Traditionsreicher Eissalon
Seit 75 Jahren kühle Köstlichkeiten für Bad Ems
Führen das von Luigi Brustolon 1950 in Bad Ems eröffnete Eiscafé in zweiter und dritter Generation weiter (von links): Sohn Rudi Brustolon, Schwiegertochter Fabiana Fontanella und Enkel Elia Brustolon.
Bletzer Ulrike

Auf eine lange Geschichte kann der Eissalon Brustolon in Bad Ems zurückblicken. Seit einem Dreivierteljahrhundert besteht der Betrieb, der zahlreiche Menschen in der Kurstadt mit kühlen Leckereien versorgt.  

Eigentlich fängt die Geschichte nicht mit kaltem Eis, sondern mit heißen Maronen, Bratäpfeln und Birnen an. Die verkauften Rudi Brustolons Großvater und dessen beide Brüder, kurz zuvor aus dem Zoldo-Tal nach Vicenza ausgewandert, an der Straße, bevor sie professionell in die Herstellung von Speiseeis einstiegen – und damit eine Familientradition begründeten, von der bis heute auch die Bad Emser etwas haben. Und das seit strammen 75 Jahren: Das Eiscafé Brustolon in der Römerstraße ist das „dienstälteste“ in der Kurstadt – und blickt anlässlich seines Jubiläums selbstverständlich auch über heiße Maronen und Co. hinaus auf seine Wurzeln zurück.

„Ende der 20er-Jahre emigrierten mein Vater Luigi und mein Onkel Vincenzo nach Deutschland“, erzählt Rudi Brustolon beim Besuch unserer Zeitung. 1934 eröffneten die beiden am Jesuitenplatz in Koblenz gemeinsam eine Eisdiele. „Mein Vater wollte sich aber selbstständig machen und eröffnete deshalb in Neuwied ein eigenes Eiscafé“, fügt er hinzu. Der Zweite Weltkrieg habe dem ein jähes Ende gesetzt: „Auf Neuwied fiel zwar nur eine einzige Bombe, aber die musste ausgerechnet auf die Eisdiele fallen.“ Doch Luigi Brustolon blieb am Ball: Den zweiten Anlauf startete er 1950, diesmal von deutlich nachhaltigerem Erfolg gekrönt, in Bad Ems. Lange Zeit befand sich das Eiscafé gegenüber vom Kurhaus, erst Anfang der 1970er-Jahre zog es an seinen heutigen Standort in der Römerstraße 69 um. „Mein Vater hatte damals die Möglichkeit, das Haus hier zu kaufen“, sagt Rudi Brustolon, der im ehemaligen Marienkrankenhaus in Bad Ems geboren ist und den Betrieb 1980 gemeinsam mit seinem 20 Jahre älteren Bruder übernommen hat. „Und seit 25 Jahren führen meine Frau und ich das Eiscafé allein“, fasst er zusammen.

„Meine Frau ist die Spezialistin für die Eisbecher.“
Rudi Brustolon

Fabiana Fontanella, seine Frau, lernte er in seiner alten Heimat im Zoldo-Tal, rund 20 Kilometer südlich von Cortina d’Ampezzo in den Dolomiten gelegen, kennen. Denn, das ist wohl typisch für italienische Gelatieri: Das Sommerhalbjahr verbringen sie in Deutschland oder wo auch immer sonst sie beruflich Wurzeln geschlagen haben – aber in den Wintermonaten zieht es sie unweigerlich zurück nach Italien. „Das Zoldo-Tal ist immer eine arme Region gewesen“, sagt Rudi Brustolon mit Blick auf die Tatsache, dass so viele woanders arbeiten. Und in der Speiseeis-Produktion offenbar eine ihrer größten Chancen sehen: Rund drei Viertel der etwa 3000 italienischen Gelatieri sollen laut Internet-Enzyklopädie Wikipedia aus dem „Val di Zoldo“ oder dem ebenfalls in den Dolomiten gelegenen „Val di Cadore“ stammen.

Fabiana Fontanella ist seit 1984 in Bad Ems mit an Bord. „Meine Frau ist die Spezialistin für die Eisbecher“, sagt Rudi Brustolon, der selbst im „Eislabor“, wie er es nennt, für die Herstellung all der Köstlichkeiten zuständig ist. Das Rezept dafür, das er von seinem Vater bekommen hat, unterliegt selbstverständlich strengster Geheimhaltung. Aber, so viel stellt er klar: „Qualität muss sein.“ Und zu der gehört neben der handwerklichen Produktion unbedingt die Verwendung hochwertiger Zutaten wie zum Beispiel echter Vanille anstelle künstlicher Aromen. Apropos Vanille oder, genauer gesagt, Vanille-Eis: Der Klassiker ist und bleibt der Renner unter den gefühlt endlos vielen Sorten. Daneben gibt es natürlich immer mal wieder auch neue Kreationen. „Aber die sind in der Regel ein paar Monate lang in und werden dann nicht mehr nachgefragt“, bringen die Bad Emser Gelatieri ihre Erfahrung auf den Punkt. Nach und nach gebe er die von Generation zu Generation überlieferten Familienrezepte auch an seinen Sohn weiter, verrät Rudi Brustolon. Elia Brustolon arbeitet im Eiscafé seiner Eltern mit, während seine Schwester Dalila „aus der Art geschlagen“ ist und ihre Brötchen als Radiologin verdient.

„Wenn wir im Frühjahr aus Italien zurückkommen, spüren wir, dass sich unsere Nachbarn und Bekannten darüber freuen.“
Fabiana Fontanella

Dass die Kinder in Italien zur Schule gingen, während sie selbst in Deutschland arbeiten musste, sei nicht gerade einfach für sie gewesen, blickt Fabiana Fontanella zurück: „Aber zum Glück dauern die Sommerferien in Italien ja drei Monate. Dann konnten sie hierherkommen.“ Auch habe sie vor allem anfangs ihre vier Geschwister und die sonstige, umfangreiche Verwandtschaft vermisst, räumt sie ein. Aber: „Ich habe mich hier in Deutschland immer wohl gefühlt.“ Dasselbe gilt auch für ihren Mann, der in seiner Freizeit, wie er erzählt, beim VfL Bad Ems kickt. Als „Ausländer“ ausgegrenzt hätten sie sich jedenfalls niemals gefühlt, sagen die beiden. Im Gegenteil: „Wenn wir im Frühjahr aus Italien zurückkommen, spüren wir, dass sich unsere Nachbarn und Bekannten darüber freuen.“

Welche besonderen Ereignisse sich in all den Jahren zugetragen haben? Klar, wie alle anderen Gastronomen auch hätten sie unter der Corona-Pandemie zu leiden gehabt, und wie alle anderen hätten sie zunehmend Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden, antworten sie. Ansonsten aber sei eben alles immer weiter seinen gewohnten, unspektakulären Gang gegangen. Ein Tag in diesem Sommer wird aber schon ein bisschen spektakulär sein: Am Samstag, 28. Juni, werden die Brustolons den ganzen Tag über gemeinsam mit den Gästen ihr Jubiläum feiern. „Es wird Schätzspiele geben, bei denen man Gutscheine und andere Dinge gewinnen kann“, verrät Rudi Brustolon. Außerdem seien sowohl für die Kinder als auch für die Erwachsene kleine Überraschungen geplant. Und: „Eine neue Eissorte wird es natürlich auch geben.“

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