Staus, kilometerlange Umwege: Die Brückensperrung im vergangenen Jahr hat viele Nerven gekostet – und doch funktionierte das weiträumige Umleitungskonzept von Landesbetrieb Mobilität (LBM) und Stadtverwaltung überraschend gut. Letztere möchte die Veränderungen in der Straßenführung beibehalten – Oberbürgermeister Lennart Siefert sieht eine „historische Chance, die Stadt voranzubringen“. Ziel des Verkehrskonzeptes, dessen Kern die von vielen kritisierte Ringlösung aus Ostallee, Nordallee, Adolfstraße und Burgstraße darstellt, ist es, den Durchgangsverkehr auf wenige Straßen zu konzentrieren und so weite Teile der Innenstadt zu entlasten. Kernargument der Stadtverwaltung ist , dass die Ringlösung über erheblich breitere Straßen führt, als es die Wegführung in der Vergangenheit getan hat. L ahnstein soll attraktiver werden. Wir werfen einen genaueren Blick auf die Pläne, die Siefert jüngst in der Stadthalle vor 500 Bürgern vorstellte.
Erschließungsstraße ist in weite Ferne gerückt
Historie: Oberbürgermeister Siefert, der sich von zahlreichen Anwohnern teils harsche Kritik gefallen lassen musste, blätterte bei seinem Vortrag gleich mehrfach in den Geschichtsbüchern: Denn bereits in den Anfangsjahren der Stadt waren Verkehrsprobleme Thema, erste Überlegungen zu einer Entlastungsstraße stammen aus dem Jahr 1961. Spätestens nach Eröffnung des Globus-Warenhauses im Jahr 1976 stieg der innerstädtische Verkehr an, für etwas Abhilfe sorgte die 1979 fertiggestellte B42. Doch Lahnsteins Straßen erstickten weiter im Verkehr, sodass 1986 zunächst eine Studie für eine Entlastungsstraße erstellt wurde, 1992 folgte ein Aufstellungsbeschluss. Doch gebaut wurde diese nie, nach Querelen innerhalb der Kommunalpolitik drehte das Land den Geldhahn zu. 2004 wurde der Bebauungsplan rechtskräftig, der Rat beschloss erneut, dass die Entlastungsstraße gebaut werden soll – doch wieder scheiterte das Projekt an einer Finanzierung.
Hoffnung keimte noch einmal auf, als das Land die L335 zur Stadtstraße abstufte. Mithilfe eines Förderprogrammes sollte zumindest eine Ortskernerschließungsstraße – ein Teilstück der ursprünglich geplanten Erschließungsstraße – in Oberlahnstein gebaut werden. Doch auch dieser Plan bestand den Praxistest nicht: Die Kostenprognose stieg auf 26 Millionen Euro, das Projekt liegt auf Eis. „In den kommenden zehn Jahren wird es keine Finanzierung geben“, prognostizierte Siefert in der Einwohnerversammlung.
Aktuelle Verkehrssituation: Schwerlastverkehr belastet beide Ortsteile. Mittendrin befindet sich die Rudi-Geil-Brücke, die 16.000 Fahrzeuge am Tag bewältigen muss, auf der B42-Brücke sind es 24.000 Fahrzeuge. Seit der Abstufung der L335 durch das Land muss die Stadt – und damit die Steuerzahler – für die Instandhaltung der Rudi-Geil-Brücke aufkommen. Deshalb will Siefert diese perspektivisch für Schwerlastverkehr sperren. Weitere Verkehrsprobleme in Lahnstein: unsichere Radwege, keine Trennung von Rad- und Fahrzeugverkehr, schmale Fußgängerwege, Bordsteinparken und eine „attraktive Verkehrsführung für Ziel-, Quell- und Durchgangsverkehr aus Richtung Braubach“, wie es der Stadtchef in der Einwohnersammlung nannte. Außerdem berichtete er von einem „massiven Investitionsstau in der Verkehrsinfrastruktur“.
Ziele in einem Konzept formuliert
Ziele: Die Verwaltung verweist auf das vom Stadtrat 2020 verabschiedete Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept, kurz „Isek“, welches den öffentlichen Raum im Stadtkern von Oberlahnstein „funktional und gestalterisch aufwerten“ und Wohnwert erhöhen soll. „Wesentlicher Baustein dieses Konzeptes ist die Reduzierung der innerstädtischen Verkehrsbelastung.“ Weitere Ziele, die sich der Rat neben dem „Isek“ gesetzt hatte: sicherer Radverkehr, sicherer Fußgängerverkehr und sicherer Kfz-Verkehr. Eine Reduzierung von Pkw und Lkw, möglichst flächendeckendes Tempo 30 in Lahnstein, eine Reduzierung der Emissionen, eine Attraktivierung der Wohngebiete und eine Revitalisierung der Innenstadt.
„Ein 40-Tonner belastet die Straße so wie die Überfahrt mit 60.000 Pkw.“
OB Siefert zu Belastungen durch Schwerlastverkehr
Geplante Maßnahmen in Niederlahnstein: Die Verwaltung plant die Einrichtung einer Zone 30 in der Markstraße, außerdem eine Neuordnung des Verkehrs in Bahnhofstraße, Emser Straße und Emser Landstraße, den Bau eines Verkehrskreisels an der Hermsdorfer Straße und – perspektivisch – eine Sperrung der Rudi-Geil-Brücke für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen. Denn schwere Lkw „sind eine hohe Belastung für die Infrastruktur“, wie der OB in der Stadthalle sagte. „Ein 40-Tonner belastet die Straße so wie die Überfahrt mit 60.000 Pkw.“

Radverkehr Niederlahnstein: Durch die geplante Fuß- und Radwegebrücke über die Lahn soll eine überregionale Radverkehrsverbindung entstehen. Auch der Radweg ins Lahntal wird ausgebaut, in Bahnhofstraße, Kölner Straße, Didierstraße, Markstraße, Nauling und Johannesstraße sind außerdem Radschutzstreifen geplant.
Geplante Maßnahmen in Oberlahnstein: Zone 30 in Oberheckerweg und Sebastianusstraße sind geplant, genau wie auf den Straßen der „Ringlösung“, außerdem Verkehrsberuhigung in Wilhelmstraße und Westallee, Erweiterung der Fußgängerzone Hochstraße ab Kirchstraße sowie die Schaffung von verkehrsfreien Plätzen am Alten Rathaus.
Radverkehr Oberlahnstein: Je nach Auswirkungen der anderen Maßnahmen plant die Verwaltung eine Fahrradstraße in der Wilhelmstraße, will so „erstmals in der Geschichte“ eine sichere Nord-Süd-Achse für Radverkehr ermöglichen, außerdem die Innenstadt vom Rhein über Brunnenstraße, Kirchstraße, Hochstraße und Westallee anbinden.

Parkraumkonzept: Die Verwaltung plant die Identifizierung von Parkflächen (privat und öffentlich) und die Reduzierung von Parkflächen im Straßenraum, „um mehr Raum für Menschen“ zu ermöglichen, wie es in dem Konzept formuliert ist. Die bestehende Parkraumbewirtschaftung soll optimiert werden, Lahnstein auf der Höhe stärker einbezogen werden.
Begleitende Maßnahmen: Die Überwachung des ruhenden Verkehrs soll ausgebaut werden. Außerdem gibt es einen Antrag aus der Kommunalpolitik (SPD), auch den fließenden Verkehr zu kontrollieren, vorgeschlagen ist der Kauf eines „Blitzerautos“.
Als Nächstes wird Beschilderung komplettiert
Mithilfe dieser Maßnahmen, bei denen der Stadtrat zumindest teilweise ein Wörtchen mitzureden hat, verspricht sich die Verwaltung eine sichere Nord-Süd-Querung in Oberlahnstein für Radfahrende. Außerdem werde der Schulweg in Niederlahnstein durch Zone 30 in der Markstraße sicherer – überhaupt soll nahezu flächendeckend in Lahnstein Tempo 30 vorgeschrieben sein. Insgesamt verspricht sich die Stadt mehr Aufenthaltsqualität in den Innenstadtkernen beider Stadtteile, zudem werde die Wohnqualität gesteigert. Für beides gibt es laut Verwaltung entsprechende wissenschaftliche Erhebungen aus vergleichbaren Städten.
Weitere positive Folgen: Schonung der Infrastruktur, Entlastung Niederlahnsteins vom Schwerlastverkehr und Reduzierung des Parkplatzsuchverkehrs. „Das Konzept ist nicht in wenigen Wochen oder Monaten umgesetzt“, betonte Stadtchef Siefert in der Einwohnerversammlung. „Es ist vielmehr ein mehrjähriger Prozess bis zu Finalisierung.“
Als Nächstes sollen die Beschilderung komplettiert und der öffentliche Personennahverkehr verbessert werden, dazu sind Gespräche mit den Verkehrsbetrieben geplant. Auch stehen laut Stadt bauliche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung, Markierungsarbeiten der Fahrradschutzstreifen, die Ausweisung der Tempo-30-Zonen, das Parkraumkonzept, eine Intensivierung der Kontrollen und Gespräche mit dem Einzelhandel auf dem Programm.

Verkehr in Lahnstein: Fahrtrichtung Adolfstraße bleibt
Hoch her ging es am Mittwochabend in der Einwohnversammlung in Lahnstein. Der Oberbürgermeister stellte sein Verkehrskonzept vor, welches die Innenstadt vom Schwerlastverkehr entlasten soll. Betroffene der „Ringlösung“ machten ihrem Unmut Luft.