Schon seit Jahren hat die Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn (DB), die seit 2024 den Namen DB InfraGO AG trägt, erhebliche Personalprobleme, wenn es um die Besetzung von Stellwerken geht. Obwohl viele Strecken auf elektronische Technik umgestellt wurden, damit sie mit geringerem Personalaufwand von zentralen Stellen fernbedient werden können, fehlt auch dort Personal. In der hiesigen Region schlägt es sich dadurch nieder, dass der rechtsrheinische Regionalverkehr zwischen Wiesbaden und Koblenz oft nur im Stundentakt bedient werden kann.
Personalprobleme wirken sich auf Regionalzüge aus
Im Schienennetz der DB spielt der Regionalbereich Mitte mit Sitz in Frankfurt eine zentrale Rolle, da sich im Rhein-Main-Gebiet viele Strecken kreuzen, die sowohl im Fernverkehr als auch im internationalen Güterverkehr von großer Bedeutung sind. Im Mittelrheintal kommt es immer wieder zu Einschränkungen, da nach Angaben der DB das „Stellwerk Oberlahnstein“ zeitweise nicht ausreichend besetzt werden kann. Regionalzüge können seither rechtsrheinisch oft nur im Stundentakt fahren, Güterzüge müssen linksrheinisch oder weiträumig umgeleitet werden. Ein örtlich besetztes Stellwerk in Oberlahnstein – wie es die Arbeitsplatzbeschreibung „Stellwerk Oberlahnstein“ vermuten lässt – gibt es aber seit Juli 2008 nicht mehr.

Die Signal- und Weichensteuerung der Rheinstrecke wurde zwischen Wiesbaden-Biebrich und Oberlahnstein abschnittweise ab 2007 auf eine Fernbedienung durch die Betriebszentrale in Frankfurt umgestellt. So gingen die in Kamp-Bornhofen und St. Goarshausen bedienten Stellwerke im November 2007 außer Betrieb. Das 1934 errichtete markante Reiterstellwerk am Bahnhof Oberlahnstein verlor seine Funktion knapp acht Monate später. Im Rheingau gingen weitere Stellwerke 2014 außer Betrieb. Damit entfielen zahlreiche regionale Arbeitsplätze von Fahrdienstleitern, die von der DB neuerdings als „Zugverkehrssteuerer“ bezeichnet werden.
Arbeitsplätze in Frankfurt tragen „lokale“ Namen
Die modernen Bildschirm-Bedienplätze in der Betriebszentrale Frankfurt, die sich in einem modernen Bürogebäude in der Nähe des Hauptbahnhofes befinden, tragen die bahninternen Bezeichnungen „Oberlahnstein Süd“ und „Nord“, wobei dieser die rechte Rheinstrecke nördlich von Neuwied bis nach Unkel steuert. Einen Einblick in die Aufgaben einer Zugverkehrssteuerin gibt die Hessenschau in einem Beitrag aus dem vergangenen Jahr berichtet.
Als Ersatz für die derzeit noch örtlich besetzten Stellwerke in Niederlahnstein, Koblenz-Ehrenbreitstein, Vallendar, Engers und Neuwied soll laut Informationen der DB von Ende Februar 2024 ein elektronisches Stellwerk (ESTW) Neuwied gebaut werden. Dieses müsste mit dem Abschluss der geplanten Generalsanierung der rechten Rheinstrecke in Betrieb gehen. Die DB InfraGO plant die umfassende Sanierung mit einer fünfmonatigen Streckensperrung zwischen Troisdorf und Wiesbaden zwischen dem 10. Juli und 11. Dezember 2026.
Dezentralisierung gefordert
Aus Sicht von Thorsten Müller, Verbandsdirektor des Zweckverbands SPNV-Nord, hätte eine Verlagerung der Zugsteuerung – weg von den bundesweit sieben Zentralen zu mehr regionaler Nähe – gleich mehrfache Vorteile: Für eine Steuerung der beiden Rheinstrecken aus dem Raum Koblenz/ Neuwied/Lahnstein sprechen die Erhaltung spezialisierter Arbeitsplätze in der Region mit kürzeren Anfahrtswegen zum Arbeitsplatz, günstigeren Lebenshaltungskosten sowie die regionalen Kenntnisse der Bahn-Infrastruktur. „Wir möchten, dass beide Rheinstrecken aus der Mitte der Strecken heraus gesteuert werden und nicht aus den Metropolregionen Rhein-Main und Köln. Dort dürften die benötigten Fachkräfte noch schwieriger zu finden sein“, sagt Thorsten Müller.
Eisenbahnerstadt Oberlahnstein
Von Oberlahnstein aus wurde 1857 zunächst mit dem Bau der Lahntalbahn begonnen, die Anfang 1863 Wetzlar erreichte. Mit Fertigstellung der rechten Rheinstrecke von Rüdesheim her bestand ab Februar 1862 eine durchgängige Verbindung nach Wiesbaden und Frankfurt. Die Rheinische Eisenbahn sorgte mit dem Bau der Pfaffendorfer Brücke und der Eisenbahnbrücke über die Lahn ab Juni 1864 für den Anschluss an die linke Rheinseite. Der nördliche Anschluss zur Siegstrecke ging 1871 in Betrieb. Im Bahnbetriebswerk Oberlahnstein waren überwiegend Güterzug-Dampflokomotiven stationiert. Der umfangreiche Betrieb wurde aus mehreren Stellwerken gesteuert, von denen heute noch das unter Denkmalschutz stehende Reiterstellwerk erhalten ist.
