Im März des vergangenen Jahres mussten viele Pläne erst einmal gestrichen und verschoben werden. Und bis heute, mehr als ein Jahr später, hat sich daran nicht viel geändert. Das fiel niemandem aus der Gruppe leicht. Zu Ostern 2021 gab es einen eigenen Gottesdienst in der Barbarakirche. Die Teilnehmer waren an zwei Händen abzuzählen. Es wurde eine Collage mit bunten Handabdrücken für die Gemeinde gestaltet, welche im Eingangsbereich der St.-Barbarakirche aushängt wurde. Ansonsten war die Programmplanung 2020/2021 inklusive einer Freizeit im Schwarzwald „für die Katz“. Gerade in dieser Zeit waren die Erinnerungen, das Stöbern in alten Fotos und das Zurückblicken auf 40 Jahre, in denen der Treff nun besteht, um so wichtiger.
Angefangen hat alles 1981. „Einander verstehen – miteinander leben“, so lautete das Motto des von den Vereinten Nationen ausgerufenen „Jahr der Behinderten“ 1981. Dass solch ein Themenjahr mehr bieten kann als Sonntagsreden, zeigt nachhaltig der „Treff 81“, der in diesem Jahr gegründet wurde. „Wir möchten im Jahr der Behinderten nicht große Worte machen, sondern aktiv werden“, so stand es auf der Einladung, mit welcher Menschen mit und ohne Behinderung für den 2. Mai 1981 ins Pfarrzentrum am Europaplatz gebeten wurden. Hildegard Jäger, Monique van Horn, Kaplan Alfred Much, Gabi Litzmann und Thomas Zmelty hatten den Aufruf unterzeichnet. So wurde bei Kaffee und Kuchen der „Treff 81“ gegründet und man beschloss, sich vierzehntägig zu versammeln.
„Das liegt jetzt 40 Jahre zurück“, sagt Ute Wagner vom Betreuerteam. „Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wir werden, sobald es wieder möglich ist, den Geburtstag unter anderem mit einem Gemeinschaftsgottesdienst feiern“, blickt Pater Wolfgang Jungheim in die Zukunft. Der Arnsteiner Pater ist seit vielen Jahren so etwas wie der „geistliche Leiter“ der Gruppe, zu welcher über 30 Personen zählen.
Raus aus den eigenen vier Wänden und rein ins Vergnügen, so lautet eine Devise. Die meisten der geistig Behinderten leben noch immer in elterlichen Haushalten. Mit dem Treff wird gemeinsam gekocht, gebacken, gegessen, gewandert, gefeiert und gespielt. „Von Anfang an war es so, dass die Nichtbehinderten von den Menschen mit Handicap viel gelernt haben“, blickt Rüdiger Reiländer zurück. Mit Freizeitaktivitäten wurde Inklusion betrieben, als der Begriff im Sprachgebrauch noch gar nicht so präsent war. 1985 lief man als Kartenspiel im Rosenmontagszug mit, erste Freizeiten wurden im Kloster Arnstein, in Werne und in Pirmasens durchgeführt.
„Beim Katholikentag in Karlsruhe wurde 1992 ein Theaterstück aufgeführt und später spielten wir für die Gemeinde ‚Der kleine Prinz‘“, erinnert sich Johannes Auras, ein Gründungsmitglied, der schon in frühen Zeiten alle Zeitungsberichte des „Treff 81“ für das Archiv gesammelt hat. In Bruchweiler, Katzenelnbogen und Xanten nahmen auch Menschen mit Behinderung aus Spanien an Freizeiten teil, in Saarbrücken waren zwei Mädchen aus dem Kosovo dabei. Die einwöchigen Ferienfreizeiten waren stetige Höhepunkte, rund 100 verschiedene Menschen mit Behinderung haben an den Sommer- oder Herbstfreizeiten teilgenommen. Von der Nordsee (Nordenham, Carolinensiel) bis in die Alpen (Oberstdorf, Österreich); es gab bisher 27 verschiedene Freizeiten in Jugendherbergen und Hotels.
Was hat die Gruppe nicht schon alles gesehen und erlebt: vom Kristallschiff auf der Donau bis zur Barkassenrundfahrt im Hamburger Hafen, von der Olympia-Skiflugschanze in Innsbruck bis zum Trainingsgelände des FC Bayern an der Säbener Straße. Der Treff besichtigte die Völklinger Hütte, die Veltins-Arena auf Schalke, die Lindenstraße, das Museum für Steiff-Tiere, eine Schokoladenmanufaktur, viele Brauereien oder auch das Fechtzentrum in Tauberbischofsheim. Man war beim Fischerstechen am Schwörmontag in Ulm, im ZDF-Fernsehgarten in Mainz, auf der Wartburg bei Eisenach, im Mercedes-Museum in Stuttgart, auf der Hochseeinsel Helgoland oder auf dem Flughafen Rhein-Main in Frankfurt. Bei Fußball-Bundesligaspielen jubelte man gemeinsam in den Stadien von Mainz, Kaiserslautern, Frankfurt, Köln und Leverkusen.
Touren führten zu den Landesgartenschauen nach Heidenheim, Bingen, Trier, Bad Schwalbach und Würzburg. Stets lachende Gesichter gab’s in Freizeitparks, wie Taunus-Wunderland, Wild- und Freizeitpark Klotten, Legoland, Heide-Park oder Fort Fun. Man besuchte die Rheinland-Pfalz-Tage in Neuwied und Andernach oder das Technik-Museum in Speyer und Swarovskis Kristallwelten im österreichischen Wattens.
„Schön war es auch in der Partnerstadt Hermsdorf, wo Heinz Haas im Festumzug mit der Lahnsteiner Fahne mitgegangen ist“, so erinnern sich Jens Margeit und Mirco Schreiner. Eine Gruppe aus Thüringen war zum Gegenbesuch auch am Rhein-Lahn-Eck. „Wir haben zur Horizonterweiterung vieler beigetragen und tolle Gemeinschaftserlebnisse gehabt, jede Unternehmung war von Freude geprägt“, blickt Dagmar Schusterbauer aus dem Betreuerteam zurück. Sie vergisst dabei auch nicht die vielen, welche mit Spendengeldern dazu beigetragen haben, dass Freizeitunternehmungen durchgeführt werden konnten. Feste Bestandteile im Jahresprogramm außerhalb von Corona sind Weihnachtsfeiern, der Besuch von Fastnachtssitzungen sowie ein Gedenkgottesdienst für die verstorbenen Mitglieder mit anschließendem Debbedotzessen.
Ein Blick in die Erinnerungen zeigt vielen aus der Gruppe: Das gute Miteinander im „Treff 81“ hat gezeigt, dass es normal ist, verschieden zu sein. Die aktuellen Entwicklungen in der Coronakrise lassen auch die Menschen des Treff 81 hoffen, dass bald das gewohnte, aktive Leben der Gruppe wieder beginnen kann. ts/kr