Rainer Hennemann, Betreiber des Hofes in Holzhausen, ist auch einige Tage danach noch fassungslos über das, was sich zwischen Freitagabend und dem frühen Samstagmorgen auf seiner Koppel zugetragen haben muss. „Die Besitzerin hat mich angerufen und gesagt, dass ihr Pferd tot auf der Weide liegt“, berichtet er. Zunächst sei sie davon ausgegangen, dass die Stute brutal erschlagen wurde, denn das Tier wies schwere Verletzungen am Kopf auf. Allerdings sei ziemlich schnell deutlich gewesen, dass es sich dabei um Schussverletzungen handelte, meint Hennemann. Anwohner hatten am Freitagabend zwei laute Knalle gehört.
Die Koppel befindet sich nicht in Holzhausen direkt, sondern etwa einen Kilometer entfernt bei Heidenrod/Martenroth, einer kleinen Gemeinde von weniger als 100 Einwohnern im Rheingau-Taunus-Kreis (Hessen). Auf dieser Koppel lebt in den wärmeren Frühlings- und Sommermonaten eine Herde von fünf Pferden, die zum Hof Hennemann in Holzhausen in der Verbandsgemeinde Nastätten gehören. Nachts werden die Pferde etwas enger eingezäunt, damit sie näher am Dorf stehen – eine Vorsichtsmaßnahme, die auch wegen möglicher wilder Tiere wie dem Wolf getroffen wurde.
Der 28-jährigen Stute wurde dies vielleicht zum Verhängnis, denn ihr nächtlicher Besucher hatte so womöglich leichteres Spiel. Die Pferdebesitzerin, die mehrere Pferde hält, fand den Kadaver in unmittelbarer Nähe der Schutzhütte, also des Unterstandes auf der Koppel. Ob das Tier sofort starb oder leiden musste, ist nicht klar. „Für uns sieht das aus wie eine gezielte Hinrichtung“, sagt Hennemann erschüttert.
Zweites Pferd der Herde verletzt
Ein weiteres Pferd der Herde eines anderen Besitzers wurde bei dem Übergriff am Maul verletzt. „An der Oberlippe ist ein acht Zentimeter langer und 1,5 Zentimeter tiefer Schnitt“, erzählt Rainer Hennemann. Offensichtlich sei also eine weitere Waffe benutzt worden. Die drei übrigen Pferde der Herde blieben körperlich unversehrt.
Die hinzugezogene Polizeistreife der zuständigen Polizeidienststelle schaltete umgehend die Kriminalpolizei Wiesbaden ein. Deren Pressestelle bestätigte, dass man sehr stark von Fremdeinwirkung ausgehe, die zum Tod des Pferdes geführt habe. Konkretere Aussagen könnten derzeit von Seiten der Behörde nicht getroffen werden. Der Kadaver werde aktuell eingehend untersucht, um nähere Erkenntnisse zu erlangen.
Nicht der erste Fall dieser Art
Es sei der erste Fall seit mehreren Jahren im Rheingau-Taunus-Kreis, in dem Pferde zu Schaden gekommen seien. Vor zwei Jahren seien Kälber mit Pfeil und Bogen auf einer Weide bei Idstein erlegt worden. „Den Täter haben wir gefasst“, berichtet der Polizeipressesprecher.
Im Rhein-Lahn-Kreis und den nördlich angrenzenden Regionen gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Fälle von Misshandlung und Tierquälerei. 2015 war in Katzenelnbogen mindestens eine Stute mit einem Messer oder Speer verletzt worden, 2017 machte sich offenbar ein Pferderipper an den Koniks auf der Schmidtenhöhe in Koblenz zu schaffen, und 2018 traf es eine Ponystute im Westerwald, jedes Mal wurde den weiblichen Tieren Schnitte im Genitalbereich zugefügt. Mehrere Fälle solch schlimmer Misshandlung an Pferden gab es auch im Jahr 2008 in Berg, Hunzel oder Oberfischbach.
Der aktuelle Fall scheint anders gelagert, was die Situation für die Pferdehalter natürlich nicht besser macht. Verunsicherung und Angst um ihre Schützlinge treibt die Menschen nun um, und das nicht nur in Holzhausen, sondern in der ganzen Region. „Das Schlimme ist, dass man es nicht verstehen kann“, sagt Rainer Hennemann. „Wenn jemand eine Bank ausraubt, dann versteht man, dass er das Geld will. Aber warum tut jemand Tieren sowas an?“
Die Kriminalpolizei Wiesbaden ermittelt weiter in dem Fall. Wer Verdächtiges bemerkt hat und Hinweise geben kann, meldet sich unter Telefon 0611/3450.