Seit 60 Jahren trägt er das Priestergewand. Ob sein Weg vorgezeichnet war? Vielleicht. Dabei liebäugelte er als Heranwachsender zunächst nicht mit der Kanzel, sondern mit der Bühne. „Theater, Kunst, Musik, das alles hat mich fasziniert“, sagt er. Und das tut es noch immer. Seine Wände zieren selbst gemalte, farbenfrohe Gemälde, dicke Ordner mit eigens verfassten Texten und Liedern füllen seine Regale. Ein Studium der Künste scheiterte am Geld, nicht an Passion oder Begabung.
Und so arbeitete er nach seinem Abitur am Goethe-Gymnasium zunächst bei der Stollberger Zink AG. „Über und unter Tage.“ Ein Lichtblick für ihn war Kaplan Hans Bernhard, den eine tiefe Freundschaft mit der Familie Zerfas verband. Hans Bernhard alias „Giovanni“, der später Domkapellmeister in Limburg wurde, erschloss den beiden Brüdern Heribert und Gerhard die Welt der Musik – und der Theologie. „Ich las die Messen, er brachte mir das Orgelspielen und Singen bei.“ Drei Oktaven umspannte sein Stimmspektrum. „Heute nicht mehr“, räumt er ein und schmunzelt. Das liege an seinen „Freunden“, den Zigarillos.
Warum haben wir keine Pfarrerinnen? Da geht so viel Potenzial verloren.
Pfarrer Heribert Zerfas wünscht sich, dass sich die Kirche für Reformen öffnet.
Heribert Zerfas begann sein Studium der Theologie an der Hochschule in Frankfurt. „Bei den Jesuiten. Da musste ich manches glauben, was ich nicht glauben wollte“, sagt er und zitiert Thomas von Aquin, der im 13. Jahrhundert konstatierte, die Frau sei ein missratener Mann und diesem deshalb untergeordnet. Sein Zeigefinger stößt Richtung Stirn. „In den 1950er-Jahren hat man das gelehrt. Das muss man sich mal vorstellen.“
Ganz ähnlich seine Reaktion auf den Umstand, dass Frauen in der katholischen Kirche keine Priesterinnen werden können. „Wieso haben wir keine Pfarrerinnen? Was da an Potenzial verloren geht!“ Er sei später oft mit Pilgergruppen in Rom gewesen, habe in der Krypta des Petersdoms Messe gehalten, „Padre Barbarossa“ wurde er genannt, wegen seines damals auffälligen roten Bartes. „Aber die Uhren im Vatikan laufen noch immer anders. Ganz anders.“
Tiefere Spuren als Italien hat Frankreich in seinem Leben hinterlassen. Schon im Studium, das er von Frankfurt nach München verlagerte, entdeckte er seine frankophile Ader. In den Semesterferien unterrichtete er die Kinder der Baronin de Ravignon in der Gascogne, oft hat er die faszinierende Landschaft auf Leinwand gebannt. Sogar einen Dokumentarfilm hat er damals über Frankreich gedreht.
Kirche muss für den Menschen da sein und nicht umgekehrt. Wird das nicht gelebt, verfehlt die Kirche den Auftrag Jesu.
Pfarrer Heribert Zerfas
Nachdem Heribert Zerfas 1962 in Limburg vom damaligen Bischof Dr. Wilhelm Kempf zum Priester geweiht wurde, verschlugen ihn die Kaplansjahre zunächst unter anderem wieder nach Frankfurt und nach Wiesbaden. Besonders viele gute Erinnerung hat er an seine Zeit im Rheingau. In Geisenheim arbeitete er als Lehrer am Gymnasium der Ursulinen und als Seelsorger, gleichzeitig war er an der Hochschule für Wein, Obst und Gartenbau Studentenpfarrer. Und dann wurde im hessischen Hinterland eine Pfarrersstelle frei.
„Allmächtiger Gott“, war seine Reaktion, als er zum ersten Mal mit seinem Citroën Richtung Gladenbach fuhr. „50 Dörfer, sämtliche christliche Gruppierungen waren vertreten“, erzählt er. „Auch Sekten.“ Zahlreiche evangelische, aber nur drei katholische Kirchen gab es in dem Beritt, der seiner werden sollte. 28 Jahre hat er dort verbracht, etablierte mit einem Freundeskreis ein Zentrum für junge körperbehinderte Menschen und gründete einen Rotary-Club, mit dem er viele gemeinnützige Projekte unterstützte.
Drei Citroëns verschliss er auf den Überlandfahrten und sanierte in der Zeit nicht nur alle drei katholischen Gotteshäuser von Grunde auf, sondern baute auch eine Menge Brücken. „Die Ökumene lag mir immer sehr Herzen“, betont er. „Diese historisch gewachsenen Unterschiede im katholischen und evangelischen Glauben…das ist doch Schnee von gestern.“ Allein 20 Jahre hat er in der dort angesiedelten Tageszeitung das Wort zum Sonntag verfasst, viel beachtete Texte, die Türen auch bei anderen christlichen Gruppierungen öffneten.
Am kommenden Sonntag, 11. Dezember, wird um 9.30 Uhr in der katholischen Pfarrkirche St. Martin in Bad Ems ein Dankgottesdienst auch mit Pfarrer Heribert Zerfas gefeiert.
Türen öffnen, das ist ein Wunsch und Motor, der ihn bis heute antreibt. Sein Lebensgrundsatz ist inspiriert durch den früheren Bischof von Evreux in Frankreich, Jacques Gaillot: Si l’Eglise ne sert pas, elle ne sert a rien: Wenn die Kirche nicht dient, dient sie zu nichts. Und das heißt: „Kirche muss für den Menschen da sein und nicht umgekehrt.“ Werde das nicht gelebt, verfehle die Kirche den Auftrag Jesu. „Katholikós kommt aus dem Griechischen und bedeutet, das Ganze betreffend, all umfassend“, betont er. „Wir müssen uns öffnen.“