Denn was den Kartenverkauf anging, blieb man deutlich hinter den 71. Burgspielen 2022 zurück: Viele Plätze blieben leer – dabei hatte man deren Zahl vor der Johanniskirche schon reduziert.
„Nein, ich bin überhaupt nicht enttäuscht über die etwas geringere Besucherzahl“, sagt Arina Horre, die auch die Koblenzer Schauspielschule leitet, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Mehrere Faktoren spielten dabei eine Rolle.“ So laufe eine Planung normalerweise meist ein Jahr vorher, „das heißt, die Rollen sind besetzt, Ausstattung, Technik ist in Planung, Werbung geht früh raus“, erklärt die Interimsintendantin. „Das war in unserem Fall ja nicht so.“
Holpriger Start
Die Bühnenfassung hatte die Interimsintendantin erst im Februar geschrieben, damals sei auch noch nicht sicher gewesen, ob und in welchem Rahmen die Festspiele überhaupt stattfinden. „Viele Schauspieler waren nicht verfügbar. Die Rolle des Zettels war Karl Krämer auf den Leib geschrieben, der aber im Vorfeld aus gesundheitlichen Gründen ausfiel. Es war also alles etwas holprig.“ Dennoch habe ihr kleines Team in kürzester Zeit die Freilichtspiele gestemmt. „Und alle waren unter dem Strich einfach sehr stolz und glücklich“, freut sich Horre. Vieles habe man improvisieren müssen, „und das ist uns gelungen – mit guter Laune, gegenseitiger Unterstützung und Wertschätzung“. Das Arbeitsklima der kleinen Theater- und der Schauspielcrew sei sehr gut gewesen, bilanziert sie.
Doch die Schlagzeilen rund um den Rauswurf von Intendant Friedhelm Hahn haben natürlich eine Rolle bei dem zurückhaltenden Kartenverkauf gespielt, vermutet sie – und bedauert dies zugleich. „Einige Theatergänger haben uns boykottiert.“ Dazu habe es sogar Aufrufe in den sozialen Netzwerken gegeben. „Aber es hat uns jetzt nicht gewundert. Alles, was neu ist, muss sich erst mal bewähren, das ist häufig so – und ich kann das ein Stück weit sogar verstehen“, sagt Horre.
Es war eine sehr harte Zeit. Der Druck, Anfeindungen und ein enorm hohes Arbeitspensum haben insgesamt schon arg die Nerven strapaziert, einen sehr dünnhäutig werden lassen.
Arina Horre
„Theater – oder Kunst im Allgemeinen – ist ja auch immer subjektiv.“ Und dennoch zeigt sie sich zufrieden mit dem Theatersommer in Lahnstein. Das Gros der Besucher sei total begeistert gewesen, „es gab tosenden Applaus – und einige Gäste waren bis zu viermal im Stück“. Natürlich habe es auch vereinzelte Besucher gegeben, die weder mit Shakespeare noch mit ihrer Inszenierung etwas anfangen konnten. „Das ist aber doch normal. Der Stoff war ja eher ein leichter.“
Seit dem vergangenen Freitag läuft der normale Theaterbetrieb im Nassau-Sporkenburger Hof wieder, das aktuelle Stück heißt „Maria Magdalena“. Und wie blickt Arina Horre auf ihre bisher neun Monate in Lahnstein? Durchaus mit einem Schuss Selbstkritik: „Es war eine sehr harte Zeit. Der Druck, Anfeindungen und ein enorm hohes Arbeitspensum haben insgesamt schon arg die Nerven strapaziert, einen sehr dünnhäutig werden lassen.“ Aber gleichzeitig sei dies auch eine sehr lehrreiche Zeit gewesen, die sie habe wachsen lassen.
„Eine Zeit, in der Dinge organisiert werden, der Laden quasi am Laufen gehalten werden musste, während gleichzeitig Neues kreativ erarbeitet werden wollte.“ Strukturen mussten und müssen neu entwickelt und etabliert werden. „Der zweiwöchige Urlaub war dann auch dringend notwendig, um in die Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken.“ Mit all diesen Erfahrungen fühlt sie sich nun angekommen am Rhein-Lahn-Eck. „Auch weil ich mich von dem selbst gemachten Druck verabschiedet habe, alles perfekt machen zu wollen. Manches dauert, Fehler passieren, aber es bringt niemanden um.“
Das kalte Wasser ist wärmer geworden
Horre schwärmt richtiggehend von dem Lahnsteiner Kulturbetrieb. Das kleine Haus biete viel Potenzial und Möglichkeiten, alle Altersklassen künstlerisch anzusprechen. Auch deshalb hat sie sich entschieden, ihren Hut bei der Besetzung der Intendanz ab dem kommenden Jahr in den Ring zu werfen, wie sie unserer Zeitung verrät. „Ich würde gern bleiben. Das kalte Wasser, in das ich im Januar reingehüpft bin, ist wärmer geworden und es ist nicht so tief wie befürchtet.“ Man sei dabei, sich zu strukturieren, zu verbessern, zu entwickeln. „Wir machen nicht alles perfekt, aber ich arbeite mit Leidenschaft für die Kunst und versuche unsere Besucher abzuholen, zu begeistern, zum Nachdenken anzuregen, zu inspirieren und zum Lachen und Weinen zu bringen.“
Über diese Personalie werden die Gremien der Stadt zum Jahresende im Rahmen der Haushaltsberatungen entscheiden. Klar ist, dass es mit Arina Horre nun eine erste Kandidatin gibt.