„Olivia macht Schule“ in Diez
Veuve Noir spricht über Coming-Out und Silikonbrüste
Geradlinig, lebensnah und mit viel Humor trat Veuve Noire in der Aula der Diezer NAOS auf.
Johannes Koenig

Volles Haus in der Nicolaus-August-Otto-Schule (NAOS): Veuve Noire, Botschafterin der Initiative „Olivia macht Schule“, warb für Toleranz, Respekt und Vielfalt.

„Wenn ich jetzt hier reinkomme, sorgt ihr für heftigen Applaus.“ Die „Regieanweisung“ von Veuve Noire brach gleich das Eis, war aber nicht nötig. Denn der Andrang war groß. So war die Aula der Diezer Nicolaus-August-Otto-Schule (NAOS) bis zum letzten Platz gefüllt, und draußen in der Pausenhalle verfolgten noch viele weitere Schüler über Lautsprecher das Geschehen. Als Botschafterin der Olivia-Jones-Familie und der Initiative „Olivia macht Schule“ gab Veuve „Nachhilfe für Toleranz, Vielfalt und Respekt“, so die Ankündigung.

„Ich bin eine heterosexuelle Frau im Körper eines schwulen Mannes.“
Mit dieser persönlichen Einordnung sorgte Veuve Noire für manches Schmunzeln.

Wer nun einen „bunten Paradiesvogel“ wie Namensgeberin Olivia Jones erwartete, wurde enttäuscht. Statt als Dragqueen mit ausladender Perücke und Kostüm in die Aula zu schweben, war Veuve (41) dezent in Schwarz unterwegs. Für Oberweite sorgten unter dem Top zwei angeschnallte Silikonbrüste. „Die wandern am Abend in die Waschmaschine“, so die Info. „Ich bin eine heterosexuelle Frau im Körper eines schwulen Mannes“, lautete die augenzwinkernde Erklärung. „Also homosexuell“, schlussfolgerten zwei Schüler. „Pronomen sind mir egal“ und „Ich habe den Körper eines Kerls, und das soll sich auch nicht ändern“, folgten später weitere Erläuterungen, bei denen der Humor nicht zu kurz kam. So berichtete Veuve von ihrem Casting bei Olivia Jones. „Schätzchen, deine Brüste liegen aber ziemlich tief“, so Jones zur Begrüßung. „Schätzchen, ich weiß auch nicht, wo die hingehören“, lautete die schlagfertige Antwort. Der Aufnahme in die Olivia-Jones-Familie stand dann nichts mehr im Wege.

Normal und schon seit Jahrtausenden belegt

Bis dahin war es jedoch ein langer Weg. An diesem ließ Veuve die Zuhörer freimütig teilhaben. „Ich rede nicht über Sex“, lautete aber gleich zu Beginn die klare Ansage. An die sich bis auf eine Ausnahme auch alle hielten. Wie es sich für einen Schulauftritt gehört, ging der persönlichen Geschichte ein kurzer Fachvortrag voraus. Zu erfahren war, dass es drei Geschlechter gibt: Männlich, weiblich und intersexuell – also Menschen mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen. Dazu kommt die Geschlechtsidentität, also wie eine Person sich fühlt und einordnet. „Forscher haben 80 verschiedene Geschlechtsidentitäten festgestellt“, so Veuve. Und dann gibt es noch die sexuelle Neigung. All das ist normal und hat es schon immer gegeben. So stammt das älteste Porträt eines homosexuellen Paares aus dem alten Ägypten aus dem Jahr 2000 vor Christus. „Jeder Mensch hat das Recht, Mensch zu sein“, betonte Veuve daher.

Nach dem Vortrag stand Veuve noch für Erinnerungsfotos und Selfies zur Verfügung.
Johannes Koenig

Aufgewachsen auf dem Land war sie immer schon ein bisschen femininer und weicher. „Du bist schon als Kind mehr geschwebt als gegangen“, kommentierte die Mutter das Coming-Out. Die Schattenseiten waren aber regelmäßige Prügel auf dem Schulhof und später ein geplanter Suizidversuch, dessen Ausführung in letzter Minute durch eine glückliche Fügung verhindert wurde, als eine Kollegin rechtzeitig fragte: „Geht es Dir gut?“ Es folgten noch Jahre mit Depressionen, abgebrochenen Berufsausbildungen und Begegnungen mit Neonazis, bei denen sie die Beine in die Hand nehmen musste, um nicht totgeschlagen zu werden. Der Umzug nach Hamburg und der Job bei Olivia Jones brachten die Wende: „Der 10. Mai 2013 ist mein zweiter Geburtstag“, heißt es rückblickend auf den Tag des erfolgreichen Castings.

Unterschied zwischen Femboys und Dragqueens

„Wie outet man sich, gibt es da Tipps?“, lautete sinngemäß eine Frage aus dem Publikum. „Das ist eine ganz wichtige Frage, auf die es keine allgemeingültige Antwort gibt“, so die Antwort. Eigentlich sollte ein solcher Schritt nicht nötig sein. Wichtig ist dabei die Selbstakzeptanz, außerdem gibt es auch Vereine, Beratungs- und Fachstellen, wie sie zum Beispiel im Queeren Netzwerk Niedersachsen (QNN) organisiert sind. Wenn es in der Schule Probleme gibt, ist der Kontakt zum Vertrauenslehrer eine Möglichkeit. „Was ist der Unterschied zwischen Dragqueen und Femboy?“, lautete eine andere, nicht so ernste Frage. „Femboys kleiden sich androgyn, femininer und das 24 Stunden die ganze Woche lang.“ Dragqueens wie Olivia Jones pflegen hingegen den knallbunten Showauftritt.

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