Ihre Beobachtung teilte sie dem Naturschutzexperten umgehend mit, der wiederum in der Sache nachforschte und bald herausfand: Es war ein Versehen. Mit dem Verantwortlichen hat er sich jetzt vor Ort getroffen.
Anfang der 1990er-Jahre bereitete die Stadt den Bau der neuen Lahnbrücke auf der Koppelheck vor. Diese sollte das Nassauer Zentrum vom Durchgangsverkehr entlasten und zugleich die damals noch anstehende Erneuerung der Kettenbrücke möglich machen, ohne dass dort eine Behelfsbrücke gebaut werden musste.
Der Eingriff in den Uferbereich durch den Brückenneubau erforderte Ausgleichmaßnahmen zugunsten von Natur und Landschaft. Dazu gehört neben einem Tümpel auch ein rund 200 Meter langer und 15 bis 30 Meter breiter Streifen entlang des Ufers, auf dem vor allem Schilf wächst. „Schilf gibt es im rheinland-pfälzischen Bereich der Lahn nicht oft“, sagt Naturschutzexperte Manfred Braun. Deshalb sei das Vorkommen sehr wertvoll. Für die Koppelheck seien Vogelarten wie Teichrohrsänger, Rohrammer und Sumpfrohrsänger nachgewiesen.
Landesbetrieb Mobilität räumt Fehler ein
Zudem diente der Schilfbestand anderen Vogelarten als nächtlicher Schlafplatz. „Hier ist immer Betrieb“, sagt Manfred Braun und verdeutlicht, was er meint. 600 bis 700 Stare versammelten sich dort, rund 60 Bachstelzen und auch Mehlschwalben habe er schon zwischen Lahnwehr und Mühlbachmündung beobachten können. „Deshalb wäre es gut, wenn der Schilfbestand nicht mehr gemäht würde“, sagt er.
Der Adressat der Bitte ist seit Kurzem der Landesbetrieb Mobilität (LBM). Bis zur Heraufstufung der früheren Stadtstraße zur Bundesstraße 260 war die Stadt Nassau für die Pflege der Ausgleichsmaßnahme verantwortlich. Das ist nun anders. Weil man beim LBM zwar nun die Zuständigkeit für die Ausgleichsfläche, aber nach eigenen Angaben keine hinreichenden Informationen darüber hatte. „Bei der Aufstufung zur Bundesstraße wurden uns oder der Straßenmeisterei hierzu keine Unterlagen seitens der Stadt übergeben“, teilt Maximilian Duhr, stellvertretender Leiter des LBM Diez, auf Anfrage mit.
Auf die Intervention von Manfred Braun reagierte man beim LBM sofort. „Wir haben daraufhin diese Fläche in unseren Daten als Ausgleichsfläche aufgenommen und somit aus der künftigen Mahd herausgenommen“, so LBM-Vize Duhr. „Das Schilf kann nun wieder nachwachsen und somit seine angedachte Funktion übernehmen.“ Vor Ort hat Jürgen Ludwig von der Straßenmeisterei Bad Ems des LBM die Ausgleichsfläche mit Manfred Braun jetzt genauer in Augenschein genommen. Ludwig übernahm prompt die Verantwortung für die irrtümliche Mahd des Schilfbestands. „Das war ein Fehler von mir“, sagte er und zeigte sich erleichtert: „Es wächst zum Glück wieder nach.“
„Schilf gibt es im rheinland-pfälzischen Bereich der Lahn nicht oft.“
Manfred Braun
Unterdessen weist Manfred Braun auf weitere bestehende und kommende Probleme für den Bereich der Ausgleichsfläche hin. Der bestehende Tümpel sei außer nach Hochwasserphasen meist trocken, weil die an der Staustufe errichtete Fischumgehung direkt daneben tiefer liege und das Wasser abziehe. Außerdem rechnet Manfred Braun damit, dass der geplante Ersatzneubau des Lahnwehrs vorübergehend mit massiven Eingriffen in das Umfeld einhergehe. Erst nach dem Neubau und dem Rückbau der alten Wehranlage könne der Uferbereich wieder entsprechend hergestellt werden.
Akuter ist allerdings der Ersatz des Wehrs am wenige Kilometer lahnaufwärts gelegenen Hollerich. Dort wird der große Bestand an seltenen Würfelnattern vorübergehend seinen Lebensraum verlieren. Kürzlich in Nievern und vergangenes Jahr in Friedrichssegen wurden bereits Uferbereiche derart aufgewertet, dass sie den Anforderungen der vom Aussterben bedrohten Art besser entsprechen.
Fachleute beraten derzeit, wie die Bestände über die anstehenden Baumaßnahmen an den Lahnwehren gerettet werden können. Die seltene Schlange ist laut Manfred Braun übrigens nicht mehr nur an den genannten Schwerpunkten an der Lahn zu beobachten. „Die Würfelnatter kann schwimmen und man findet sie auch an Stellen, wo man sie zunächst nicht vermuten würde“, berichtet er beim Ortstermin am Nassauer Lahnufer.
Auf Schilfgebiete angewiesen
Vor allem der Teichrohrsänger und die Rohrammer haben ihren natürlichen Lebensraum in Schilfgebieten nahe der Gewässer. Diese aber werden laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) immer seltener. Vor allem Entwässerungsmaßnahmen, Uferverbauungen und die zunehmende Eutrophierung (Anreicherung von Nährstoffen) der Gewässer nennt der Nabu als wichtigste Ursachen. red