Mit einer kleinen Verspätung gingen die „Gesundheitstage im Jahr 2025“ an den Start – was in diesem Fall kein Grund zum Ärgern, sondern ein positives Zeichen war. „Es sind noch nicht alle da, sodass wir noch ein wenig warten müssen“, erklärte Petra Daum. Denn, so die Geschäftsführerin der veranstaltenden Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) Lahnstein: „Mit diesem Andrang haben wir nicht gerechnet.“ In der Tat hatte sich vor der Stadthalle eine lange Schlange gebildet. 568 Interessierte verfolgten die Gesundheitstage dieses Mal in Präsenz und 414 per Livestream – eine erfreuliche Steigerung gegenüber der Vorgänger-Veranstaltung vom Herbst 2024.

Was nicht zuletzt an der Wahl des Themas gelegen haben dürfte. „Heillose Zustände? Heil und Unheil in der Medizin“ – das klang nicht nur spannend, sondern betrifft auch so gut wie jeden in der eigenen Lebenswirklichkeit. „An die Grenzen der Medizin“ ging es mit dem Theologen und Psychoanalytiker Eugen Drewermann. Sicher, dank des medizinischen Fortschritts sei die Lebenserwartung innerhalb von nur sechs Jahrzehnten von 62 auf heute 82 Jahre gestiegen, räumte er ein. „Aber die entscheidende Frage ist doch: Wie leben wir?“ Und: Die naturwissenschaftlich geprägte Denkweise vieler Mediziner führe dazu, dass die seelischen Ursachen hinter den Erkrankungen außer Acht gelassen würden: „Aber wenn wir die Ursachen der Seelenqual, die einen Menschen beispielsweise zum Alkoholiker haben werden lässt, nicht verstehen, werden wir ihm niemals helfen können.“
„ Heilung braucht ein Gegenüber auf Augenhöhe.“
Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann
Bei einem rein rationalen Verständnis von Erkrankungen bleibe immer ein Abstand zwischen Arzt und Patient, zwischen dem, der erklärt, und dem, der zuhört, betonte Drewermann: „Aber Heilung braucht ein Gegenüber auf Augenhöhe. Wir müssen uns in Resonanz versetzen, müssen Nähe und Begegnungen zulassen.“
Und noch etwas war ihm wichtig zu betonen. „Es gibt keine wahnsinnigere Krankheit als den Krieg, und es gibt nur einen Weg zum Frieden: miteinander reden.“ Zu glauben, Frieden sei nur möglich, wenn man den Gegner zuvor zu Boden gerungen habe, sei ein Irrweg. Äußerst kritisch kommentierte der überzeugte Pazifist die sich aktuell abzeichnende Aufrüstung in Europa auf dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs. „Aufrüstung gegen wen?“, fragte er. „Ob Stalin oder Putin – hier kommt immer der Russe ins Spiel. Das letzte Mal haben wir uns mit 70 Millionen Toten aus diesem Wahnsinn verabschiedet.“

Schnitt und Paradigmenwechsel. Über die Polypharmazie – zu Deutsch: die Verschreibung und tägliche Einnahme von vier oder mehr Medikamenten – sprach der Facharzt für Allgemeinmedizin und Homöopath Adrian A. Wenzel. Und wartete zu Beginn mit erschreckenden Zahlen auf. „80 Prozent der ab 80-Jährigen nehmen durchschnittlich acht Medikamente am Tag ein“, berichtete er unter anderem. Zum Problem wird das durch die Arzneimittelwechselwirkungen, die die erwünschte pharmakologische Wirkung verstärken, abschwächen oder auch komplett aufheben können. Zu den möglichen Folgen zählen funktionelle Beeinträchtigungen bis hin zu Stürzen, aber auch geistige Verwirrtheit und vieles andere mehr. Schlimmer noch: „In den USA kommt es durch Arzneimittelwechselwirkungen jährlich zu mehr als 100.000 Toten“, nannte Adrian Wenzel eine Hausnummer. „Zwei Drittel davon wären vermeidbar.“
Die Gründe für Polypharmazie sind vielfältig. „Es hat viel damit zu tun, dass heutzutage, bedingt durch den Wechsel zwischen ambulanter und stationärer Betreuung sowie Pflegeheim, häufig viele Ärzte an einem Patienten arbeiten“, nannte Wenzel einen der wichtigsten davon. Aber auch das nicht fristgerechte Absetzen zeitlich begrenzt verordneter Arzneimittel und die sogenannte Verschreibungskaskade, bei der eine unerwünschte Arzneimittelwirkung als Symptom einer neuen, medikamentös behandlungsbedürftigen Erkrankung fehlinterpretiert wird, zählen neben vielem anderem dazu. Und noch etwas: „Paradoxerweise geht Polypharmazie häufig mit einer Unterbehandlung einher, weil den Patienten wichtige Therapien vorenthalten werden.“

Aus dem Teufelskreis Polypharmazie auszusteigen, sei sehr schwierig, stellte er klar und rückte folgerichtig umso mehr die Krankheitsvorbeugung, etwa durch eine gesunde Ernährung oder ein gezieltes Trainieren des Immunsystems, in den Mittelpunkt. Zusätzlich gibt es hilfreiche Tools wie die Priscus-Liste mit Medikamenten, die Menschen über 65 Jahren aus besagten Gründen nicht erhalten sollten, oder die Forta-Liste, die in der Geriatrie eingesetzte Arzneimittel hinsichtlich ihres Nutzen-Risiko-Profils bewertet.
Ein weiterer Bericht zu den Gesundheitstagen folgt.