Dagegen will sich der 66-jährige Hahn juristisch wehren, er sieht sowohl seinen Intendanten- als auch seinen Regievertrag als nicht kündbar an. Nun hat sich ein Teil des Ensembles mit einem Brandbrief an die Kommunalpolitik gewandt.
Vordergründig ist ja alles in Butter: Rund um die mittelalterliche Johanniskirche am Rheinufer laufen seit Wochen die Proben für „Die Päpstin“, dem diesjährigen Stück der Lahnsteiner Burgspiele. Das Musical von Dennis Martin nach dem Weltbestseller von Donna W. Cross soll das Lahnsteiner Publikum begeistern. Doch mitten in diese Proben (Premiere ist am 7. Juli) platzt der Brief von (freien) Theatermitarbeitern, der an Oberbürgermeister Lennart Siefert und die Mitglieder des Rates gerichtet ist.
Kritik an der Kommunikation
In dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, berichten 20 Aktive, darunter auch langjährige Darsteller wie Silvia Heil, Rocco Hauff oder Christian Vitu, von ihren Existenzängsten und üben Kritik an der Kommunikationsstrategie der Verwaltung. „Mit Bestürzung haben wir erfahren, dass unser Intendant Friedhelm Hahn in baldiger Zukunft gehen soll“, heißt es in diesem Schreiben. „Wir sind sehr überrascht und traurig über diese Entscheidung, denn wir arbeiten gern mit Friedhelm Hahn zusammen und begreifen ihn nicht nur als künstlerischen Leiter, sondern auch als Seele des Theaters, der uns alle motiviert und zusammenhält.“
„Wir sind sehr überrascht und traurig über diese Entscheidung.“
20 Theaterleute stellen sich an die Seite ihres Intendanten und kritisieren dessen geplantes Aus.
Dem Team seien auch keine Gründe bekannt, die eine Kündigung der Intendanz erklären würden. Die Doppelspitze Hahn und Ulrike Krapp sei seit Jahrzehnten erfolgreich „und haben das Theater zu dem gemacht, was es heute ist“. Das Team wünsche sich, „dass die Entscheidung noch einmal bedacht und revidiert wird“. Außerdem wird die grundsätzliche Kommunikation bemängelt. „Wir hätten uns gewünscht, dass wir gehört werden und dass bedacht wird, dass diese Entscheidung auch uns als Ensemble betrifft.“ Ein Intendanzwechsel bedeute fast immer auch einen Austausch der gesamten Schauspieler und eine künstlerische Neuausrichtung.
Weiter wird in dem Brief der Bogen zu Stadt- und sogar Staatstheatern im Land gespannt: Dort werde eine neue Intendanz „von einem Gremium berufen, das beispielsweise aus dem Stadtrat, Experten oder einem Kulturausschuss bestehen kann“. Oft säßen in diesen Gremien auch Ensemblemitglieder. Die deutliche Forderung: „Wir erwarten, falls nicht geplant ist, das Ensemble auszuwechseln, in die Entscheidung über die mögliche neue Intendanz eingebunden zu werden.“ So oder so sei es dem Team ein großes Anliegen, dass die Intendanz ausgeschrieben werde, „sodass jeder die Chance hat, sich auf diese Stellenausschreibung zu bewerben“.
Die Kommunalpolitik ist von OB Siefert bereits im Mai im Ältestenrat über das Thema Intendanz informiert worden. Nach Informationen unserer Zeitung vereinbarte man, im Sommer erneut darüber zu sprechen und eine geräuschlose Lösung zu suchen.Erste Reaktionen: Das sagt die Kommunalpolitik zum Brief des Ensembles des Lahnsteiner Theaters
Unterschrieben ist der Brief nicht, die Namen stehen in Druckbuchstaben darunter. Bei den Personen handelt es sich nicht um Festangestellte der Stadt, sondern um Honorarkräfte mit Künstlervertrag, zum Beispiel für ein Stück oder eine Spielzeit. Nicht dabei: Karl Krämer, sicherlich der bekannteste Schauspieler der Städtischen Bühne und Angestellter der Stadt. Ulrike Krapp fehlt ebenfalls.
Auch wenn die Stadtverwaltung auf Nachfrage auf ein „schwebendes juristisches Verfahren“ verweist und jeglichen öffentlichen Kommentar zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt (genau wie Friedhelm Hahn selbst), ist das Aus des Intendanten nach Informationen unserer Zeitung besiegelt. Die Kündigung von Intendanz- wie Regievertrag soll fristgerecht zum 1. Januar erfolgen. Aufseiten der Verwaltung sieht man keinerlei Vertrauensbasis mehr, insbesondere der Alleingang der Theaterleitung Ende November hat extrem verärgert.
Damals protestierten Hahn und Krapp öffentlichkeitswirksam gegen die Entscheidung des damaligen Oberbürgermeisters Peter Labonte, aufgrund der steigenden Corona-Zahlen alle städtischen Veranstaltungen – also auch die im Theater – abzusagen. Hahn und Krapp mochten dies nicht akzeptieren und starteten eine Protestkampagne. Sogar das Fernsehen war da, Lahnstein stand über Wochen im Fokus der Öffentlichkeit. Ende des Jahres glätteten sich die Wogen ein wenig, das Duo entschuldigte sich für das Vorgehen. Vergessen war der Ärger darüber, sich so negativ öffentlich über den eigenen Arbeitgeber zu äußern, nicht. Auch nicht bei den Parteien im Stadtrat.
Kompromiss wurde abgelehnt
Nach den ersten Wochen Sieferts als Oberbürgermeister nahm das Thema im Frühling Fahrt auf. Bei der Aufarbeitung der vergangenen mehr als zwei Jahrzehnte stieß die Verwaltungsspitze nach RLZ-Informationen auf zahlreiche Ungereimtheiten, die man nicht akzeptieren mochte. Hinter vorgehaltener Hand ist immer wieder von Kompetenzüberschreitungen Hahns die Rede, zum Beispiel seien ohne Befugnis Verträge mit Mitarbeitern abgeschlossen worden. Auch habe der hauptberufliche Lehrer ohne Genehmigung einfach Schulklassen im Nassau-Sporkenburger Hof unterrichtet.
Bei einem Treffen von OB Siefert und Büroleiter Bernd Schemmer wurde Hahn mit den Kritikpunkten konfrontiert und ihm mitgeteilt, dass die Verwaltung von einer Vertragsverlängerung absehen wolle. Es folgten weitere Treffen (samt Anwälten), schließlich lag ein Kompromissvorschlag der Verwaltung auf dem Tisch: Demnach wurde Hahn angeboten, bis Ende der kommenden Spielzeit (also bis Ende 2023) Intendant zu bleiben und sich anschließend geräuschlos zu trennen. Der künstlerische Leiter der Bühne lehnte ab. Seitdem kommuniziert man im Hintergrund nur noch über die Anwälte. Mit dem jüngsten Schreiben der Theaterleute wird der Streit nun ausgerechnet kurz vor Beginn der Burgspiele ins Scheinwerferlicht gezogen. Zweiter Akt offen.