Dicht gedrängt sitzen und stehen die Gäste am Freitagabend bei der Ausstrahlung der großen SWR-Fernsehshow „Rheinland-Pfalz feiert!“ unter dem dichten Blätterdach der Kurpark-Bäume. Den ganzen Tag haben Akteure, Stargäste und die Crew dahinter geprobt, damit bei der Live-Übertragung vom Rheinland-Pfalz-Tag in Bad Ems nichts schiefläuft.
Nicht jeder bekommt sein Make-up
Mehrere Schichten Make-up hat Moderator Martin Seidler dabei wohl herunter geschwitzt, und am Abend kommen noch einige dazu. Immer wieder wird er abgepudert. „Ich auch!“, ruft der Bad Emser Heinz Besant aus dem Publikum der Stylistin zu. Der Senior sitzt genau hinter dem zusätzlichen Bühnenpodest, auf dem die Interviews mit den mehr oder weniger prominenten Gästen geführt werden. Und das wiederum bedeutet, dass auch er live im Fernsehen zu sehen sein wird. Keine Frage, dass auch er dabei gut aussehen will. Erhört wird er aber nicht.
Doch zunächst spielt die Musik auf der großen Bühne. Große Musik eines großartigen Orchesters, das in diesem Jahr frisch in Los Angelos mit einem Grammy dekoriert wurde: die SWR Big Band. Diese hat die begehrte Musiktrophäe für den Titel „Scrapple from the apple“ abgesahnt. Ehrensache, dass dieser Song live für das Publikum im Bad Emser Kurpark und an den Fernsehbildschirmen gespielt wird.
Megahit steht Big-Band-Gewand bestens
Ehrensache auch, dass diese ausgezeichnete Kapelle einen Star wie Alice Merton kleidet, der das Big-Band-Arrangement ihres Megahits „No Roots“ ausgesprochen gut steht. Und der britische Jazz-Sänger und Pianist Anthony Strong fügt sich so nahtlos in den Sound der SWR-Musiker ein, dass man meinen könnte, er gehöre dazu.
Ins Schwelgen kommen die Gäste im Kurpark, als die ersten Takte des Pop-Klassikers „Moonlight Shadow“ durch die Boxen gleiten. Maggie Reilly ist eine Legende und hat in den vergangenen 40 Jahren im Showbusiness mit namhaften Musikern zusammengearbeitet. Mike Oldfield, mit dem die schottische Sängerin eben jenen Kultsong aufgenommen hat, ist nur einer in der langen Promi-Reihe, die über Art Garfunkel, George Harrison, Julian Lennon bis hin zu Cliff Richard und weiter reicht.
Auch ihren Megahit aus dem Jahr 1992 „Everytime we touch“ hat sie im Gepäck. Viel kürzer ist die Musikkarriere (bis jetzt) für den simbabwisch-britischen Singer-Songwriter Kelvin Jones, der mit seinem Titel „Call you home“ 2014 bekannt wurde. Die jüngeren Semester im Publikum schmelzen dahin (vielleicht nicht nur die). Auch die mit dem Deutschen Rock- und Pop-Preis 2022 ausgezeichnete Akkordeonistin Scarlett Christmann aus dem Westerwald hinterlässt tiefen Eindruck.
Überhaupt: Dass Leute von hier echtes Starpotenzial haben, zeigt sich eindrucksvoll an den Gästen, die Martin Seidler ein ums andere Mal auf der „kleinen Bühne“ empfängt. Vielversprechend: die 12-jährige Miah Bein von der Tanzfabrik Mittelrhein. Als mehrfache Deutsche Meisterin im Hiphop in verschiedenen Kategorien stand sie schon oft im Rampenlicht. In Bad Ems fegt sie gemeinsam mit ihren beiden Partnerinnen Maggie und Ricci als Trio über die Bühne – eine Show, mit der sich die Drei vor wenigen Wochen die Qualifikation für eine Weltmeisterschaft im englischen Blackpool sicherten. Kelvin Jones übrigens ergreift die Gelegenheit beim Schopf und lässt sich von der jungen Expertin gleich noch einen coolen Move beibringen.
Herkunft, sozialer Status, alles egal. Das macht meine Leute aus.
Tanzfabrik-Trainer Gabriel Hermes
Im Interview mit dem Trainer der Tanzfabrik Mittelrhein wird schnell deutlich, was hier im Zentrum steht: Nicht Leistungsdruck, sondern Spaß und gegenseitiger Respekt führen die Truppe zum Erfolg. „Jeder Mensch ist anders“, sagt Gabriel Hermes. In der Tanzfabrik dürften alle sein, wie sie sind. „Herkunft, sozialer Status, alles egal. Das macht meine Leute aus.“
Die Vorbereitungen liefen seit Monaten, viel wurde in Bad Ems über den Rheinland-Pfalz-Tag diskutiert. Und dann ist der Tag des Auftakts plötzlich da. Und die gute Stimmung nimmt auch Fahrt auf. Ein erster Rundgang über das Festivalgelände.Rundgang über das Landesfest: Wo die Meckerer keine Chance haben
„The Sky is the Limit“ ist nicht für den Trainer der Tanzfabrik an diesem Abend ein passendes Statement. Hoch hinaus geht es auch für das Vater-Sohn-Duo Nico und Ralf Niebergall aus Neuwied. Die beiden begeistern als Team Niebergall mit „Top-Gun-Aura“ Millionen von Menschen auf der ganzen Welt mit ihren außergewöhnlichen Kunstflugkünsten. In Bad Ems lassen die beiden das Publikum teilhaben am Nervenkitzel in der Luft. Das Kräfteverhältnis: „Nico ist der Chef“, sagt Vater Ralf. Doch der Sohnemann ergänzt: „Nur die 12 Minuten in der Luft. Danach nicht mehr.“
Das war ein richtig schöner Abend.
Der Bad Emser Heinz Besant
Auch der in Bad Ems lebende 3D-Künstler Edgar Müller führt seine Zuschauer über Abgründe: Auf der ganzen Welt sorgt er mit spektakulären Illusionen, die er mit handelsüblicher Abtönfarbe auf Straßen bringt, für Aufsehen. Er malt Schluchten, Krater, Gräben und erschafft so Gemälde, die man mit Füßen (be)treten soll.
Nach knapp zwei Stunden gibt’s Standing Ovations für das grandiose Orchester, alle großen und kleinen Stars und gesamte Show. „Das war ein richtig schöner Abend“, resümiert Heinz Besant. „Das hat sich doch gelohnt.“ Auch ohne extra Puderpinsel.