Und ein wenig stolz auf voll beladenen Anhänger mit reifen Rieslingtrauben sind sie auch und freuen sich auf den dampfenden Eintopf, den Veronika Didinger jetzt an der langen Tafel verteilt, auf den Kuchen zum Dessert und – natürlich – auf ein Gläschen Wein. Mithelfen bei der Weinlese – das ist nicht nur Tradition, sondern auch Ehrensache. Und wer mal dabei war, kommt immer wieder.
17 Männer und Frauen aus Osterspai, Filsen und Kamp-Bornhofen sind an diesem strahlenden Herbsttag mit Jens Didinger und Tochter Ida in den Bopparder Hamm auf der gegenüberliegenden Rheinseite aufgebrochen, um die Trauben von den Reben zu schneiden.
Mit dabei auch Eckhardt Minor aus Marienfels, der seine Arbeit lachend „mein Beitrag für das Mittelrheintal“ nennt, oder Ex-Bacchus Bastian Clos aus Braubach und zwei absolute Neulinge. Muzaffer Turgut, Student an der Uni Koblenz, der in Osterspai wohnt und Didingers bei einem Besuch in deren Lokal kennenlernte. Als noch Hilfe gebraucht wurde, sagte er gern zu. „Es hat viel Spaß gemacht“, sagt er, „es ist schön, ein Stück Kultur hier am Rhein kennenzulernen und mitzumachen“. In seiner Heimat, der Türkei, gibt es natürlich auch Wein und Weinanbaugebiete. „Aber die Hänge sind nicht so steil, wie hier am Rhein.“
„Endlich einmal was anderes sehen als Autos“ wollte Verena Scholz, die aus Wolfsburg kommt und natürlich bei VW arbeitet. Ihre freien Tage im Herbst wollte sie nutzen, um etwas ganz anderes zu machen als Büroarbeit, suchte nach einer Möglichkeit, irgendwo bei der Ernte zu helfen und entdeckte im Internet das Osterspaier Weingut. „Ich bin ziemlich begeistert von der Gegend hier, und die Arbeit im Weinberg hat total Spaß gemacht“, sagt sie beim Abschlusstreffen und plant schon jetzt, im nächsten Jahr wieder an den Rhein zu kommen, verbunden wieder mit einem Kurzurlaub.
Seit zehn Jahren schon gehört Rolf-Dieter Friedrich zum Lese-Team Didinger, –„jetzt als Rentner habe ich noch mehr Zeit“ –, dienstälteste Helferin ist Vroni Schreiner aus Osterspai, die keine Lese versäumt. „Den Wein trinkt man immer gerne“, meint Klaudia Lemler ebenfalls Osterspaierin, „aber wenn man mal im Weinberg und bei der Lese geholfen hat, weiß man erst, wie viel Arbeit nötig ist, bis der Wein im Glas ist.“ Denn nicht nur im Herbst, sondern auch im Frühjahr und Sommer gibt es immer viel zu tun an den Reben und im Wingert. Einige haben schon zu allen Jahreszeiten mitgeholfen.
Es wächst wieder das Bewusstsein dafür, wo unsere Lebensmittel herkommen und wie sie erzeugt werden.
Winzerin Ida Didinger
Und eine junge Osterspaierin darf natürlich nicht fehlen bei der Lese: Lea Rindsfüsser, die amtierende Mittelrheinweinkönigin. Schließlich stammt ihr „Königinnenwein“, der ein kleines Etikett mit ihrem Bild am Flaschenhals trägt, aus dem Weingut Didinger. Die harte Arbeit macht ihr nichts aus. „Wir wissen ja, was draus wird“, lacht sie.
Viele der Lesehelfer sind an diesem Morgen schon vor Sonnenaufgang aufgebrochen, „um 7 Uhr fuhr die Fähre, um halb 8 standen wir am Stock“, schildert Jens Didinger. Denn beim Osterspaier Weingut sieht man die Reben nur von Ferne am anderen Ufer. Immer wenn's zur Arbeit im Bopparder Hamm geht, wird die Fähre Filsen-Boppard genutzt. Neben dem Umweg über Koblenz doch die einfachere Anreise.
Über den Rhein kommen die Trauben auch nach Hause. Voll beladen sind der Unimog samt Anhänger auf der Fähre auszumachen. Nach dem Anlegen geht's weiter ins Weingut nach Osterspai. Dann aber ist erst mal Pause. Mittagessen, Plaudern, ein Glas Wein. Jens Didinger ist froh, dass er jedes Jahr auf sein immer wieder motiviertes Lese-Team zählen kann. „Wir freuen uns, dass auch viele junge Leute dabei sind“, meint Ida Didinger, „viele ältere Leute kennen das noch: Wenn die Trauben oder Früchte reif sind, müssen sie geerntet werden.
Aber auch bei jungen Leuten wächst wieder das Bewusstsein dafür, wo die Lebensmittel herkommen, wie sie erzeugt werden.“ Die junge Winzerin ist selbst das beste Beispiel dafür. An insgesamt 20 Tagen wurden bei Didingers Trauben gelesen, nicht immer mit gleich großer Mannschaft und auch nicht immer bei so tollem Sonnenschein. Immer aber mit guter Laune im Team. Inzwischen ist die Lese, wie bei vielen anderen Winzern am Mittelrhein, abgeschlossen, die Trauben sind gepresst und im Keller. Für die Winzer geht die spannende Arbeit jetzt dort weiter. Mal schauen, wie er wird, der Jahrgang 2022.