Jeden Tag bekommt der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer (SPD) Besuch von Stadttauben. Sie fliegen bis zum Fenstersims seines Büros im zweiten Stock im Limburger Kreishaus und gurren um die Wette. Auch während des Gesprächs mit dieser Zeitung tauchen Stadttauben auf. Zwar haben die Stadtverordneten in Limburg im November 2023 entschieden, aufs Taubentöten zu setzen (um die als zu groß empfundene Population der Stadttauben in der Innenstadt zu verkleinern), und die Bürger haben diesen umstrittenen Beschluss im Juni 2024 bestätigt, aber bis heute ist noch keine Stadttaube getötet worden. Vor Kurzem hat sich zudem die Rechtslage entscheidend geändert: Die Untere Naturschutzbehörde beim Landkreis Limburg-Weilburg spielt auf einmal eine wichtige Rolle in der Frage, ob Stadttauben überhaupt noch getötet werden dürfen oder nicht. Was das bedeutet, erklärt Jörg Sauer als zuständiger Dezernent in der Kreisverwaltung.
Herr Sauer, sind Sie schon von Tierschützern bombardiert worden mit Forderungen, das Töten von Stadttauben auf keinen Fall zuzulassen?
Das hält sich bei mir bislang noch in Grenzen. Allerdings haben meine Kollegen des Kreisveterinäramts schon Hinweise von Tierschützern bekommen. Doch der Tonfall in einigen dieser E-Mails ist mehr als grenzwertig. Das trifft die Kollegen des Veterinäramts sehr, da es zur wesentlichen Aufgabe eines Veterinäramts gehört, Tiere zu schützen und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.
Welche Bedeutung hat die Aufhebung eines Erlasses des hessischen Landwirtschaftsministeriums?
Dieses Ministerium hat im Jahr 2022 in einem Erlass festgelegt, dass Stadttauben nicht der Bundesartenschutzverordnung unterliegen. Dieser Erlass wurde jetzt aufgehoben, und das heißt: Die Taube wird nun als wild lebendes Tier betrachtet und ist somit geschützt. So hatte bereits das höchste hessische Gericht, der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, im Jahr 2018 entschieden.

Nach welchen Kriterien darf die Untere Naturschutzbehörde Ausnahmegenehmigungen nach der Bundesartenschutzverordnung erteilen, mit der Stadttauben in Limburg getötet werden dürfen?
Zunächst einmal: Die Bundesartenschutzverordnung verbietet grundsätzlich, nicht nur wild lebende Tiere, sondern auch „nicht besonders geschützte Wirbeltierarten“ zu fangen oder zu töten, wenn diese nicht dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen. Ausnahmen von diesem Verbot sind nur möglich „zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger gemeinwirtschaftlicher Schäden“ oder „zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt“ oder allgemein „für Zwecke der Forschung“.
Wer darf eine Ausnahmegenehmigung fürs Taubentöten beantragen?
Grundsätzlich jeder, wobei ohne einen Sachkunde-Nachweis, den das Tierschutzgesetz zwingend voraussetzt, gar keine Ausnahmegenehmigung zum Töten von Tauben erteilt werden darf. Auch die Stadt Limburg oder private Unternehmen könnten eine solche Ausnahmegenehmigung beantragen, um einen Schädlingsbekämpfer mit Sachkunde-Nachweis beauftragen zu dürfen.
„Ein nach der Bundesartenschutzverordnung nicht genehmigtes Fangen und Töten von Stadttauben kann in Hessen mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 5000 Euro belegt werden.“
Jörg Sauer (SPD), Erster Kreisbeigeordneter, Limburg-Weilburg
Sind schon Anträge im Kreishaus eingegangen?
Der Unteren Naturschutzbehörde liegen zwei Anträge von Privatpersonen vor. Allerdings war die vorgelegte Begründung für die Beurteilung der Rechtslage nicht ausreichend. Die Antragsteller wurden darüber informiert und gebeten, bis Ende April eine ausführlichere Begründung vorzulegen.
Wie werden Verstöße, Taubentöten ohne Ausnahmegenehmigung, geahndet?
Ein nach der Bundesartenschutzverordnung nicht genehmigtes Fangen und Töten von Stadttauben kann in Hessen mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 5000 Euro belegt werden.
Sie arbeiten selbst in Limburg und sind regelmäßig in der Innenstadt unterwegs. Hat Limburg in Ihrer Wahrnehmung ein Problem mit Stadttauben?
Dazu steht mir kein persönliches Urteil zu. Wenn die Bevölkerung in Limburg dies mehrheitlich so sieht, und das ist nun einmal das Ergebnis des Bürgerentscheids vom Juni 2024, ist dieser demokratische Beschluss zu respektieren.
Trotzdem könnte es sein, dass keine Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Wie soll die Stadt Limburg mit einem Beschluss zum Taubentöten umgehen, der nach dem Bürgerentscheid nicht aufgehoben werden darf, und zwar bis Juni 2027?
Ich werde an dieser Stelle keiner Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde vorgreifen. Ganz allgemein gesprochen: Wenn sich nach einem Bürgerentscheid die Rechtslage ändert, ist zu prüfen, inwiefern eine Bindungsfrist noch Bestand hat. Für unsere Entscheidung gilt aber ausschließlich die Artenschutzverordnung.
Falls es nicht zum Taubentöten kommt, welche Möglichkeiten bleiben, eine als zu große empfundene Taubenpopulation zu verkleinern?
Es gibt die Möglichkeit, in betreuten Taubenschlägen gelegte Eier gegen Gipseier auszutauschen, um so für weniger Nachwuchs zu sorgen. Nach den Informationen unseres Kreisveterinäramts gibt es zwar Alternativen, die sich allerdings alle noch im Versuchsstadium befinden. Das wäre zum einen eine „Antibaby-Pille“, die über das Taubenfutter verabreicht wird, und zum anderen die Kastration männlicher Tauben beim Tierarzt. Dazu fehlen jedoch belastbare Erfahrungen.
„Gegen eine Entscheidung, die ein Antragsteller nicht nachvollziehen kann, kann grundsätzlich Widerspruch eingelegt werden. Sollte dieser abgewiesen werden, steht einem der Weg frei, eine Klage beim Verwaltungsgericht einzureichen.“
Jörg Sauer (SPD), Erster Kreisbeigeordneter, Limburg-Weilburg
Egal, wie die Untere Naturschutzbehörde entscheidet: Rechnen Sie mit Klagen?
Gegen eine Entscheidung, die ein Antragsteller nicht nachvollziehen kann, kann grundsätzlich Widerspruch eingelegt werden. Sollte dieser abgewiesen werden, steht einem der Weg frei, eine Klage beim Verwaltungsgericht einzureichen. Das gilt im Übrigen auch für Tierschutz-Organisationen, sollten sie eine Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde rechtlich überprüfen lassen wollen.
Der Landkreis hat schon vor mehreren Jahren seine Erfahrungen mit einer Klage gemacht ...
Ein Rechtsstreit mit einem heimischen Falkner endete mit einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) im Jahr 2011 und zwei weiterer Verfahren 2012 und 2014, sodass der Landkreis diesem Falkner im Juli 2014 eine endgültige Erlaubnis erteilt hat, unter bestimmten Bedingungen nach dem Tierschutzgesetz Tauben töten zu dürfen. Nun gilt jedoch die Entscheidung des VGH von 2018, dass dafür zusätzlich eine Ausnahmegenehmigung nach der Bundesartenschutzverordnung vorliegen muss.
Die Fragen stellte Stefan Dickmann