Grund genug für 16 Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Johannes-Gymnasiums in Lahnstein, sich innerhalb einer Projektwoche intensiver mit dem Judentum in Deutschland zu beschäftigen. Darüber berichtet die Schule.
Unter der Leitung von Schulleiter Rudolf Loch besuchte die Gruppe zunächst zusammen mit dem Lahnsteiner Stadtarchivar Bernd Geil den jüdischen Friedhof in Lahnstein. Geil führte die Gruppe auch zum Wohngebäude der ehemaligen Synagoge in Lahnstein. „Ich finde es als Lahnsteiner Schülerin sehr peinlich, dass es keine Gedenktafel an diesem Wohngebäude in Erinnerung an die ehemalige Synagoge gibt“ – so die Schülerin Dana Raue. Hier möchte die Gruppe auch beim Lahnsteiner Stadtrat nachhaken, ob dieser bedauerliche Zustand nicht geändert werden könne. Aktiv wurden dann die Schüler in der anschließenden Stolpersteinaktion.
Man stolpert nicht
„Uns fiel nämlich auf, dass die Stolpersteine nicht den gewünschten Effekt haben: Man stolpert nicht über sie“, zeigten sich die Schüler überzeugt. Als Lösung versahen sie zusätzlich jeden gesäuberten Stein mit einer laminierten Biografie der einzelnen Opfer sowie einer Rose. „Schon kurze Zeit darauf wurden die Stolpersteine vermehrt von Passanten wahrgenommen.“
Auch während der Aktion sei man darauf angesprochen worden und erhielt viel Zustimmung. „Für uns war es dann auch sehr hilfreich, dass wir nach der Stolpersteinaktion eine Ausstellung zu ausgewählten Opferbiografien konzipiert haben. Dadurch haben wir uns noch mal intensiver mit dem Schicksal der jüdischen Bürger Lahnsteins beschäftigt.“ Die Ausstellung soll künftig in der Schule einen festen Platz erhalten. „Wir haben gemerkt, dass es wichtig ist, die Erinnerungen zu bewahren, und dass dies mit einfachen Mitteln zu erreichen ist.“
Bekannte Treppe gestiftet
Maximilien Koeth befasste sich intensiv mit der Biografie des Ehepaars Emil und Johanna Baer. Emil Baer (geboren am 12. April 1876 in Oberlahnstein) war seit 1903 verheiratet mit Johanna Marx (geboren am 6. Juli 1873 in Trier). Er war ein angesehener Kaufmann. In Friedrichssegen betrieb er einen Schrotthandel. 1914 stiftete er die Baerenbrücke im Weiertal, die seither seinen Namen trägt. Zuletzt war er Vorsteher der jüdischen Kultusgemeinde.
Emils Familie wohnte in der Villa neben dem Krankenhaus, Ostallee 11. Im Februar 1939 mussten sie in das „Judenhaus“ Martinstraße 2 umziehen. Sowohl er als auch seine Frau und seine Schwester Minna wurden 1941 nach Friedrichssegen ausquartiert, später deportiert und in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet.
Während er in Sachsenhausen angeblich durch Freitod am 16. Oktober 1941 starb, wurde seine Frau Johanna Baer am 1. September 1942 nach Terezin und am 29. September 1942 weiter nach Treblinka deportiert. Parallel zu dieser Aktion arbeitete eine Teilgruppe an einem Kunstwerk, ein großes Friedensbild (Maße: 2,40 x 1,60 m) zum Frieden zwischen den Weltreligionen. „Unser Friedensbild“ – ein Triptychon – zeigt die unterschiedlichen Facetten des Zusammenlebens der drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam.
Abraham im Zentrum
Auf der linken Seite sieht man das Leid der zahllosen Menschen während der Shoah, welche unter Ausgrenzung, Feindlichkeit und Gewalt leiden mussten. Im Zentrum des Triptychons steht der Stammvater Abraham, in dem die drei Weltreligionen ihre Wurzel sehen. Dennoch stehen sich diese in der Vergangenheit und leider auch noch heutzutage vor allem in Konflikten gegenüber. Trotz aller Auseinandersetzungen erheben jedoch alle Weltreligionen den Anspruch, Frieden zu stiften und Werte wie Nächstenliebe und Menschlichkeit zu vermitteln. Genau dieses Potenzial, welches es auszuschöpfen gilt, wird im rechten Teil des Friedensbildes verkörpert.
„Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten.“ (Jesaja 11,6) Grundlage für Frieden ist es, sich gegenseitig „die Hand zu geben“, aufeinander zuzugehen und sich zu respektieren, zeigt sich die Schulgemeinschaft überzeugt. „Es kommt nicht darauf an, welchen Glauben man vertritt oder welche Sprache man spricht, sondern fern von Vorurteilen voneinander zu lernen, Unterschiede zu akzeptieren und anderen Menschen in Liebe zu begegnen.“ Mit dem nun geschaffenen Friedensbild wolle man genau diese Botschaft vermitteln, ohne dass die grausamen Ereignisse der Vergangenheit in Vergessenheit geraten.
Exkursion ins Jüdische Museum
Sehr beeindruckt war die Projektgruppe im Rahmen einer Exkursion vom Jüdischen Museum in Frankfurt, das mit sehr modernen digitalen Medien und interessanten Exponaten einen tiefen Einblick in die jüdische Stadtgeschichte Frankfurts ermöglicht. Zum Abschluss der Projektwoche bereitete die Gruppe eine Frühschicht zum Thema vor. Frühmorgens nahmen rund 80 Schüler, Lehrkräfte und Eltern im Schulpastoralraum des Johnnys unter Leitung von Pfarrer Armin Sturm am Gottesdienst teil, indem auch das Friedensbild enthüllt wurde.
„Durch die informationsreiche Woche ist uns bewusst geworden, dass das Judentum nicht nur einfach eine andere Religion ist, sondern dass es für viele Menschen ein großer Teil ihres Lebens ist und hinter jeder persönlichen Geschichte ein noch persönlicheres Leben steckt, welches es wert ist, erzählt und gehört zu werden“, so Schulleiter Loch abschließend. red