Zeitgleich zur Vorstellung eines Rechtsgutachtens zum Thema Bahnlärm der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn veröffentlicht die IHK Düsseldorf eine Studie, die beunruhigt: Daraus geht hervor, dass die Verkehrsströme aus den Westseehäfen Antwerpen/Brügge, Rotterdam und Amsterdam unterschätzt werden, was gravierende Folgen für die Schieneninfrastruktur und die wirtschaftliche Entwicklung der Region haben könnte.
„Die von uns beauftragte Studie zeigt, dass das Schienengüterverkehrsaufkommen aus den Seehäfen unserer westlichen Nachbarländer deutlich höher ausfallen wird als in der Verkehrsprognose 2040 des Bundes angenommen“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Während die Bundesregierung nur ein moderates Wachstum der Seeverkehre erwartet, prognostizieren Experten für Antwerpen/Brügge und Rotterdam allein bis zu zwei Drittel mehr deutschlandrelevantes Güteraufkommen. Die Bundesprognose hat dabei Auswirkungen auf den Bundesverkehrswegeplan 2040, der wiederum ist die Basis für den Ausbau der Infrastruktur und hat maßgeblichen Einfluss auf die geplanten Investitionsmaßnahmen in die Schieneninfrastruktur. „Diese reichen nicht aus, um das künftige Wachstum beim Schienengüterverkehr zu bewältigen“, heißt es in einer Pressemitteilung der IHK Düsseldorf zur Studie.
Dies lässt auch für den Mittelrhein aufhorchen. „Die Lage des Schienenverkehrs im Mittelrheintal ist seit Jahren ein zentrales Thema für die Region“, sagt Jörg Denninghoff, Landrat des Rhein-Lahn-Kreises, auf Anfrage unserer Zeitung. „Die Strecke ist bereits stark ausgelastet, insbesondere durch den Güterverkehr, der oft zu erheblichen Lärmbelastungen für die Anwohner führt. Wenn die Verkehrsprognosen aus Richtung der Westhäfen tatsächlich falsch eingeschätzt wurden, könnte das die Belastung im Mittelrheintal weiter verschärfen.“
„Die Strecke ist bereits stark ausgelastet, insbesondere durch den Güterverkehr, der oft zu erheblichen Lärmbelastungen für die Anwohner führt.“
Jörg Denninghoff, Landrat Rhein-Lahn-Kreis
Besonders kritisch sieht Denninghoff dabei die Infrastruktur: Diese sei alt und vielerorts an ihrer Kapazitätsgrenze. „Eine weitere Zunahme des Verkehrs könnte also zu mehr Verspätungen, längeren Wartezeiten an den Bahnübergängen und einer noch höheren Lärmbelastung für die Bevölkerung führen“, so der Landrat. Deshalb sei die für die kommenden Jahre geplante Sanierung der Strecke auf beiden Rheinseiten dringend notwendig. „Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass diese Bauarbeiten ebenfalls zu massiven Auswirkungen auf den Verkehr führen können“, warnt Denninghoff. Wann es in den kommenden Jahren rechtsrheinisch losgehen soll, ist dem Landrat bisher nicht bekannt. „Entscheidend wird sein, wie diese Maßnahmen mit der bestehenden Verkehrsbelastung abgestimmt werden.“
Auch linksrheinisch ist die Belastung durch den Schienenverkehr Thema. Auch wenn sich die IHK-Studie vorrangig auf das Gebiet nördlich von Köln bezieht, hält Volker Boch, Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, fest, „dass eine Erhöhung der Güterzugfrequenz im Bereich des Welterbe Oberes Mittelrheintal für die Menschen vor Ort sicherlich nur dann akzeptabel sein könnte, wenn die notwendigen Lärmschutzmaßnahmen vollumfänglich und schnellstmöglich umgesetzt werden“. Die Belastung der Menschen vor Ort sei nach wie vor sehr hoch, obwohl im Bereich der Bremstechnik in den vergangenen Jahren sehr wohl Fortschritte erzielt wurden. „Nicht ohne Grund verdeutlichen die jüngsten Studien der Bürgerinitiativen vor Ort, dass die gesundheitliche Belastung für die Menschen, die an den Bahntrassen links- und rechtsrheinisch leben, im Mittelrheintal sehr hoch ist und die Folgen für die Gesundheit der Menschen damit schwerwiegend.“ Insofern müsse alles, was im Mittelrheintal auf die Erhöhung einer Frequenz von Güterzügen ausgerichtet wird, im Einklang stehen mit einer Absenkung der Lärmbelastung und der Erschütterungsbelastung für die Menschen vor Ort. „Aus meiner Sicht wäre vielmehr ein Tempolimit im Bereich der Ortschaften zu diskutieren als eine Erhöhung der Frequenz von Güterzügen“, so Boch.
„Es gibt keine Alternative zur Schiene.“
Fabian Göttlich, IHK Koblenz
Für Fabian Göttlich, Geschäftsführer Interessenvertretung bei der IHK Koblenz, ist das Thema ein alter Hut. „Ich habe nicht den Eindruck, dass der Güterverkehr entlang des Rheins unterschätzt wird“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Schon seit ewigen Zeiten werde der Güterseeverkehr, der Richtung Süden gehen soll, über die großen Seehäfen im Norden Europas abgewickelt und weiter über die Schiene in die Südhäfen transportiert. „Die Nordhäfen Europas gelten dabei als zuverlässiger, deshalb nimmt man den Landtransport über die Schiene – eben auch durchs Mittelrheintal – in Kauf“, erklärt Göttlich, der sich lange mit der Seelogistik beschäftigt hat. Natürlich sei Bahnlärm berechtigterweise ein großes Thema im Tal, durch die Signalertüchtigung sind jetzt auch mehr Züge auf der Strecke. Jedoch hat die Bahn in der Vergangenheit seiner Meinung viele Maßnahmen getroffen, die Menschen zu entlasten. „Es gibt keine Alternative zur Schiene“, ist für Göttlich klar.