Sanierungsstau
Was passiert mit Kirchengebäuden im Rhein-Lahn-Kreis?
Die Zukunft der Kapelle in Reichenberg ist ebenso fraglich wie die vieler anderer Gebäude in kirchlicher Hand.
Dekanat Nassauer Land /Matern

Nach einigen Zusammenlegungen von Pfarreien müssen die Kirchen im Rhein-Lahn-Kreis nun auch ans schwierige Thema Gebäudeerhaltung ran. Welche Gebäude können noch erhalten, müssen saniert oder verkauft werden?

Für zwei von drei katholischen Pfarreien im Rhein-Lahn-Kreis gibt es nun einen konkreten Plan, schreibt das Bistum Limburg in einer Pressemitteilung. Für die „Altpfarrei St. Martin Bad Ems/Nassau“ gibt es einen Vorschlag, wie mit den insgesamt 22 Gebäuden künftig umgegangen werden soll. Die Pläne werden nun in der Pfarrei beraten und dort entschieden. Das Konzept, das seit 2021 erarbeitet und nun vorgestellt worden sei, zeige „unumgängliche“ Schritte auf, wenn die Pfarrei langfristig finanziell souverän bleiben wolle, sagt Pfarrer Armin Sturm. Alle Immobilien der alten Pfarrei St. Martin Bad Ems/Nassau seien unabhängig bewertet worden. „Es wurde ein Instandhaltungsstau von mindestens 11,5 Millionen Euro und ein hoher Handlungsdruck festgestellt“, fasst Verena Schäfer vom Team der Kirchlichen Immobilien Strategie (KIS) im Bischöflichen Ordinariat Limburg die Ergebnisse zusammen.

Konkret sieht das Konzept den dauerhaften Erhalt der St. Martins-Kirche in Bad Ems als zentralen Ort der Pfarrei vor. Die Baulast der Kapelle Maria-Königin in Bad Ems liegt beim Land. Daher kann das Gotteshaus ebenfalls erhalten bleiben. Von großer Bedeutung für die pastorale Arbeit der Pfarrei ist das Haus der Begegnung in Bad Ems, was dringend saniert werden muss. Der Gesamtkomplex mit allen Nebengebäuden einschließlich der Kita soll mit der Auflage verkauft werden, die Kita gesetzeskonform umzubauen. Die Pfarrei bleibt Betriebsträger der Kita. Zudem ist die langfristige Anmietung für weiterhin benötigte Räume für die pastorale Arbeit und den St.-Martins-Chor im Haus der Begegnung vorgesehen.

Seit 2021 werden die Kirchen wie hier in Geisig auf den Prüfstand gestellt.
Dekanat Nassauer Land/Matern

Die Kirche St. Bonifatius in Nassau soll perspektivisch aufgegeben und eine alternative Nutzung geprüft werden. Das Gemeindehaus in Nassau soll erhalten bleiben und in einigen Jahren erneut überprüft werden. Das Pfarrhaus St. Bonifatius in Nassau hingegen soll verkauft werden. Die Kirche in Nievern kann erhalten bleiben, solange noch Rücklagen und Drittmittel vorhanden sind. Das Gemeindehaus St. Katharina in Nievern bleibt als zentraler Begegnungsort ebenfalls weiterhin erhalten. In Winden soll die Kirche St. Willibrord erhalten bleiben. Das Gemeindehaus steht bislang nicht zur Disposition. Das Pfarrhaus in Winden wird nicht mehr benötigt. Die St. Michaels-Kapelle soll erhalten werden. In Singhofen ist die Aufgabe der Marienkapelle geplant und in Seelbach fungiert die St. Anna-Kirche derzeit als Ausweichort während der Renovierung der Klosterkirche Arnstein. Hier soll ebenfalls in einigen Jahren eine erneute Überprüfung erfolgen. Die Alte Kirche Seelbach dient derzeit als Lagerstätte und soll langfristig verkauft werden. Perspektivisch soll auch die Kirche in Weinähr aufgegeben werden. Die Klosterkirche St. Margareta Arnstein bleibt zentrale Kirche für das Gebiet Singhofen, Seelbach und Weinähr. Für die dritte Pfarrei im Kreis, die Pfarrei Hl. Elisabeth von Schönau, sei man ebenfalls im Prozess, berichtet Stephan Schnelle, Pressesprecher des Bistums.

Auch bei der evangelischen Kirche stehen die Gebäude auf dem Prüfstand. In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wird derzeit ein Gebäude- und Entwicklungsplan erarbeitet, an dem Kirchengemeinden, Nachbarschaften und Dekanate mitwirken, teilt das Dekanat auf Anfrage mit. Damit soll die Bauunterhaltungslast um mindestens 20 Prozent gesenkt werden. Auch wenn das Dekanat Nassauer Land mit insgesamt 175 Gebäuden eines der ersten innerhalb der EKHN war, das sich auf den Weg zur Umsetzung machte, ist mit Ergebnissen, was das für die Bauwerke konkret bedeutet, frühestens Ende 2026 zu rechnen. Schon im November 2021 wurde – begleitet von der kirchlichen Bauverwaltung in Darmstadt – die Bestandsaufnahme der Immobilien rund um die Loreley gestartet. Mittlerweile sind alle 76 Kirchen, 37 Pfarrhäuser und 62 Gemeindehäuser, die es im Dekanat gibt, besucht. Eingeteilt werden die Gebäude jetzt nach drei Kategorien: solche, deren Unterhaltung wie bisher von der Landeskirche bezuschusst wird (A), solche, für die nur noch Geld aus Darmstadt fließt, wenn Arbeiten „an Dach und Fach“ anstehen (B), und jene, die aus der Förderung ganz herausfallen (C). Derzeit wird über den Bedarf in den einzelnen Nachbarschaftsräumen beraten.

Viele Pfarrhäuser stehen seit Jahren leer

Ein offensichtliches Beispiel für das Zuviel an Gebäuden sind die Pfarrhäuser: Gab es in den evangelischen Rhein-Lahn-Gemeinden vor 20 Jahren noch 50 Pfarrpersonen, hat sich die Zahl heute fast halbiert. Hinzu kommt die 2019 gelockerte Residenzpflicht der Geistlichen, die einst zum Wohnen in den Pfarrhäusern verpflichtete. Schon seit Jahren stehen daher viele Dienstwohnungen leer oder wurden umfunktioniert; so etwa 2019 in Frücht, wo das alte barocke Pfarrhaus saniert wurde und einen Gemeinderaum erhielt. Im Gegenzug wurde das 50 Jahre alte Gemeindehaus im Hof abgerissen. Beide Immobilien wären zusammen nicht mehr gefördert worden.

Weitgehend sichergestellt scheint die gesamtkirchliche Unterstützung für die sakralen Bauwerke. Aber selbst da stehen einige zur Diskussion. So ist etwa die Zukunft als kircheneigenes Gebäude der Kapelle in Fachingen ebenso fraglich wie die der Kapelle in Reichenberg. Die Kirche in Schweighausen wurde im vergangenen Jahr bereits zu einem Gemeindehaus umgebaut. Und die seit Frühjahr 2017 aufgrund statischer Mängel geschlossene Kaiser-Wilhelm-Kirche in Bad Ems ist ohnehin ein Thema für sich. „Das ist ein Sonderfall“, sagt Werner. Die Kirchengemeinde wünscht sich, dass das Bauwerk aus der Entwicklungsplanung des Dekanats herausgenommen wird. Sie möchte, dass die Landeskirche eine Fachgruppe einrichtet, die Vorschläge erarbeitet, wie die Kaiser-Wilhelm-Kirche und andere Kirchengebäude in Hessen-Nassau mit einem besonderen Finanz- und Arbeitsbedarf aus der Verantwortung der örtlichen Gemeinden gelöst werden können. Die Dekanatssynode muss nun bis Ende 2026 über die Kategorisierung der 175 Gebäude nach A, B oder C entscheiden. „Aber natürlich liegt es am Ende in der Verantwortung der Kirchengemeinden selbst, ob sie sich von einem Gebäude trennen oder nicht und auch ohne gesamtkirchliche Unterstützung die Unterhaltung finanzieren“, betont Werner.

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