„Setzen, sechs!“, das sollen die Stühle symbolisieren, „Nazis und Faschisten bieten wir hier keinen Platz an“, sagt Brosch im Gespräch mit unserer Zeitung. Den ersten Stuhl hat die gelernte Mediengestalterin und Handwerkerin selbst bemalt. „In Nassau ist kein Platz für Hass und Hetze“ steht in Neonfarben auf dem Stuhl geschrieben. Seinen Platz hat das Möbel auf der Terrasse der Stadthalle gefunden, die Stadt hat die Kunstinstallation rasch bewilligt. Nun dürfen sich weitere Stühle dazugesellen, so Brosch, „jeder kann mitmachen, ein Zeichen setzen und seinen gestalteten Stuhl dazustellen.“
Dieses Zeichen sei notwendiger denn je, ist die 46-Jährige überzeugt, die seit vielen Jahren politisch aktiv ist. Schon immer sei sie eine „kleine Pipi Langstrumpf“ gewesen, habe unbequeme Fragen gestellt, sich politisch engagiert. „Mich hat früh Käthe Kollwitz und ihr Werk fasziniert, mit Kunst politisch zu wirken, das inspirierte mich sehr.“ Hinzu kamen die Geschichten der Großeltern, die als Zeitzeugen den Krieg und Hitlers Regime des Nationalsozialismus miterlebt haben.
Der Ort wählte tief schwarz-blau. Da wusste ich, hier können wir nicht bleiben.
Natalie Brosch verließ ein Dorf im Westerwald, weil sie wegen ihrer politischen Gesinnung bedroht wurde
In einem kleinen Ort im Westerwald groß geworden, hat sich Brosch mit ihrer Familie ein gutes Leben aufgebaut, aber nie ihre Überzeugungen verschwiegen. „Ich habe aus meiner linken Haltung nie ein Geheimnis gemacht, habe mich für Sea Watch und andere Organisationen eingesetzt, das war auf dem Dorf nicht gern gesehen“, erinnert sie sich. Eines Tages waren die Reifen zerstochen, es lag eindeutige Post mit Drohungen im Briefkasten. „Der Ort wählte tief schwarz-blau. Da wusste ich, hier können wir nicht bleiben“, erzählt sie heute.
Also zog die sechsköpfige Familie 2020 nach Nassau, „hier habe ich mich immer sicher gefühlt“, so die vierfache Mutter. Trotz aller Probleme, die es in der Stadt gebe, sei die Stadt bunt, die Menschen offen und tolerant. Die Broschs fanden eine neue Heimat. Natalie Brosch stieg in die Handwerksfirma ihres Mannes ein, arbeitet zusätzlich als Einzelfallhilfe und Integrationshelferin bei der Stiftung Scheuern. Doch auch in Nassau erreichen sie Morddrohungen von rechts, vor allem als sie 2021 zur RLP-Landesvorsitzenden der Partei Die Linke gewählt wird.
Mittlerweile aus der Partei ausgetreten und parteilos engagiert, schaut sie mit großer Sorge auf die politischen Entwicklungen und die am 23. März anstehende Veranstaltung der AfD in Nassau. „Wir müssen jetzt laut werden, ein Zeichen setzen“, ist sie überzeugt, „wir haben eine klare Blaupause aus der Vergangenheit. Die Gefahr, dass es von heute auf morgen wieder passiert, wird viel zu stark unterschätzt. Wir wissen doch, was wir zu tun haben, um das zu vermeiden, was wir schon mal erlebt haben“, unterstreicht sie. Schweigen sei dabei für sie keine Option, „das hat, wie wir sehen, in den letzten Jahren auch nicht geklappt“.
Ihrer Meinung nach habe gerade Nassau mit der Stiftung Scheuern, in der Menschen mit Behinderungen ein Zuhause und Arbeit finden, eine besondere Verpflichtung, sich zu positionieren. Eine bunte Kunstaktion der Bürger könne ein gutes Kommunikationsmedium sein. Deshalb ruft sie die Nassauer auf, zu Pinsel, Farbe, Spraydose zu greifen. Jeder kann einen Stuhl mit seiner Botschaft versehen und auf die Terrasse der Stadthalle stellen. Das Jugendzentrum der Stadt hat auf seiner Facebook-Seite bereits verkündet, dass es sich der Aktion anschließt. „Wer keinen Stuhl hat, soll sich bei mir melden. Ich habe mehr als ein Dutzend zur Verfügung gestellt bekommen, und es gibt noch mehr“, erzählt sie lachend. Ihr Wunsch: „Am 23. März müssen wir bei der Demo laut sein und unsere Meinung kundtun, der Platz soll voll sein mit bunten Stühlen und Menschen für ein buntes Nassau.“
Stühle gebraucht?
Wer noch einen Stuhl braucht, kann sich bei Natalie Brosch, Tel. 0152/53842212, melden.