Runder Tisch scheitert
Probleme für ein „sicheres Limburg“
Polizeipräsident Felix Paschek (links) und Limburgs Erster Stadtrat Michael Stanke unterzeichnen im März 2024 den Zehn-Punkte-Plan „für ein sicheres Limburg“.
Stadt Limburg/Johannes Laubach

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das gilt auch für einen von der Stadt Limburg und der Polizei gewollten „Runden Tisch“ zur Bekämpfung von Jugendkriminalität.

Im März 2024 haben sich die Polizei und die Stadt Limburg auf einen Zehn-Punkte-Plan „für ein sicheres Limburg“ verständigt. In einer gemeinsamen Pressemitteilung war damals davon die Rede, dass „die Bekämpfung der Jugendkriminalität ein wichtiges Anliegen des Zehn-Punkte-Plans“ sei. Um diesem Phänomen besser begegnen zu können, war auch die Einrichtung eines Runden Tisches mit Vertretern von Polizei, Stadt und dem Landkreis Limburg-Weilburg vereinbart worden, „um Intensivstraftäter stärker und erfolgreicher in den Blick zu nehmen“.

Doch bei einem Pressegespräch im Dezember 2024 musste Limburgs Erster Stadtrat Michael Stanke (CDU) auf Nachfrage dieser Zeitung einräumen, dass ein solcher „Runder Tisch“ nicht in der gewünschten Form zustande gekommen sei, und zwar, wie schon in der Vergangenheit, mit dem gleichen Argument: Der Landkreis verweise auf Probleme mit dem Datenschutzrecht.

Unter Punkt 6 („Intensivtäter“) des Zehn-Punkte-Plans heißt es: „Konkret werden wir einen Runden Tisch unter Federführung der Stadt Limburg und Beteiligung der Dext Fachstelle LM-WEL, des Ausländerbeirats, der Ausländerbehörde, der Polizei Limburg, der Migrationsbeauftragten und des PMK-Beauftragten des Polizeipräsidiums Westhessen initiieren.“ Bei der Abkürzung Dext handelt es sich um die beim Amt für Jugend, Schule und Familie (Jugendamt beim Landkreis) angesiedelte Fachstelle für Demokratieförderung und phänomenübergreifende Extremismusprävention; auch die Ausländerbehörde ist beim Landkreis angesiedelt.

Klar geregelte Zuständigkeiten

Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt nun der Sprecher des Landkreises, Jan Kieserg, angesichts klar geregelter Zuständigkeiten „ist es höchst befremdlich, wenn sich die Stadt Limburg in einer Vereinbarung mit dem Polizeipräsidium Westhessen auf Maßnahmen und Organisationsanpassungen verständigt, die nicht in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich liegen“. Das beim Landkreis angesiedelte Jugendamt sei weder in die Erarbeitung des Zehn-Punkte-Programms noch „in die hier scheinbar angestellten Überlegungen für ein ,Jugendrechtskonzept’ einbezogen“ worden.

In Abstimmung mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten seien seitens des Jugendamtes zwischenzeitlich „konstruktive Wege“ aufgezeigt worden, „wie ein datenschutzkonformer Austausch von Informationen, Auskünften oder Akten zwischen Dienststellen der Kreisverwaltung und der Polizeidirektion im Rahmen von Strafverfahren ermöglicht werden kann“. „Einzelfallbezogene Fallkonferenzen“, um die es bei dem „Runden Tisch“ gehen soll, müssten jedoch durch die Staatsanwaltschaft initiiert werden, sofern diese „nötig“ sein sollten. „Die Stadt Limburg spielt in diesem Kontext keine Rolle“, teilt der Sprecher mit.

Behördenübergreifende Zusammenarbeit

Unter Punkt 5 („Bekämpfung der Jugendkriminalität“) heißt es im Zehn-Punkte-Programm von Stadt und Polizei: „Gerade jugendliche Intensivtäter beeinträchtigen die Sicherheit im öffentlichen Raum erheblich.“ Langfristig beabsichtigten deshalb die Stadt Limburg und die Polizei, „die effektive Bekämpfung von Jugendkriminalität durch intensivierte Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe über ein gemeinsames Jugendrechtskonzept“. Der Sprecher des Landkreises betont ausdrücklich, die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz sei „eine klassische Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe und zählt zum Verantwortungsbereich des Landkreises“. Die Stadt Limburg verfüge jedoch weder über ein Jugendamt noch über eine Stelle, die „Jugendgerichtshilfe“ leiste.

Nach Angaben des Sprechers des Landkreises sei bei einer grundsätzlich möglichen „behördenübergreifende Zusammenarbeit“ wie zum Beispiel einem „Runden Tisch“ immer zu unterscheiden in eine „fallübergreifende“ und eine „fallbezogene“ Zusammenarbeit. „Fallübergreifend“ gebe es bereits eine solche Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, die allerdings von Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten initiiert werden müsse. Weitaus schwieriger zu beurteilen sind nach seinen Angaben jedoch „fallbezogene Konferenzen“, und um die geht es bei dem von Stadt und Polizei im Zehn-Punkte-Programm benannten „Runden Tisch“.

In einer Zusammenkunft zwischen der Polizeidirektion Limburg-Weilburg, der Stadt Limburg und dem Jugendamt sei darüber am 27. Mai 2024 gesprochen worden. Im Rahmen von „fallbezogenen Konferenzen“ könnten nicht die für alle Stellen jeweils maßgebenden Vorschriften „außer Kraft gesetzt werden“. Und dazu zählten nun einmal unter anderem die „Reglementierungen zum Sozialdatenschutz“, die für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe im Sozialgesetzbuch festgelegt sei und an die das Jugendamt selbstverständlich gebunden sei.

Bereits 2023 war ein „Runder Tisch“ gefordert worden

Der Erste Stadtrat Michael Stanke (CDU) hatte sich im August 2023 gegenüber dieser Zeitung zu einem „Runden Tisch“ mit Vertretern von Polizei, Stadt und Landkreis geäußert: „Wir hatten bereits einen solchen Arbeitskreis, aber der ergibt nur Sinn, wenn dort alle Beteiligten über alles offen reden können. Das war zumindest in der Vergangenheit bei den Vertretern der Sozial- und Arbeitsbehörden nicht der Fall, die sich auf den Datenschutz berufen haben.“ Alle zuständigen Behörden müssten ihr Wissen austauschen. „In vielen Fällen geht es um junge Erwachsene im Alter von 18, 19, zwar mit Migrationshintergrund, aber oftmals mit deutscher Staatsangehörigkeit, und die Koordinierung der vielen Hilfsangebote“, hatte Stanke damals gesagt. Auch der heimische Kriminalwissenschaftler Gerhard Schmelz aus Runkel hatte sich ebenfalls im August 2023 im Gespräch mit dieser Zeitung für einen „Runden Tisch“ ausgesprochen.

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