Von unserer Reporterin Cordula Sailer
Paul (Name von der Redaktion geändert) sitzt im zweiten Stock des lachsfarbenen Reihenhauses auf der Wipsch. Es ist das Büro der Agentur für Arbeit in Bad Ems. Der 20-Jährige hat im Frühjahr Fachabitur an einem Gymnasium im Rhein-Lahn-Kreis gemacht. An diesem Dienstag im Frühsommer hat er einen Termin bei Manuela Paki-Costa. Von der Berufsberaterin erhofft Paul sich Tipps, was er mit seinem Schulabschluss alles anfangen kann. „Ich hab ja jetzt Fachabi und wollte wissen, wie das mit dem Studieren dann klappt“, sagt der 20-Jährige.
Es gibt Abiturienten, die wissen schon lange, dass sie Medizin oder Maschinenbau studieren wollen. Aber da sind auch die anderen, die sich fragen, ob ein Studium überhaupt das Richtige für sie ist. „Leute deren Eltern nicht studiert haben, sind oft unsicher, wie so etwas läuft“, weiß Paki-Costa. Bei ihren Beratungsgesprächen versucht sie, die Interessen und Stärken der jungen Menschen auszuloten. Und oft steht der Wunsch nach einem Studium gar nicht an erster Stelle: „Bei beruflichen Gymnasien möchte ein hoher Teil der Abiturienten erst mal eine Ausbildung machen“, sagt Paki-Costa.
Berufsberaterin besucht regelmäßig Schulen im Rhein-Lahn-Kreis
Für die Arbeitsagentur Montabaur betreut die Berufsberaterin das Wilhelm-Hofmann-Gymnasium in St. Goarshausen, das Sophie-Hedwig-Gymansium in Diez, das Goethe-Gymansium in Bad Ems sowie die FOS in Katzenelnbogen. Alle paar Wochen bietet sie Sprechstunden an den Schulen an. Aber auch außerhalb dieser Zeiten sind Terminvereinbarungen möglich – wie an diesem Tag im Frühsommer. Dann kann sich die Berufsberaterin auch mehr Zeit für die Schüler nehmen.
Paki-Costa wirft einen Blick in Pauls Unterlagen. Der 20-Jährige hat den Theorieteil der Abiturprüfungen bestanden, „um an der Fachhochschule studieren zu können, brauchen Sie noch den praktischen Teil des Fachabiturs“, erklärt die Berufsberaterin. Sie schlägt ihm vor, die Praxis über ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) abzudecken: Hausmeistertätigkeiten an einer Schule kommen genauso in Frage wie die Mithilfe in einem Altenheim oder Krankenhaus. Ob Paul sich so etwas vorstellen kann, will Paki-Costa wissen. „Eher nicht“, antwortet dieser.
Manuela Paki-Costa hatte schon viele junge Menschen an ihrem Schreibtisch sitzen. „Dass einer sagt: ,Ich habe keine Ahnung, was ich werden will', kommt oft vor“, sagt sie. Doch Paul ist kein ganz so schwerer Fall. Ein FSJ schließt er zwar aus, aber der 20-Jährige hat bereits einen Test gemacht, welcher Beruf zu ihm passen könnte: Bank- sowie Sport- und Fitnesskaufmann gehören zu den Ergebnissen. „Sie könnten auch eine Ausbildung machen und hätten danach ebenfalls Zugang zur Fachhochschule“, schlägt Paki-Costa vor. Paul nickt. Bankkaufmann, das könnte er sich gut vorstellen. „Im August beginnen die Ausbildungen, da sind wir schon ziemlich spät dran bei den Banken“, erklärt die Berufsberaterin. Daher schlägt sie vor, nach weiteren Alternativen zu suchen. Paul möchte gern mit Zahlen zu tun haben, das Rechnen liegt ihm, Mathe war einer seiner Leistungskurse. „Logistik ist heute in Zeiten des Internethandels ein Riesenthema. Da müssen Sie auch gut mit Zahlen umgehen können“, erklärt Paki-Costa. Paul nickt nochmals zustimmend, und die Berufsberaterin nimmt den Ausbildungsberuf Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung in sein Profil für die Jobbörse der Arbeitsagentur auf. Auch der Industriekaufmann und der Kaufmann für Büromanagement kommen auf die Liste.
Jugendliche wissen oft nicht, was sie für Möglichkeiten haben
„Es gibt ja zurzeit so viele Berufe, da hat man als Schüler gar keinen Überblick“, gesteht Paul und ist froh über die Unterstützung. Das bestätigt Paki-Costas Erfahrung: Immer wieder kommt es vor, dass die Jugendlichen gar nicht wissen, was sie alles für Möglichkeiten haben. Kein Wunder bei den etwa 340 anerkannten Ausbildungsberufen und mehr als 9500 Bachelor-Studiengängen in Deutschland. Den Schülern, die sie betreut, rät Paki-Costa daher, „schon in der elften oder zwölften Klasse zur Berufsberatung zu kommen“.
Für den ein oder anderen tun sich dann ganz neue Möglichkeiten auf. Etwa für das Mädchen mit dem Einser-Abitur, das Pferdepflegerin werden wollte. „Jetzt studiert sie Internationales Management“, sagt Paki-Costa und lächelt.
- Wer selbst einen Termin zur Berufsberatung bei der Arbeitsagentur Montabaur vereinbaren möchte, kann dies über die kostenlose Servicenummer 0800/ 455 55 00 oder per E-Mail an montabaur.151-U25@arbeits agentur.de. Weitere Informationen zur Arbeitsagentur gibt es im Internet unter www.ku-rz.de/aamont
- Blick auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt: Ein Blick auf den Ausbildungsmarkt zeigt, dass sich bei der Agentur für Arbeit Montabaur seit vergangenen Oktober 2273 Bewerber für Lehrstellen gemeldet haben – das sind 52 mehr als im Vergleichszeitraum Oktober 2012 bis Mai 2013. Zugleich boten die Betriebe 1480 Ausbildungsstellen an – ein leichtes Minus von 28. Die Zahl der noch unversorgten Bewerber liegt bei 891 und damit um 147 unter dem Vorjahreswert. Sie wird in den nächsten Wochen und Monaten erfahrungsgemäß weiter schmelzen. Im Rhein-Lahn-Kreis sind aktuell 2814 Männer und Frauen arbeitslos gemeldet, das sind 17 Personen weniger als im April, jedoch 48 mehr als im Mai 2013. Die Quote bleibt im Monatsvergleich unverändert bei 4,4 Prozent; vor einem Jahr waren es 4,3 Prozent.Von der grundsätzlich günstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt profitieren wie immer nicht alle Personengruppen gleichermaßen.Während die Arbeitslosigkeit der Jüngeren sowohl gegenüber dem zurückliegenden Monat als auch gegenüber dem Mai 2013 zurückging, nahm sie bei den Älteren leicht zu. In der Generation U 25 werden bei einer erfreulich niedrigen Arbeitslosenquote von 2,8 Prozent aktuell 553 Personen ohne Job gezählt. In der Generation Ü 50 haben 2466 Männer und Frauen keine Beschäftigung und die Quote beträgt 4,4 Prozent.