Großer Bahnhof am historischen Quellenturm in Bad Ems: Mit vereinten Kräften hievten Achim Deusner, Geschäftsführer der Staatsbad Bad Ems GmbH, Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Petra Wriedt, Planer, Architekten und andere Experten die ersten Gerüststangen in das baufällige Gebäude und markierten damit den Beginn der umfangreichen Sanierungsarbeiten.
Drei Jahre Vorbereitungen, Untersuchungen, Gutachten und Prüfungen liegen hinter dem Staatsbad-Team, ein mittlerer sechsstelliger Betrag ist allein in diese Vorarbeit geflossen. Grundlegend dabei war, zu prüfen, ob das Fundament das Bauwerk überhaupt noch tragen kann. An dieser Frage musste sich entscheiden, ob eine Sanierung des 1907/1908 errichteten Turms möglich wäre oder ob das Denkmal womöglich abgerissen werden müsste.
Sanierung erfolgt in zwei Phasen
Entsprechend gespannt nahmen Experten den mehr als 100 Jahre alten Stampfbeton, also einen durch Druckstöße verdichteten Beton, unter die Lupe. „Damals gab es noch keine verbindlichen Normen für Beton“, erklärt Architekt Alexander von Canal. Umso beeindruckender, dass das Anfang des 20. Jahrhunderts verwendete Zementgemisch den heutigen Standards entspricht. Damit war die Sache klar: Das Wahrzeichen der Stadt kann im Original stehen bleiben.
Die Sanierung wird in zwei Phasen vollzogen. „Das Wichtigste ist die Standsicherheit“, erklärt Staatsbad-Chef Deusner. von Hause aus Techniker. Deswegen wird das Bauwerk zunächst stabilisiert. Das Erste, was angegangen wird, sind die acht Stahlträger, die den Turm von innen stützen. Diese werden durch zusätzliche Stahlträger ertüchtigt, die dann die Ständerkonstruktion für die neuen Ringanker im zylindrischen Teil des Turmes bilden. Auch die Dachkonstruktion muss erneuert werden, das Mauerwerk wird vernadelt. Erst wenn das Gebäude absolut stabil ist, geht es in die zweite Sanierungsphase, in der die Maschinenkammer und die leckgeschlagenen Tanks erneuert werden.
Letztere sind die Ursache für die großen Schäden, die sich im Bauwerk zeigen. Die großen Behälter, vier liegen unterirdisch, drei weitere befinden sich im oberen Turmbau, sammeln das bis zu 45 Grad warme Thermalwasser der insgesamt vier Fassungen der Neuquelle unter dem Turm. Durch die kleinen Risse in den Tanks tritt konstant Wasser aus, dessen Dampf dem Inneren des Gebäudes zusetzt – und das binnen kürzester Zeit. So ist zum Beispiel der Anfang der 2000er-Jahre renovierte und 2016 ausgebesserte Dachstuhl schon wieder kaputt.
Wasserspiegel muss abgesenkt werden
Für die (sehr beengten) Arbeiten unter der Erde muss der Wasserspiegel abgesenkt werden. Und das wiederum kann Auswirkungen auf das Grundwasser und damit auf den Untergrund haben. Entsprechend sorgsam muss auch die Umgebungsbebauung beobachtet werden, damit sich Gebäude nicht „setzen“ und Schäden entstehen. Eine Bestandsaufnahme, teils in Kooperation mit der Deutschen Bahn, die gerade die Unterführung am Bahnhof saniert, ist für die nächsten Tage vorgesehen. Oberste Priorität hat der Schutz der Neuquelle. Dafür sind Wasserexperten des Unternehmens Hydroisotop aus Bayern am Start.
Aber die anstehenden Sanierungsarbeiten sollen nicht nur eine zukünftige Durchfeuchtung des Bauwerks und damit Schäden verhindern, sondern auch Vorbereitungen für eine energetische Nutzung des Wassers treffen, von dem dort unter dem Quellenturm stündlich 30 Kubikmeter aus dem Boden sprudeln. Das kostbare Gut soll bald mehrere große Bad Emser Gebäude beheizen, nicht zuletzt das benachbarte Statistische Landesamt und das historische Kursaalgebäude auf der gegenüberliegenden Lahnseite.
„Gerade jetzt, wo uns die Bedeutung autarker Versorgungsmöglichkeiten eindringlich vor Augen geführt wurde, ist ein energetisches Potenzial, wie wir es mit den Quellen von Bad Ems haben, von großer Bedeutung“, betonte Petra Wriedt. „Es ist deshalb Wunsch aller Beteiligten, der Staatsbad-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter, des Landes Rheinland-Pfalz und der Stadt Bad Ems, dass dieses Potenzial erschlossen wird.“
Quellenturm soll stabil und wieder schön sein
Die gesamte Maßnahme erfordert eine ganze Menge Know-how von diversen Fachleuten. „Das ist ein richtig spannendes Projekt an einem spektakulären Bauwerk, das uns auch während der Arbeiten ins Staunen versetzen wird“, ist Professor Björn Gossa vom Büro von Canal Architektur und Generalplanung BdA aus Koblenz, überzeugt. Denn anders als heute wurde damals zur Bauzeit noch nicht haarklein Buch geführt über Material, Bauart und jeden Handgriff.
„Da war viel Improvisation der Handwerker dabei.“ Außerdem ist der Turm rund, von daher grundsätzlich kompliziert, dazu ein Unikat, es gibt also kein weiteres solches Exemplar. Auch wenn man dem Gebäude in den vergangenen drei Jahren ordentlich auf den Zahn gefühlt hat, bleibt's ein Überraschungsei für die Akteure.
Staatsbadchef Deusner jedenfalls ist froh, dass er ein Experten-Team für den Quellenturm am Start hat, auch wenn er selbst mit viel Sachverstand dabei ist. Architekten, Gerüstbauer, überhaupt alle Handwerker, Wasserexperten, Denkmalschutz – hier muss alles in enger Abstimmung geschehen.
„Am Ende soll der Turm nicht nur sicher stehen, sondern auch noch schön aussehen für die Emser und ihre Gäste“, sagt Deusner schmunzelnd, wohl wissend, dass die gesamte Hülle rund um die eiffelturmartige, rein funktionale Stahlkonstruktion nur Schmuck ist und 1907/08 allein aus ästhetischen Gründen errichtet wurde. „Hätten die Leute damals einen anderen Geschmack gehabt, würden wir jetzt streichen und das wär's“, scherzt Deusner. Doch da die Ästhetik eines Eiffelturms zwar in Paris, nicht aber in Bad Ems en vogue war, investiert das Staatsbad nun vier bis fünf Millionen Euro. Zwei Jahre Bauzeit sind eingeplant.