Die 268. Obernhofer Vollmondnacht entführte das Publikum diesmal nach Sibirien. Erzählt wurde diesmal das russische Märchen „Die wunderschöne Wassilissa und die Geister im Birkenwald“. Es erinnert sehr an das Märchen Aschenputtel. Musikalisch begleitet wurde der Abend von der bekannten Cellistin Elena Gaponenko, dem Pianisten Michael Reuter und der Sopranistin Annette Müller, die zusammen mit Michael Reuter das Duo mülleRReuter bildet. Der Text wurde von Gaby Fischer und Mike Maisack vorgetragen.
Zum Auftakt spielten Reuter und Gaponenko ein Stück von Pjotr Iljitsch Tschaikowski mit dem Titel Pezzo Capriccioso. Es ist ein schwermütiges und trauriges Lied, dass den Zuhörer ein wenig an alte Schwarz-Weiß-Filme erinnert. Auch das zweite Musikstück stammte von einem russischen Komponisten. Die „Vocalisen“ von Sergei Rachmaninow sind melancholisch und schwer. In der Mitte wird es etwas stürmisch und aufwühlend, bevor das Lied ruhig und gemächlich zu Ende geht. Beide Lieder passen gut zum Beginn des Märchens. Denn die Mutter der schönen Wassilissa ist unheilbar krank. Bevor sie stirbt, vermacht sie ihrer Tochter ein Püppchen, das ihr von einer Fee zur Taufe geschenkt wurde. „Wenn Unheil über dich hereinbricht, was wohl geschehen wird, dann gib dem Püppchen etwas zu essen und frage es um Rat“, sagt die Mutter zu Wassilissa.
Der Unterschied zwischen den Stiefschwestern vergrößerte sich
Wassilissas Vater ist ein Kaufmann und deswegen ständig auf Reisen. Also heiratet er erneut, damit seine Tochter nicht alleine ist und eine Mutter hat. Die Stiefmutter hat zwei eigene Töchter, die sie in die Ehe mitbringt. Doch leider ist die Stiefmutter auf Wassilissa eifersüchtig, weil sie schöner ist als ihre eigenen Töchter. Deswegen schikaniert sie das Mädchen und lässt sie schwere Arbeit verrichten. Diese Arbeit hätte Wassilissa aber nicht ohne die Hilfe ihres Püppchen bewältigen können. Also gibt sie ihr etwas zu essen und klagt ihr ihr Leid. Das Püppchen antwortet:“ Geh zu Bett Wassilissa und schlafe friedlich. Am Morgen sieht alles ganz anders aus.“ Als Wassilissa am nächsten Morgen aufwacht, ist die ganze Hausarbeit erledigt.
Je älter sie wurde, desto größer wurde der Unterschied zu ihren Stiefschwestern, die immer hässlicher und dicker wurden, weil sie nur faul herumsaßen und alles in sich hineinstopften. Als ihre Töchter fast erwachsen waren, hielt die Stiefmutter Ausschau nach passenden Bewerbern. Aber kein junger Mann würdigte die beiden Stiefschwestern auch nur eines Blickes. Sie hatten nur Augen für Wassilissa. Eines Abends gab die Stiefmutter allen drei Mädchen eine Arbeit, die sie erledigen sollten, bevor sie zu Bett gehen durften. Eine sollte spitzen häkeln, einem soll Strümpfe stricken und Wassilissa sollte spinnen. Als Lichtquelle diente nur eine Kerze. Als die Kerze ausging, wurde Wassilissa als jüngste Tochter des Hauses auserkoren, bei der fürchterlichen Hexe Baba Yaga eine Kerze auszuleihen. Die Stiefschwestern hatten gehofft, dass die Hexe Wassilissa auffressen würde. Wie bei Aschenputtel wendet sich am Ende auch für Wassilissa alles zum Guten.

Ihre Stiefmutter und die Stiefschwestern werden aus dem Haus vertrieben. Wassilissa findet eine freundliche und gutherzige alte Frau, die sich ihrer annimmt und sich um sie kümmert. Am Ende verliebt sich der Zar von Russland in Wassilissa und heiratet sie. Als der Vater von seiner Geschäftsreise zurückkommt, findet er eine gut versorgte und glückliche Tochter vor.
Text und Musik wurden abwechselnd vorgetragen, begleitet vom Gesang der Sopranistin Annette Müller. Die Musikstücke waren passend zu den Textpassagen ausgesucht worden. Mal war es hell und freundlich, mal voller Hoffnung und erwartungsvoll, wie der aufgehende Tag. Elena Gaponenko und Michael Reuter spielten auch Stücke von spanischen und deutschen Komponisten, wie Brahms und Beethoven. Die nächste Obernhofer Vollmondnacht findet am Donnerstag, 12. Juni, um 19 Uhr statt. An diesem Abend geht es um heitere Jagdgeschichten, musikalisch begleitet von den Jagdhornbläsern Rhein-Lahn.