„Ich freue mich, dass wenigstens Sie hier sind“, begrüßte GGB-Geschäftsführerin Petra Daum die Besucher in der vergleichsweise „luftig“ besetzten Stadthalle und fügte mit Blick auf die frei gebliebenen Plätze hinzu: „Darüber sind wir traurig, hoffen aber, dass es das nächste Mal wieder mehr Teilnehmende sind.“
Sowohl in Präsenz als auch per Livestream seien jeweils knapp 300 Personen mit dabei, präzisierte sie später im Gespräch mit unserer Zeitung. Bei den Gesundheitstagen im Frühjahr waren es noch deutlich mehr gewesen. Seit Ende der 1980er-Jahre habe man die Gesundheitstage noch kein einziges Mal ausgelassen, erzählte ein Ehepaar, beide 85 Jahre, aus Marburg: „Es ist immer wieder eine Bereicherung – allein schon deshalb, weil jede Tagung in sich sehr vielfältig ist.“
Mit Zahlen wird gelogen.
Gerd Bosbach, Mathematiker und emeritierter Professor für Statistik
Ein Gedanke, den sinngemäß auch Oberbürgermeister Lennart Siefert zum Ausdruck brachte. „Seit über vier Jahrzehnten ist die Gesellschaft für Gesundheitsberatung ein fester Bestandteil hier in Lahnstein und trägt maßgeblich dazu bei, über die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Medizin und Umwelt zu informieren“, betonte er – und bezog auch das Tagungsmotto „Farben des Lebens“ elegant in sein Grußwort mit ein. „Dafür hätte man keinen passenderen Veranstaltungsort als unsere Stadthalle finden können“, so Siefert unter Anspielung auf den quietschbunten Teppichboden.
In diesem anregenden Ambiente ging es erst mal ziemlich ernüchternd zu: „Mit Zahlen wird gelogen“, stieg Gerd Bosbach, Mathematiker und emeritierter Professor für Statistik, in den ersten Vortrag ein. „Darüber braucht man sich nicht zu wundern, denn wer öffentlich eine Statistik heranzieht, will damit in aller Regel etwas erreichen.“ Zum Beispiel diese Sache mit der Bildungspolitik: Vor Jahren habe er bei einer öffentlichen Diskussion erlebt, wie sich der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet damit gebrüstet habe, in NRW habe man mehr als 1000 neue Lehrer eingestellt, berichtete der Referent: „Da habe ich mal scheinheilig nachgefragt, wie viele öffentliche Schulen es denn in NRW gebe. Dabei kam heraus, dass nur jeder siebte Schüler einen neuen Lehrer bekommen hat.“
Mathematiker mahnt zur Skepsis bei Zahlen
Zahlen, und mögen sie auch noch so beeindruckend sein, nicht einfach hinnehmen, sondern den ersten Eindruck hinterfragen und, wo es möglich ist, nachrechnen – wie wichtig und erhellend das sein kann, demonstrierte Bosbach an zahlreichen Beispielen. Wer Grafiken als gängiger Darstellungsform statistischer Zahlen vertraue, sollte dies ebenfalls überdenken, so Bosbach weiter: „Grafiken werden nicht bewusst studiert, sondern vermitteln nur einen bildhaften Eindruck. Deshalb kann man mit ihnen – zum Beispiel, indem man die Achsen verschiebt – wunderbar manipulieren.“
In der Zeit, in der er als Politikberater für das Statistische Bundesamt und später für die Kassenärztliche Vereinigung gearbeitet habe, seien Politiker sehr häufig mit dem Auftrag „Geben Sie mir Zahlen für …“ an ihn herangetreten. „Die habe ich damit geärgert, dass ich ihnen auch Zahlen gegeben habe, die nicht ihrer Meinung entsprachen“, so Bosbach. „Politiker benutzen die Statistik wie ein Betrunkener den Laternenpfahl – nicht, um eine Sache zu beleuchten, sondern um sich daran festzuhalten“, spitzte er das Ganze zu.
Dann sah man plötzlich lauter rote Clownsnasen im Zuschauerraum. Verteilt hatten sie die Klinikclowns Koblenz, die in ihrer knallbunten Arbeitskleidung ebenfalls hervorragend zum Teppichboden passten. Doch wie arbeiten diese ehrenamtlichen Spaßmacher, die neben Kindern im Krankenhaus auch pflegebedürftige Menschen im Seniorenheim besuchen, eigentlich? „Unser Ziel ist es, etwas mehr Leichtigkeit und Lebensfreude in den Alltag dieser Menschen zu bringen“, erklärte Trullala, die im sogenannten wirklichen Leben Karin Simanowski heißt. „Dazu bauen wir eine emotionale Beziehung zu der betreffenden Person auf, erzählen ihr zum Beispiel eine Geschichte oder beziehen sie in ein Handpuppenspiel mit ein.“
Dabei gibt es alles, nur keinen festen Plan: „Spontaneität und Improvisation sind der Kern unserer Arbeit. Die Geschichten, die wir entwickeln, müssen immer auf die jeweilige Situation und den Patienten passen.“ Klingt vielleicht easy, will aber gelernt sein: Daniela Hofmanns alias Pinky Ringelstrumpf berichtete von ihrer Ausbildung in der Clownsschule in Bad Kreuznach. Es dauere Monate, bis man beim Betreten eines Zimmers keine Angst mehr vor dem Scheitern habe.
Clownerie ist gut für die Gesundheit
Grundsätzlich gehen die Koblenzer Klinikclowns nur zu zweit in die Zimmer. Auch Sylvia Siener (Möhrchen), Axel Eufinger (Pitt) und Francine Klein (Fiderella) gaben Einblicke in ihre Arbeit. Kinderkram? Kann sein. Allerdings: „Wir bekommen oft vom Personal zu hören, die ganze Atmosphäre habe sich zum Positiven hin verändert, nachdem wir da waren“, erzählte Karin Simanowski. Auch sei erwiesen, dass Kinder 30 Prozent weniger Narkosemittel brauchen, wenn sie kurz vor der OP Besuch von den Klinikclowns bekamen, und ältere Menschen mit weniger Schmerzmittel auskommen. Mit einem schrill-schrägen Kanon-Gesang zwischen Clowns und Publikum ging der Abend dann voller Leichtigkeit zu Ende.