Die Stadtverwaltung bestreitet dies, die Umfahrungsstrecke sei eindeutig nicht der Grund für die Überflutung des Hohenrheins. Vielmehr sei das Wasser vom Plateau Todtental kommend ins Tal geflossen, argumentiert man im Rathaus. Paul Arzheimer, pensionierter Schulleiter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Bürgerliste (FBL), hat derweil eigene Recherchen angestellt und bezweifelt die Argumentation. Er fordert gemeinsame Maßnahmen, um bei künftigen Starkregenereignissen gewappnet zu sein.
Begründung kann nicht überzeugen
In einem Schreiben an Oberbürgermeister Lennart Siefert verweist Arzheimer auf die bestehende Starkregengefahrenkarte. „Es ist zwar richtig, dass das Plateau Todtental als Sturzflut-Entstehungsgebiet Bergland ausgewiesen ist. Es ist aber auch richtig, dass im Bereich der Umfahrungsstrecke diese Abflussflächen zusammentreffen.“ Allerdings könne ihn die Begründung der Verwaltung nicht überzeugen, so Arzheimer weiter. „Zum Zeitpunkt des Starkregens weist besagtes Plateau teils brusthohe Vegetation mit bearbeiteten Ackerflächen aus.“
Somit sei gerade hier eine optimale Infiltration der Regenmassen gegeben, glaubt Arzheimer. „Rückfragen bei Anwohnern haben gezeigt, dass es sowohl in diesem Bereich als auch im Wohngebiet Hinter Lahneck zu keinen gravierenden Schäden durch Überflutung gekommen ist.“ Der Kommunalpolitiker selbst habe sich davon überzeugt, dass weder Schlammmassen im Bereich Todtental oder Verunreinigungen an den Häusern zu erkennen gewesen seien. Natürlich sei dies eine subjektive Einschätzung, betont er. Es sei aber „davon auszugehen, auch nach Einschätzung von Fachleuten, dass die Ursache der Schlammüberflutung bei besagter Umfahrungsstrecke zu suchen ist“.
Viele Bäume gefällt
Für die Umfahrung seien rund 350 gesunde Bäume mit einem Durchmesser von 20 bis 60 Zentimetern gefällt worden, so Arzheimers Recherche. „Gleichzeitig wurden die Wurzelballen auf der Trasse entfernt.“ Dabei dienten diese dazu, den Boden zu stabilisieren. Aufgrund des Hangrutsches Ende 2021 auf dem Parkplatz der Firma Avient sei davon auszugehen, „dass die Bodenbeschaffung bekannt war“. Der Bodenaufbau sei gekennzeichnet durch meterhohen lehmigen Sand, Anteile von Löss und Bims.
„Bei Beschädigung der Bodenoberfläche und Infiltration von Wasser verliert der Boden seine Festigkeit, wird zu einer Schlammmasse, die zusammen mit dem Erdaushub in der Hanglage abrutscht.“ Genau dies sei im August passiert, glaubt der FBL-Politiker. „Bleibt zu hoffen, dass der geplante Entwässerungsgraben eine zukünftige Schädigung verhindert.“
Es stehe völlig außer Frage, dass sich das Klima ändere und Haus- und Grundeigentümer häufiger mit Wetterextremen wie Starkregen konfrontiert würden. „Und wir werden sicherlich die Klimaveränderung nicht beeinflussen oder gar stoppen können“, sagt Arzheimer. „Wir können aber geeignete Maßnahmen und Hilfsangebote entwickeln, um die Folgen zumindest abzumildern.“
Frühwarnsystem wichtig
Um sich vor den Auswirkungen von Starkregen zu schützen, sei es wichtig, Frühwarnsysteme zu errichten und sicherzustellen, dass die Entwässerungssysteme in gutem Zustand sind. Klar sei, dass bei Starkregen der Mischwasserkanal in besagtem Gebiet nicht alles Wasser aufnehmen könne, so Arzheimer. „Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass für die rund 3000 Menschen in diesem Gebiet der Kanal unterdimensioniert ist.“ Nun werde der Kanal zwar erneuert, allerdings stellenweise bei gleichem Querschnitt. „Kann das funktionieren?“
Bei vielen Menschen in Friedland herrschten „Sorgen, Verzweiflung und Verärgerung“, hat Arzheimer beobachtet und fordert: „Lassen Sie uns gemeinsam mit den Menschen vor Ort nach Lösungen suchen, um prekäre Lebenssituationen zu verbessern, und dazu beitragen, die Wohn- und Daseinssituation hier zu verbessern.“ Die komplexe Situation müsse in einem Arbeitskreis vorberaten und dann im Ausschuss beschlossen werden.