Mercedes flog 50 Meter weit
Polizei ermittelt wegen illegalem Rennen in Limburg
Ein schwer beschädigtes Auto liegt auf einem Parkdeck. Nach Angaben der Polizei soll es zuvor ein mutmaßlich illegales Straßenrennen gegeben haben, bei dem das Fahrzeug in einer Kurve von der Straße abkam und auf dem Parkdeck landete. Drei junge Erwachsene erlitten schwere Verletzungen.
Mike Seeboth. Mike Seeboth/dpa

Ein illegales Straßenrennen in Limburg endete Anfang der Woche mit einem spektakulären Unfall: Ein Mercedes flog 50 Meter weit und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Die Polizei ermittelt. Es ist nicht der erste Fall von Raserei in der Stadt.

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Der Grünstreifen an der B 8/B 49 ist völlig umgepflügt, die Leitplanke nur noch Altmetall. Dann kommen 30 bis 50 Meter Luftlinie bis zum neuen Parkdeck am Altenheim „Felizitas“ – und jede Menge Fragen. Wie kann denn das passieren? Ist der Mercedes AMG geflogen? Mit welcher Geschwindigkeit steuerte der Fahrer auf die Gegenfahrbahn? Nutzte er ungebremst den Hang als Schanze? In jedem Fall nahm er dann noch ein Gartenhaus mit, rasierte offenbar einige Bäume, um auf dem Beton zu landen. Und alle drei Insassen sind noch am Leben… Es bestehe keine Lebensgefahr mehr, teilte ein Polizeisprecher am Dienstagmittag mit.

Klar ist: Ein mutmaßlich illegales Straßenrennen in der Nacht auf Dienstag hat für drei junge Erwachsene mit schweren Verletzungen geendet. Laut Polizei waren sie gegen 1.45 Uhr von der Meil (B 49) aus in Richtung Limburger Innenstadt unterwegs – und das mit weit überhöhter Geschwindigkeit (schon vor der Auffahrt zur A 3 gilt Tempo 70).

Eine Schneise der Verwüstung

In Höhe der Abfahrt zur Straße „Im Ansper“, die nur stadtauswärts befahren werden kann, kam das Fahrzeug in einer Rechtskurve, kurz vor der Lichfield-Brücke, nach links ab und überfuhr den Fahrbahntrenner, die Gegenfahrbahn und schoss im Anschluss eine Böschung hinauf. Durch die hohe Geschwindigkeit wurde der Mercedes über einen schmalen Zubringer und eine dahinterliegende Betonmauer von rund 2,5 Metern Höhe katapultiert. Der Wagen flog mehrere Meter durch die Luft, zerstörte eine Holzhütte, trennte eine Baumkrone und blieb im Anschluss nach gut 50 Metern auf dem Dach des Parkdecks liegen, wobei der Motor aus dem Fahrzeug herausgerissen wurde und mehrere Meter neben der Unfallstelle liegen blieb. Mehrere auf dem Parkdeck stehende Fahrzeuge wurden durch herumfliegende Trümmer beschädigt.

Auf der Wiese an der Abfahrt der B 8/B 49 zur Straße „Im Ansper“ sind die Spuren noch deutlich zu sehen. Die Böschung wurde quasi zur Sprungschanze für den Mercedes.
Uwe Röndigs

Alle drei Insassen mussten anschließend von den Einsatzkräften der Feuerwehr geborgen werden. Der 22-jährige Fahrer aus dem Rhein-Lahn-Kreis wurde schwer verletzt mit einem Rettungshubschrauber nach Gießen ins Krankenhaus geflogen. Der 22-jährige Beifahrer und eine 20-jährige Mitfahrerin – beide aus dem Kreis Limburg-Weilburg – wurden ebenfalls schwer verletzt in Krankenhäuser eingeliefert. Ein Zeuge des Unfalls erlitt einen Schock.

Staatsanwaltschaft ermittelt und schaltet Gutachter ein

Da das Auto mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, geht die Polizei von der Beteiligung an einem illegalen Straßenrennen aus. Hinweise auf ein weiteres beteiligtes Fahrzeug gebe es nicht. Für den Tatbestand eines Kraftfahrzeugrennens reicht das rücksichtslose und grob fahrlässige Fahren eines Autos, um jenseits eines Tempolimits „eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“, heißt es dazu im Strafgesetzbuch. Die Staatsanwaltschaft Limburg zog einen Gutachter hinzu und übernimmt die Ermittlungen.

Im Einsatz waren neben 25 Kräften der Limburger Feuerwehr auch Einsatzkräfte der Feuerwehr Dietkirchen, die den Landeplatz des Rettungshubschraubers absicherten und ausleuchteten. Nachdem der Gutachter den Unfall aufgenommen hatte, mussten die vielen herumgeflogenen Autoteile aufgelesen werden, die zum Teil auch auf der Zufahrt „Im Ansper“ lagen. „So etwas habe ich noch nicht gesehen“, bilanzierte einer der Feuerwehrmänner.

Ortsvorsteher fordert Polizei zum Handeln auf

Dabei sind nächtliche Straßenrennen und Fahren mit unkontrollierter Geschwindigkeit in Limburg längst keine Einzelfälle mehr. Darauf hatte Anfang des Jahres bereits der Ortsvorsteher Limburg Kernstadt, Sascha Schermert, im Interview mit dieser Zeitung hingewiesen. „Das habe ich schon oft selbst erlebt. Das geht meist so gegen 23 oder 0 Uhr los, da wird auf bis zu gefühlt 150 km/h beschleunigt und auch mal bei Rot über die Ampel gerast. Besonders beliebt sind die geraden Strecken auf der Zeppelinstraße in Blumenrod, in der Ste.-Foy-Straße und auf der Schiede. Hier erwarte ich dringend Lösungsvorschläge von der Polizei. Es muss viel mehr kontrolliert werden“, war Schermerts Forderung. Die Polizei berichtet seit zwei Jahren vermehrt über solche Vorfälle.

Beispiele für Raserei in Limburg

Nur einige Beispiele: Anfang März zum Beispiel meldete sich ein Zeuge gegen 21.30 Uhr beim Polizeinotruf und gab an, dass zwei „hochmotorisierte Fahrzeuge mit stark überhöhter Geschwindigkeit“ die Brüsseler Straße im ICE-Gebiet unterwegs seien. Eine Funkstreife konnte eines der Fahrzeuge, einen violetten BMW M240, anhalten. Das Fahrzeug war mit zwei jungen Frauen im Alter von 22 und 21 Jahren besetzt. Gegen die 22-jährige Fahrerin aus Rheinland-Pfalz wurde ein Strafverfahren eingeleitet.

Auch Rennen mit der Polizei fallen in diese gefährliche Kategorie. Ende Januar flüchtete ein Fahrer, als er von einer Streife kontrolliert werden sollte. Kurze Zeit später konnte das Fahrzeug doch gestellt werden. Einen plausiblen Grund für ihre Flucht konnten die drei Männer nicht geben. Gegen den Fahrer wurde wegen des Verdachts des illegalen Straßenrennens ermittelt. Erst am vergangenen Sonntag versuchte ein Motorradfahrer der Polizei davonzurasen. Ohne Chance allerdings.

In einem anderen Fall hatten zwei Möchtegern-Rennfahrer das Pech, dass in Höhe des Kinos in der Dr.-Wolff-Straße eine Polizeistreife parkte. Als die beiden getunten Autos kurz hintereinander vorbeirauschten, nahmen die Beamten mit Martinshorn und Blaulicht die Verfolgung auf und stoppten die Raser an der roten Ampel zur B 49. Das Rennen war damit beendet.

Mehrere Verurteilungen in den vergangenen Monaten

Was das rechtlich bedeutet, zeigen Fälle, die vor dem Amtsgericht in Limburg gelandet sind. So wurde ein Angehöriger der Limburger Tuning-und Poser-Szene im vergangenen November zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung verurteilt. Am Tattag fuhr der damals knapp 21-Jährige mit seinem über 300 PS starken BMW 240i vom ICE-Bahnhof in Richtung Innenstadt los, als er an der Ampelkreuzung zur B 8 von einem getunten VW Golf überholt wurde, dem er sich sogleich auf die Fersen machte. Hinter der nächsten Ampel beschleunigten beide Fahrzeuge stark, rasten mit hohem Tempo in die Stadt und mit ohrenbetäubendem Lärm durch den Tunnel weiter auf der Schiede in Richtung Lichfield-Brücke. Bei ihm kam allerdings noch eine Körperverletzung hinzu.

Erst Anfang des Monats waren zudem zwei junge Raser zu Geldstrafen und Führerscheinentzug verurteilt worden. Die 23 und 27 Jahre alten Männer hatten sich auf der B 8 vom ICE-Gebiet aus ein Rennen in Richtung Innenstadt geliefert – mit einem Mercedes S 63 AMG mit 585 PS und ein BMW M6 mit 560 PS. Mit mehr als 100 km/h waren sie innerorts unterwegs.

Und sie sind offenbar nicht alleine, was die Probleme mit der Geschwindigkeit angeht: Ende April kontrollierten mehrere Beamte den Straßenverkehr auf der Schiede in Richtung Innenstadt und stellten mehrere massive Verstöße fest: Insgesamt 15 Fahrerinnen und Fahrer überschritten die zulässige Geschwindigkeit von 40 km/h. Erschreckend war die Messung von drei Fahrzeugen: Diese waren mit 111 km/h, 104 km/h und 94 km/h unterwegs.

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