Projekt des Zoos Neuwied 
Rare Würfelnattern an Schleuse Hollerich ausgewildert
In einem eigens für sie angelegten Habitat wurden junge Würfelnattern an der Lahn ausgesetzt.
E. Fritsch

An der Lahn bei Seelbach kämpft eine der seltensten Schlangen Deutschlands ums Überleben. Einer ihrer letzten Rückzugsorte droht zu verschwinden – ein aufwendiges Projekt soll die Würfelnatter retten, bevor es zu spät ist.

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Die Würfelnatter ist eine Diva. Die Schlange mit dem auffälligen Schachbrettmuster hat nämlich ganz spezielle Ansprüche an ihren Lebensraum. Und dieser wird knapp, weshalb sie mittlerweile die seltenste Schlange in Deutschland ist. Weniger als 1000 erwachsene Tiere sind aktuell erfasst, nur noch drei kleine natürliche Populationen sind bekannt, eine davon an der Lahn in der Nähe der Schleuse Hollerich in Seelbach. Ausgerechnet an einem Wehr, einem menschlichen Bauwerk, findet die Schlange für sie perfekte Lebensbedingungen: ein sauberes Fließgewässer mit Flachwasserzonen und reicher Ufervegetation – und vor allem kleine Fische. Denn anders als andere Schlangen wie die Ringelnatter, die sich von Amphibien wie Fröschen ernährt, geht die wählerische Würfelnatter im Wasser auf die Jagd, am liebsten in beruhigten Fließgewässern wie an Wehren, wo Fische ihre Brut großziehen.

Doch demnächst wird es ungemütlich für die Würfelnatter an der Schleuse Hollerich, denn diese soll saniert werden, was vermutlich zu einer Verschlechterung des Lebensraums führen wird. „Also muss eine Eingriffsausgleichsregelung greifen“, erklärt Alexandra Japes, Biologin und Pressesprecherin des Zoos Neuwied, der deshalb das zuständige Wasserstraßenneubauamt bei einer Ansiedlung von Jungwürfelnattern unterstützt. Bereits im Frühjahr 2024 hat das Projektteam zwölf trächtige Schlangenweibchen an der Schleuse gefangen, im Zoo wurden drei Freilandterrarien jenseits des Zoobetriebs gebaut, in denen die Reptilien ihre Eier ablegen konnten. „Da Schlangen eh ihre Brut nach der Eiablage verlassen, konnten die zwölf Weibchen schnell wieder zurück an ihren Standort ausgesetzt werden“, berichtet Japes.

Die Würfelnattern wurden vor dem Auswildern vermessen und markiert.
E. Fritsch

Das Ausbrüten übernahm dann der Zoo, 100 Jungtiere schlüpften im vergangenen Sommer und wuchsen unter Freilandbedingungen auf. Das bedeutete auch lebende Fischfütterung. „Dürfen wir eigentlich nicht, war aber hier genehmigt und notwendig, damit die Jungschlangen das Jagen lernen“, so Japes. 68 Jungtiere schafften es schließlich durch die Überwinterung in den Freilandterrarien und wurden in einem eigens für sie angelegten Habitat in der Nähe des ursprünglichen Standorts der Schleuse ausgesetzt. „Wir haben sie mit einem Lackstift markiert, sodass wir sie bis zur Häutung noch in den kommenden Wochen beobachten können“, erklärt die Biologin. Den genauen Standort verrät sie aber nicht, „denn wir wollen, dass die Tiere sich in Ruhe einleben – auch wenn ich verstehen kann, dass Interessierte mal gucken wollen.“

Ein ganz schöner Aufwand. Warum hat man die bestehende Population nicht einfach umgesiedelt? „Würfelnattern sind extrem standorttreu. Wir könnten sie umsetzen, aber sie gehen dann einfach wieder zurück“, sagt Japes. Bei Jungtieren sei das noch nicht so stark ausgeprägt, weshalb das Auswildern gut klappt. Nun hofft das ganze Team, dass sowohl die Bestandspopulation gut durch die Arbeiten an der Schleuse durchkommt als auch die Jungtiere in ihrem neuen Lebensraum ihr Zuhause finden. Denn Lebensräume wie die Lahn werden immer seltener, weil Bäche und Flüsse von Menschen stark bearbeitet und begradigt werden. „Es fehlen die Bach- und Flussauen, die wir im Übrigen auch gut für den Hochwasserschutz gebrauchen können“, mahnt die Biologin. Außerdem nehmen die Fressfeinde zu, darunter invasive Arten wie Bisamratte oder Waschbär, aber auch die heimische Stockente, die sich gerade kleine Schlangen gern schmecken lässt.

„Selbst wir Biologen wissen noch lange nicht alles über die Auswirkungen kleinster Veränderungen.“
Biologin Alexandra Japes über die Zusammenhänge in Ökosystemen

Dabei habe jede heimische Art ihre Funktion im Ökosystem, erklärt die Biologin. „Würfelnattern fressen zum Beispiel vorwiegend kleine und langsame, auch kranke Fische, halten also die Fischpopulation fit und gesund. Wir müssen vor allem bei den Akteuren, die über die Gestaltung unserer Landschaft entscheiden, das Bewusstsein dafür schärfen, dass Klima- und Artenschutz für das Gleichgewicht unserer Ökosysteme wichtig sind. Alles hängt mit allem zusammen. Selbst wir Biologen wissen noch lange nicht alles über die Auswirkungen kleinster Veränderungen.“

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