Mehr als dicke Akten
Schüler erleben in Lahnstein, wie Justiz funktioniert 
Amtsdirektor und Richter Ludger Griesar führte die Schüler des Bad Emser Goethe-Gymnasium hinter die Kulissen des Amtsgerichts Lahnstein.
Marta Fröhlich

Dicke Akten, wenig Drama – und trotzdem spannend: Schüler des Goethe-Gymnasiums erlebten am Lahnsteiner Amtsgericht, wie wichtig Justiz sein kann. Und entdecken vielleicht ihren Beruf der Zukunft. 

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Der Charme der Justiz versteckt sich gut hinter dicken Büchern und kargem Mobiliar. Man muss sich schon Zeit nehmen, um zu verstehen, wie wichtig ein unabhängiges Gerichtssystem für die Gesellschaft ist und welche Rädchen dort ineinandergreifen. Das haben Schüler des Bad Emser Goethe-Gymnasiums jüngst selbst erfahren dürfen, als sie in der Woche der Justiz das Amtsgericht Lahnstein besuchten.

Der Zeiger auf der Uhr über den Zuschauerreihen schritt eifrig voran, und es zeichnete sich ab, dass die Verhandlung um unerlaubten Drogenbesitz, der die Neuntklässler beiwohnen durften, aufgrund ihrer Komplexität und fehlender Unterlagen heute nicht zum Abschluss kommen wird. Trotzdem befragte die Vorsitzende Richterin in gebotener Ausführlichkeit die beiden Angeklagten, rief Zeugen auf, machte sich Notizen und studierte den dicken Aktenstapel auf ihrem Pult. Staatsanwalt und Anwälte stellten reichlich Nachfragen und blätterten ihrerseits in den Akten. Auch wenn das Verfahren nicht uninteressant war, bot es den Jugendlichen vielleicht nicht jene Action, die man aus Fernsehformaten kennt. Schließlich geht es im echten Leben viel häufiger um akribische Prüfung der Vorwürfe und Tathergänge als um laute Wortgefechte und Beziehungsdramen. Und so entwich dem einen ein schwerer Seufzer, ein anderer rutschte ungeduldig auf dem harten Holzstuhl hin und her, als der Prozess sich weiter in die Länge zog.

„Die Rechtspfleger sollen die Richter entlasten und dürfen deshalb selbst über Fälle entscheiden.“
Amtsgerichtsdirektor Ludger Griesar

Justiz braucht einen langen Atem, um ihren Zweck zu erfüllen. Das war eine der Lektionen, die die Gymnasiasten von ihrem Vormittag im Gericht mitnahmen. Andererseits bietet die Justiz nicht nur Klagenden und Beklagten Gerechtigkeit, sondern ist auch „ein verlässlicher Arbeitgeber mit großen Vorteilen gegenüber anderen Branchen“. Dies betonte Ludger Griesar, der als Direktor des Amtsgerichts und Richter die Woche der Justiz nutzen will, um junge Menschen für Berufe rund ums Recht zu begeistern. Denn der Fachkräftemangel geht auch an den Gerichten nicht spurlos vorbei. „Aktuell haben wir in der Geschäftsstelle eineinhalb Stellen offen, da können wir Richter noch so schnell arbeiten. Wenn die Geschäftsstelle nicht hinterherkommt, bleiben die Sachen liegen“, so Griesar im Gespräch mit unserer Zeitung. Deshalb sei ihm wichtig, das Gericht und die Möglichkeiten, dort zu arbeiten, vorzustellen.

So zum Beispiel die Rechtspflege, die als Studiengang eine gute Alternative zum harten Jurastudium bietet, wie Marina Stein-Tesar an ihrem eigenen Werdegang erläuterte. Als Rechtspfleger ist man Beamter des gehobenen Dienstes und trifft gerichtliche Entscheidungen in eigener Verantwortung genau wie Richter. „Die Rechtspfleger sollen die Richter entlasten und dürfen deshalb selbst über Fälle entscheiden“, erläuterte der Amtsdirektor. Stein-Tesar stellte in ihrem Vortrag Ausbildung und Karrierechancen von Rechtspflegern und Justizfachwirten vor und betonte vor allem die gute Entlohnung schon während der Ausbildung. „Ich finde es aber besonders spannend, dass unser Arbeitsbereich das ganze Leben betrifft, außerdem ist der Job mit seinen Arbeitszeiten sehr familienfreundlich und sicher“, aber man müsse sich schon gern mit den Gesetzen und Akten beschäftigen, schloss die Rechtspflegerin.

Rechtspflegerin Marina Stein-Tesar stellte den Schülern verschiedene Berufe am Amtsgericht vor.
Marta Fröhlich

Etwas praktischer ist der Beruf des Gerichtsvollziehers, erläuterte Silvia Klee. „Jeder von euch hat sicher schon mal von uns gehört“, stellte sie sich vor. Als Gerichtsvollzieher sorge sie dafür, dass es zu einem gerechten Ausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner kommt. „Wir haben dabei mit den unterschiedlichsten Menschen und Sachlagen zu tun, von der Wohnungsräumung bis zur Kindesentnahme. Ich bin an drei von fünf Wochentagen im Außendienst, und auch wenn die Fälle nicht immer schön sind, macht mir der Job unheimlich Spaß“, betonte Klee. Es sei ein Job, der einen mit Sinn erfülle, „wir sind ein wichtiger Teil der Justiz, das macht mich stolz.“ Ob Griesar und sein Team unter den Bad Emser Gymnasiasten ihre neuen Kollegen gefunden haben, werden die kommenden Jahre zeigen.

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