Fall sorgte für Aufsehen
Tod von Rahel M.: Zwei Jahre Haft
Im Sommer 2023 suchte die Polizei wochenlang auf der Lahn nach der Leiche von Rahel M. Gefunden wurde sie schließlich in einer Limburger Wohnung.
Klaus-Dieter Häring

Der Tod der Frau, deren Suche für mediales Aufsehen sorgte, erschütterte eine ganze Region. Jetzt wurde der Fall vor dem Limburger Landgericht verhandelt.

Die Schwurgerichtskammer des Limburger Landgerichts hat am Freitag das Urteil im Fall der vermutlich an einer Überdosis Kokain verstorbenen Rahel M. aus Montabaur gefällt: Sie verurteilte einen wegen Totschlags angeklagten 36-jährigen Mann wegen Überlassens von Betäubungsmitteln mit Todesfolge in Tatmehrheit mit unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Gleichzeitig ordnete die Kammer unter Vorsitz von Richter Dr. Andreas Janisch die Unterbringung des schwer drogenabhängigen Mannes in einer Entziehungsanstalt an.

Die Beweisaufnahme hatte nach Überzeugung aller Prozessbeteiligten ergeben, dass sich der Angeklagte mit Rahel M. an Heiligabend 2022 zunächst in der Wohnung eines Bekannten in Hünfelden getroffen hatte. Das Paar konsumierte große Mengen Alkohol und spritzte sich im Badezimmer der Wohnung gegenseitig Kokain in die Halsschlagader. Als der Bekannte den Drogenkonsum seiner Besucher bemerkte, warnte er sie, er wolle „keinen Toten im Badezimmer liegen“ haben.

Daraufhin fuhren die beiden in die Wohnung des Angeklagten nach Limburg, wo Rahel M. in Gegenwart einer Zeugin sich und ihrem Freund eine weitere Kokainspritze setzte. Der Angeklagte war laut der Zeugin zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, sich selbst zu spritzen, weil er in schlechter körperlicher Verfassung war und zitterte. Nachdem die Zeugin die Wohnung verlassen hatte, erhielt Rahel M. eine dritte Kokainspritze, wobei vor Gericht unklar blieb, ob es der Angeklagte oder die Geschädigte selbst war, die sich die Spritze verabreichte. Staatsanwalt Thomas Pohling ging davon aus, dass der Angeklagte die Spritze verabreichte, die schließlich zum Tod von Rahel M. geführt habe. Der 36-Jährige hatte dies zwar bestritten, doch Zeugen hatten vor Gericht erklärt, dass er ihnen gegenüber zugegeben hatte, dass er Rahel M. die dritte Kokainspritze gesetzt hatte.

Leiche in eine Sporttasche gesteckt

Ansonsten zeigte sich der Angeklagte vor Gericht umfassend geständig: Er räumte ein, dass er das Kokain besorgt und Rahel M. zum Konsum überlassen hatte. Allerdings erklärte er auch, dass er infolge seines eigenen Alkohol- und Drogenkonsums „wie in einem Nebel“ weggetreten war, als Rahel M. nach der dritten Spritze Schaum vor dem Mund entwickelte und sich ihr gesundheitlicher Zustand immer weiter verschlechterte. Erst am nächsten Morgen bemerkte er nach eigenen Angaben, dass sie tot in der Wohnung lag. Er packte ihre Leiche in eine Sporttasche und stellte diese zunächst an der Lahn ab. Als im Sommer 2023 die Polizei auf der Lahn nach der Leiche der Frau suchte und der Fall in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ bundesweit publik wurde, holte er die Tote zurück in seiner Wohnung, wo sie schließlich von der Polizei gefunden wurde.

Die genaue Todesursache von Rahel M. blieb laut einem Gutachten des Gießener Rechtsmediziners Sven Hartig allerdings unklar. Wahrscheinlich starb die Frau an der Wechselwirkung von Kokain, Alkohol und einem ganzen Cocktail an Medikamenten, den sie zu sich genommen hatte. Die 35-Jährige war Epileptikerin und litt an Depressionen. Außerdem nahm sie an einem Substitutionsprogramm für Heroinabhängige teil. Die Substitutionsärztin, die Rahel M. seit 2006 behandelt hatte, hatte vor Gericht erklärt: „Sie war eine schwerstkranke Frau.“ Bei der Substitutionsbehandlung mit Methadon hatte die 35-Jährige auch den Angeklagten kennengelernt.

Staatsanwalt: Er handelte leichtfertig und gleichgültig

Nach Überzeugung von Staatsanwalt Pohling, der sich die Kammer anschloss, wusste der Angeklagte also vom schlechten gesundheitlichen Zustand seiner Freundin, als er ihr das Kokain zum Konsum überließ. Ihm sei bekannt gewesen, dass sie Medikamente nahm, und auch der Konsum von Alkohol in Verbindung mit Kokain an Heiligabend 2022 sei ihm bewusst gewesen. Er habe „leichtfertig“ und „gleichgültig“ gehandelt, als er ihr schließlich die dritte und letzte Kokainspritze verabreichte, die wahrscheinlich zum Tode führte. Den Vorwurf des Totschlags oder auch der fahrlässigen Tötung ließ der Staatsanwalt allerdings fallen. „Es ging immer nur um den Kick. Man wollte das gemeinsame Erlebnis. Dass man sich dabei am Rande der Lebensgefahr bewegte, war beiden bewusst.“ Pohling forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Verteidiger Oliver Wallasch wies in seinem Plädoyer auf die letztlich ungeklärte Todesursache hin und stellte die von Pohling attestierte „Leichtfertigkeit“ und „Gleichgültigkeit“ infrage. Die unterlassene Hilfeleistung seines Mandanten sei indes unbestritten. Eine Entziehungsanstalt, sagte Wallasch, sei für seinen Mandanten das einzig Richtige. „Ohne professionelle Hilfe bekommt er sein Leben nicht auf die Kette.“ Einen eigenen Strafantrag stellte der Verteidiger nicht.

Richter: Verstecken der Leiche nicht strafbar

Richter Janisch ging wie schon zuvor der Staatsanwalt auf die öffentliche Aufmerksamkeit ein, die der Fall infolge der monatelangen Suche nach der Leiche erregt hatte. Hätte der Angeklagte am Morgen nach dem Tod von Rahel M. gleich die Polizei gerufen, wäre er in Untersuchungshaft gekommen, „und die Öffentlichkeit hätte sich nie für ihren Tod interessiert“. Erst das Verstecken der Leiche habe den Verdacht eines Kapitaldelikts erregt. Allerdings sei das sogenannte „Nachtatverhalten“ des Angeklagten nicht strafbar, stellte Janisch klar. Eine Störung der Totenruhe liege ebenfalls nicht vor, weil die Frau nicht beerdigt worden war.

Hätte Rahel M. gerettet werden können, wenn der Angeklagte rechtzeitig Hilfe gerufen hätte, lautete eine weitere Frage im Prozessverlauf. Wohl kaum, lautete das Urteil des Rechtsmediziners. Das Zeitfenster für eine Rettung habe nur wenige Minuten betragen. Rahel M. starb wahrscheinlich an Herzflimmern und Krampfanfällen. Von vornherein aussichtslos wäre ein Rettungsversuch gleichwohl nicht gewesen, so der Gutachter.

Bei der Strafzumessung ging die Kammer von einer verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seines Alkohol- und Drogenkonsums aus. Das monatelange Verstecken der Leiche wertete die Kammer hingegen als strafverschärfend, weil er damit die Angehörigen ins Ungewisse gestürzt habe. Das Geständnis des Angeklagten wurde positiv gesehen: „Er übernimmt Verantwortung dafür, dass er die Drogen besorgt und übergeben hat“, so Richter Janisch. Damit habe er wesentlich zur Aufklärung dessen beigetragen, was an Heiligabend 2022 geschehen ist. Auch der Geschädigten wies der Richter ein Mitverschulden am eigenen Tod zu. „Hier sind zwei, die drogenabhängig sind und nicht die Kraft haben, den Drogen zu widerstehen.“ Die Erkenntnisse des Gutachters fasste Janisch so zusammen: „Medikamente, Drogen und Alkohol, das hat ihr Körper nicht ausgehalten.“

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