Der Grund: Mit dem Verlauf der offiziellen Einwohnerversammlung in der vergangenen Woche war nicht nur er unzufrieden. Dass in der Bevölkerung noch Redebedarf zum Thema besteht, wurde überdeutlich.
Etwa 40 Teilnehmer harrten mehr als anderthalb Stunden unter freiem Himmel aus, während die Temperaturen sich dem Gefrierpunkt näherten. Auch der Stadtbürgermeister, sein Erster Beigeordneter und Ratsmitglieder aller Fraktionen wohnten der Veranstaltung bei und hörten sich die Sorgen und Bedenken der Bürger an.
Initiator Stefan Schaefer machte gleich zu Beginn deutlich, dass er als Privatmann und Einwohner des Ortsteils zur – ordentlich angemeldeten – Versammlung eingeladen habe, nicht als Ratsmitglied. „Ich lasse mich nicht vor den Karren spannen“, sagte er. „Ich bin gegen das Hospiz an diesem Standort.“ Der „schnelle Ablauf“ des angestoßenen Verfahrens vermittle den Eindruck, als würden die Bedenken, die Bürger vorgetragen haben, nicht ernst genommen.
Der Ablauf der Einwohnerversammlung in der Stadthalle, zu der vergangene Woche rund 60 Menschen gekommen waren, hat diesen Eindruck offenbar verstärkt, wie einige Wortmeldungen nahelegten. Kritisiert wurde nicht nur die rigide Beschränkung auf eine Frage und eine Nachfrage pro Wortmeldung, was von manchem Scheuerner Bürger als Bevormundung empfunden wurde. Auch mit der Auswahl der Experten auf dem Podium zeigten sich einige unzufrieden.
Auf wenig Gegenliebe stieß beispielsweise, dass der für den Förderverein tätige Planer Mathias Uhle sowohl die Bedenken der Bürger im Zuge der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit bewertet und durchweg entkräftet als auch in der Einwohnerversammlung in der Stadthalle vielfach auf die Fragen der Bürger geantwortet hatte. Offenbar hätte man in dieser Rolle lieber einen unbeteiligten Fachmann gesehen.
Stadtbürgermeister Manuel Liguori stellte fest, dass es den Menschen im Ortsteil offensichtlich nicht um das Hospiz als solches geht, sondern um die bereits seit Längerem angespannte Situation in Scheuern. In den Köpfen vieler Menschen sei der Eindruck fest verankert, dass der Ortsteil von der Stadt lange vergessen oder vernachlässigt wurde, meinte er. Mehrere Bürger bestätigten das mit ihren Aussagen.
Die Feststellung, dass im Ortsteil in der Vergangenheit vielfach „über die Köpfe der Bürger hinweg“ Entscheidungen getroffen und Fakten geschaffen worden seien, gab es gleich mehrmals. „Man tut so, als würde der Ortsteil drei, vier Institutionen oder Firmen gehören, und der Rest wird als Bewohnerschaft nur geduldet“, formulierte es ein Teilnehmer der Versammlung. Ein anderer sagte: „Es gibt ein gewisses Misstrauen in Scheuern gegenüber den Entscheidungsträgern der Stadt.“
Grundsätzlich neue Aspekte, die aus Sicht mancher Scheuerner gegen das Hospiz in der Mühlbachaue sprechen, wurden am Mittwochabend nicht vorgebracht. Die als untragbar bezeichnete Verkehrsbelastung, das ungelöste Problem der Viehtrift als Feldweg, der wie selbstverständlich von Lastwagen, Bussen und Autos genutzt wird und auch Zufahrt für das Hospiz wäre, die Versiegelung der Wiesenfläche sowie die Hochwassergefahr wurden erwähnt.
„Viele ungeklärte Fragen“
„Es gibt so viele ungeklärte Fragen, die den Bürgern auf der Seele brennen, und die Menschen haben das Gefühl, dass es niemanden so richtig interessiert“, sagte eine junge Frau, die auch deutlich machte, dass das Hospiz als solches nicht infrage gestellt werde. „Es geht allein um diesen Standort“, sagte sie.
Dass das Thema viele Menschen umtreibe, zeige schon die hohe Beteiligung an diesem Abend sowie an der Versammlung in der Stadthalle. „Für die Zukunft der Alten Schule engagieren sich nicht einmal im Ansatz so viele Leute“, sagte sie. Keine Erwähnung fand hingegen die Nähe des möglichen Hospiz-Standorts zur Kindertagesstätte. Offenbar waren entsprechende Bedenken durch Hinweise auf die positive Meinung von Kitaleitung, Kollegium und Elternbeirat überzeugend gewesen.
Stadtbürgermeister Manuel Liguori versicherte den Anwesenden, dass ihm Transparenz und die Beteiligung der Bürger wichtig sei. Ratsmitglied Paul Schoor untermauerte die Aussage mit einem Hinweis darauf, dass sich der Rat für eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit entschieden habe. So könne man sich bereits jetzt mit den vielfältigen Aspekten auseinandersetzen. Die Offenlage der Planungen inklusive der Möglichkeit, Anregungen und Bedenken vorzubringen, sei in einem normalen Bebauungsplanverfahren erst später vorgesehen.
„Das Verfahren, das wir gewählt haben, ist positiv zu sehen. Wir wollen nichts durchpeitschen“, sagte Stadtoberhaupt Manuel Liguori und betonte, dass in der Ratssitzung am kommenden Dienstag, 12. Dezember, nicht darüber entschieden werde, ob das Hospiz in Scheuern gebaut werde oder nicht. Vielmehr gehe es um die Frage, ob das Bebauungsplanverfahren fortgesetzt werde. „Das Projekt kann dann immer noch scheitern“, so Liguori.
Der Erste Beigeordnete Ulrich Pebler wies darauf hin, dass der Hospizverein im nächsten Schritt eine verfeinerte Planung vorlegen müsse, zu der dann wiederum Behörden und Bürger Stellungsnahmen abgeben können. Erst danach, so Liguori, sei irgendwann der Punkt gekommen, an dem der Rat entscheiden müsse, ob er das Hospiz an dieser Stelle wolle oder nicht. „In dieser Entscheidung sei jedes Ratsmitglied völlig frei“, sagte Liguori. Die offene Aussprache vor der Alten Schule schuf die Möglichkeit, die ein oder andere Frage detaillierter zu erörtern, als es vor Wochenfrist in der Stadthalle möglich war.
Stadtbürgermeister und Erster Beigeordneter stellten klar, dass die Stadt Nassau in der Angelegenheit Hospiz nicht der Initiator sei. „Es ist kein Projekt der Stadt“, sagt er. Auf Initiative des Hospizfördervereins habe man als Kommune lediglich einige Grundstücke oder bestehende Gebäude vorgeschlagen, die vom Förderverein geprüft wurden. Keine der Liegenschaften – inklusive der früheren Kita am Bachbergweg – sei aus Sicht des Vereins für ein stationäres Hospiz geeignet. Nachdem der Hospizverein daraufhin mit einem Standort im benachbarten Dienethal geplant habe, sei das Thema für Nassau zunächst nicht mehr aktuell gewesen.
Von Dienethal habe der Verein nicht zuletzt wegen Auflagen der Kreisverwaltung wieder Abstand genommen und sei dann mit dem Standort in Scheuern im Sinn erneut auf die Stadt Nassau zugekommen. „Die Stadt kann nichts dafür, wenn ein Vorhabenträger sich den Zugriff auf Grundeigentum sichert und, mit der Absicht dort zu bauen, auf sie zukommt“, sagte der Erste Beigeordnete Ulrich Pebler. Die Vertreter der Stadt stellten auch klar, dass der Kommune keine Kosten durch die Planung oder die Gutachten, die im Verlauf des Verfahrens angefertigt werden, entstehen.
Verlauf stimmt zufrieden
Nach gut anderthalb Stunden zogen Stefan Schaefer und Manuel Liguori ein insgesamt positives Fazit des Abends. „Ich finde die Diskussion gut“, sagte der Stadtbürgermeister. Es sei wichtig, dass man zu einem besseren Miteinander komme, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen sei.
Initiator Stefan Schaefer dankte Liguori und Pebler sowie den Ratsmitgliedern, dass sie sich die Bedenken der Scheuerner Bürger angehört hatten. Er hoffe, dass die Fraktionen noch einmal intensiv beraten, nachdem sie vor Ort einen Eindruck bekommen haben. Er habe zu der Versammlung aus eigenem Antrieb eingeladen, weil er für den Ortsteil brenne.
„Ich habe Angst, dass es zu einer Polarisierung kommt und die noch intakte Dorfgemeinschaft Schaden nimmt“, sagte Schaefer.