Der 69-Jährige, der aus Koblenz stammt, inzwischen in Oelsberg (Rhein-Lahn-Kreis) wohnt und dort auch Bürgermeister ist, verantwortet als CEO die Leitung des operativen Geschäfts bei Aurus. Über sich selbst möchte Hilgert aber nicht sprechen. Ihm geht es in erster Linie um das Produkt – auch nicht um Politik. Marketing, Kommunikation und Vertriebsplanung Organisationsaufbau sowie die strategische Unternehmensentwicklung sind seine Aufgaben. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, wie die neue russische Automarke entstanden ist, was sie ausmacht und wie es nach der Präsentation auf der Automesse in Moskau weitergehen soll. Dabei kann der ausgewiesene Experte eines allerdings schon vorweg verraten: „Das Projekt hat sehr schnell an Fahrt aufgenommen.“
Seit einigen Jahren wird in Russland darüber diskutiert, wie die lokale Industrie so aufgebaut werden kann, um Autos zu bauen, die auch auf dem internationalen Markt Beachtung finden können. Dem Staatlichen Forschungszentrum Nami traute man schließlich zu, diese große Aufgabe bewältigen zu können. Eine junge Mannschaft machte sich sodann an die Entwicklung. In der Manufakturfabrik im Herzen Moskaus werden die Teile für die Fahrzeuge entwickelt und gefertigt. Die Zusammenarbeit mit zahlreichen namhaften internationalen Zuliefererunternehmen garantiert laut Hilgert „Top-Qualität“ auf dem aktuellen Stand der Technik – ein wesentlicher Baustein. Beim Verbrennungsmotor wurde beispielsweise mit der Porsche Engineering Group zusammengearbeitet. Bis 2021 können pro Jahr 150 Fahrzeuge in Moskau gefertigt werden. Zu wenig. Um die Jahreskapazität zu steigern, soll eine neue Produktionsstätte entstehen, mit der 5000 Autos im Jahr gefertigt werden können – inklusive der Option, noch einmal um das Doppelte aufzustocken.
Seine Aufgabe bei dem Automobilhersteller hat der 69-jährige Gerhard Hilgert, der als international anerkannter Berater in der Branche tätig ist und unter anderem Manager bei Mercedes war, im November 2017 übernommen. Seither pendelt er zwischen dem Blauen Ländchen und Moskau hin und her. Umziehen wollte er nicht, dafür fühle er sich in Oelsberg zu wohl.
Sofort ging es Schlag auf Schlag. Wie es bei Start-up-Unternehmen eben ist. Als Erstes ging es darum, einen Namen zu finden. Dabei machte Hilgert seinem Team nur eine Vorgabe: Der Name müsse mit dem Buchstaben A anfangen, sodass er oben auf einschlägigen Listen zu finden ist. Heraus kam Aurus, ein Begriff, der für die Aura der kreativen Mitarbeiter stehen, und – angelehnt an Aurum (Gold) – etwas Wertvolles repräsentieren soll, und mit RUS wird das internationale Kürzel für das Herkunftsland bemüht. Anschließend wurde die Marke aufgebaut. Designer entwickelten einheitliche Logos und Farbmuster für Visitenkarten oder Messestände. Werbeslogans wurden erdacht. „Das Erwachen der inneren Kraft“ soll etwa Russlands bisher nicht konsequent genutzten Fähigkeiten im Automobilbereich beschreiben. Konzipiert wurde der Aurus als Staatslimousine. Passend dazu war bei der Amtseinführung des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Mai das erste Auto öffentlich zu sehen. Wenige Tage später erfolgte eine erste Pressekonferenz. Jetzt gibt es den gepanzerten Aurus Senat und das kleinere Modell sowohl gepanzert als auch ungepanzert. Perspektivisch sollen laut Hilgert SUV, Van und Coupé folgen. Die Entwicklung sei bereits recht weit.
Doch wie sollen Kunden für die russische Luxusmarke gewonnen werden? Neben modernster Technik, Hybridantrieb ist nur ein Stichwort, und der Erfüllung individueller Wünsche in Sachen Interieur, setzt Hilgert auf die Kundenbetreuung. „Wir tun etwas Überraschendes“, beschreibt der 69-Jährige das Ziel und denkt dabei vor allem an Events. In der Aurus-Preisklasse gehe niemand in ein Autohaus und sehe sich Prospekte an. Daher soll auf Aktionen gesetzt werden. So ist der Senat am letzten Septemberwochenende im VIP-Bereich der Formel 1 in Sotschi zu sehen. Weitere Termine wie die Sicherheitsmesse Idex in Abu Dhabi sind geplant.
Offizieller Verkaufsstart ist im Januar 2019. Dann werden auch die Preise bekannt gegeben, sagt Hilgert. Bestellungen können aber bereits jetzt abgegeben werden. Mehr als 70 Voranfragen habe er bislang erhalten, und von Tag zu tag würden es mehr. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt der 69-Jährige mit Blick auf die Weltpremiere bei der Automesse Ende August. Der Aurus Europa-Start erfolgt übrigens beim Genfer Autosalon im März 2019. Langweilig wird es Gerhard Hilgert also – weder in Moskau noch in Oelsberg – sicherlich nicht.
Von unserem Redakteur Markus Eschenauer