistin und erläuterte, wie schnell Kinder online selbst zu Tätern werden, indem sie zum Beispiel pornografische Inhalte oder Fotos und Videos mit Gewaltdarstellungen auf ihrem Handy speichern oder weiterverbreiten.

„Mit 14 Jahren ist man strafmündig. Wenn mir jemand was per Whatsapp schickt, die App das Material automatisch runterlädt und auf meinem Gerät speichert, bin ich im Besitz strafrechtlich relevanten Materials. Also was sollte man tun?“, fragte die Expertin und empfahl sowohl Fachkräften als auch Eltern, „den Kindern einen Bürgersteig im Internet zu bauen. Wir müssen über diese Straftatbestände aufklären, noch bevor ein Handy genutzt wird. Wir empfehlen einen Handynutzungsvertrag, wo Regeln klar vereinbart sind. Wir richten technische Programme zur Begrenzung der Suchmaschinen, von Apps und von Bildschirmzeit ein. Und – auch wenn es sich manchmal doof anfühlt – wir kontrollieren die Geräte unserer Kinder, solange sie nicht sicher damit umgehen“, appellierte Lumpp, selbst Mutter, an die Zuhörerschaft. Schließlich könne man die Kinder nicht von digitalen Medien fernhalten. Also müsse man ihnen den Umgang damit zeigen.

Das Bürgerhaus in Miehlen war beim Infonachmittag zu Gefahren von digitalen Medien bis in die letzten Reihen gefüllt.
Marta Fröhlich

Das konnten Zoe Göttert, Sozialarbeiterin an der IGS in Nastätten, und Roberto Campanello, Leiter des Jugendhauses Hahnenmühle in Nastätten, nur bestätigen. Göttert präsentierte in ihrem Vortrag, wie gerade junge Internetnutzer enge virtuelle Beziehungen zu Influencern aufbauen: „Wir Erwachsene wissen, dass diese Beziehungen nicht echt sind, für Kinder ist es aber manchmal nicht klar, dass finanzielle Interessen dahinterstecken. Deshalb ist mein Appell: Schauen Sie sich an, was Ihr Kind auf dem Handy macht, und sprechen Sie darüber. Die elterliche Aufgabe hört nicht beim Kauf des Gerätes auf“, so die Pädagogin.

Wie schnell gerade Kindern online das Geld aus der Tasche gezogen wird, berichtete Campanello. Er zeigte, welche wirtschaftlichen Strategien beliebte Spiele wie „Roblox“ oder „Fifa“ verfolgen, indem sie Kinder zum Beispiel mit zunächst freien Versionen locken, um dann Inhalte gegen Geld anzubieten. Auch sein Wort richtete sich an die verantwortlichen Erwachsenen, Kinderschutzmaßnahmen auf den Geräten zu treffen und sich selbst gut zu informieren. „Wir dürfen das Thema nicht ignorieren, denn es nimmt so viel Raum im Leben der Kinder und Jugendlichen ein. Wir Fachkräfte müssen lebensweltorientiert arbeiten, deshalb müssen wir uns in dem Thema auskennen. Verbote bringen gar nichts“, ist er überzeugt, „schließlich lernt man nur, mit Medien umzugehen, indem man damit umgeht. Und das klappt besser, wenn man es begleitet tut.“

Zoe Göppert, Schulsozialarbeiterin an der IGS in Nastätten, erklärte, wie Kinder und Jugendliche mit Influencern in Beziehung treten.
Marta Fröhlich

Das Problem: Viele Eltern wüssten selbst nicht genug über digitale Medien. Das berichteten in der offenen Fragerunde auch einige Erzieherinnen: „Viele gehen selbst nachlässig mit Daten im Netz um, stellen Kinderbilder in den Whatsapp-Status, kennen nicht die Spiele, die ihr Kind spielt“, berichtet eine Erzieherin. „Mit Infoabenden zum Thema erreichen wir nicht die Eltern, die wir erreichen wollen“, sagt eine andere. Deshalb möchte zum Beispiel Grit Palme, selbst Lehrerin an der Miehlener Grundschule, das Thema Umgang mit digitalen Medien in allgemeine Elternabende integrieren. „So erreiche ich auch die Eltern, die vielleicht nicht zu einem Themenabend kommen würden“, führt sie aus. „Werden Sie nicht müde, Angebote auch an die Eltern zu machen“, motivierte Campanello seine Kolleginnen und Kollegen. Das A und O sei aber, dass die Fachkräfte sich selbst mit dem Umgang auskennen. „Auch wenn das für viele von uns bisher eine fremde Welt ist: Wir müssen uns auskennen, um gut zu begleiten“, betonte Anke Sorg, die als Fachberatung Kitas im Kreis unterstützt. Dass das Thema eher größer als kleiner wird, daran zweifelte an dem Nachmittag wohl niemand im Saal.

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