Aber soll es eine funktionale, alltagstaugliche Strecke für das Verkehrsmittel Fahrrad werden oder doch eher eine schöne Radelroute, die hauptsächlich den touristischen Charme des Blauen Ländchens befördert? Oder beides?
Wenn es noch offene Fragen gibt, muss man das klären.
Stadtchef Ludwig zur langen Planungszeit für den Radweg Vogtei-Nastätten
Das sind nicht die einzigen Fragen, die sich zum fahrradtauglichen Ausbau der weitgehend unberührten Naturlandschaft im Mühlbachtal stellen. Nastättens Bürgermeister Marco Ludwig listet einige der aus Sicht des Stadtrats noch zu klärenden und in der nächsten Sitzung am 19. Dezember zu diskutierenden Probleme auf.
So berücksichtige der Fachbeitrag zum Naturschutz, der eine Entscheidungsgrundlage bildet, vorrangig die „Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt, sowie weitere Schutzgüter“. Es wurden aber bei den Beschreibungen des „Eingriffs“ fast ausschließlich der Weg und die unmittelbar daran angrenzenden Bereiche betrachtet. Wie steht es aber um die Auswirkungen der späteren Nutzung auf den damit zusammenhängenden Lebensraum?
? Deshalb die Frage des Nastätter Stadtrats: Beinhaltete die Aufgabenstellung des Gutachtens auch eine Bewertung der zu erwartenden Störungen durch die „hoffentlich starke Nutzung“ nach der Inbetriebnahme für das Umfeld, oder ging es vorrangig um die Betrachtung des möglichen Radwegs an sich – als „bauliche Anlage“– und nur die damit verbundenen Störungen beim Bau?
Zum Thema Schutz der Wildtiere erklärt Ludwig: „Im Mühlbachtal gibt es nachweislich starke Vorkommen von Wildkatze, Schwarzstorch und Uhu. Warum wurde das im Fachbeitrag nicht erkannt?“ Es werde nur dargestellt, dass Vorkommen von Wildkatze oder Schwarzstorch „nicht ausgeschlossen“ werden können und die Betroffenheit dieser Tierarten als „nicht erheblich“ eingestuft. Es wird bei der Bewertung der Beeinträchtigung eine „schon bestehende Vorbelastung“ eingangs festgestellt, weil die Trasse hauptsächlich entlang bestehender Wege geführt werden soll.
?Aber, so Marco Ludwig, ist diese Aussage auch für den besonderen Abschnitt im Mühlbachtal gültig, wo zwar eine Wegeparzelle existiert, diese aber faktisch schon lange nicht genutzt wird und auch aufgrund der Beschaffenheit nicht genutzt werden kann und wo eine dort herrschende „Vorbelastung also de facto nicht gegeben“ ist?
? Welche Folgen ergeben sich für den bisherigen Lebensraum dieser seltenen Tierarten durch eine Zunahme des Radverkehrs im Tal? Ist es realistisch, dass sich diese Tierarten bei der zu erwartenden Störung andere vergleichbare Biotope in der Gemarkung als zukünftigen Lebensraum suchen und diesen auch finden?
Für welche weiteren Tierarten ergeben sich absehbar Störungen durch die stärkere Frequentierung durch Radverkehr im Tal? Werden auch die nicht betrachteten Tierarten wie das Schalenwild, Rehe, Hirsche, Wildschweine – absehbar beeinträchtigt und sind daraus negative Folgen für Wildschäden an forst- und landwirtschaftlichen Flächen zu erwarten?
? Sind die absehbaren Störungen durch Radverkehr in den Abend- oder Morgenstunden in dem Abschnitt Mühlbachtal gleichzusetzen mit „Störungen“ in einer offenen Feldflur oder sind die Auswirkungen in einem unübersichtlichen Bachtal wahrscheinlich höher als in der offenen Feldflur? Gibt es dazu Erfahrungen andernorts? Und Marco Ludwig stellt noch einmal die generelle Frage nach der grundsätzlichen Zielrichtung des Projekts: Freizeitstrecke mit touristischer Attraktivität gegen „Schnellradweg“ für den Alltagsverkehr. Freizeitstrecken lebten schließlich von ihrer Länge und nicht vom schnellen Erreichen des Ziels.
? Gibt es Erkenntnisse zu Art und Intensität der Störungen, die von relativ schnellen und geräuscharmen Radfahrern – immerhin führe die Strecken auch durch unübersichtliches Gebiet – im Vergleich zu anderen Naturnutzern, wie Wanderern auf Wanderwegen ausgehen? Und würden sich dadurch eventuell Nutzungseinschränkungen ergeben: Spezielle Uhrzeiten, an denen mit E-Bikes gefahren werden darf, oder gar eine Zulassung nur für Pedelecs, denn rechtlich würden schließlich nur Pedelecs bis 25 km/h wie Fahrräder behandelt.
Schließlich warf der Nastätter Stadtrat auch noch die Frage der Ausgleichsflächen für die Baumaßnahme auf. Der Fachbeitrag zum Naturschutz stellte fest, dass die Wegeführung entlang des Mühlbachs in Nastätten grundsätzlich möglich ist und bewertet die Planung als verträglich, allerdings „unter Berücksichtigung der noch zu konkretisierenden Ausgleichsmaßnahmen“.
? Wie soll das konkret mit den Ausgleichmaßnahmen laufen, fragt man im Rat. Wo liegen diese und ist es denkbar, dass von einer möglichen Ausgleichmaßnahme konkret jene Tiere wieder profitieren, deren Lebensraum vorher im Mühlbachtal entwertet wurde?
„Wenn es noch offene Fragen gibt, muss man das klären“, sagt Ludwig und will auch nicht zur Eile drängen. „Der Prozess war bisher schon zäh, nun werden wir ihn auch beim Aspekt Naturschutz sorgfältig betrachten.“