Pflege hat immer zwei Seiten: die des Gepflegten und die des Pflegenden. Für die Gepflegten hält das System vielfältige Versorgungsangebote bereit, auch wenn dabei viele Hürden genommen werden müssen. Genau diese Hürden müssen aber auch die Angehörigen nehmen, die dann selbst zu Pflegenden werden. Das weiß auch Melanie Büschkes zu berichten, die mit der Pflegebedürftigkeit ihres eigenen Kindes zunächst in ein tiefes Loch fiel. „Mein Leben hat sich komplett geändert und ich wusste ehrlich gesagt damals auch nicht, wo ich überhaupt anfangen soll. Ich fühlte mich alleingelassen“, berichtet die Sozialarbeiterin. Heute berät Büschkes am Pflegestützpunkt Loreley-Nastätten Menschen rund um das Thema Pflege und war sofort Feuer und Flamme, als sie vom geplanten Infotag für pflegende Angehörige in ihrer Region hörte. „Mit der Idee eines Infotags im Raum Nastätten wandte sich Sylvia Wawrzinski-Schmidt von der Pflegeselbsthilfe Rheinland-Pfalz an uns. Da war ich sofort dabei. Schließlich wollen wir allen Menschen Hilfestellung bieten, die sich mit dem Thema Pflege beschäftigen müssen“, so Büschkes.
So organisierten sie und Wawrzinski-Schmidt gemeinsam mit Benjamin Engel vom Deutschen Roten Kreuz und Elvira Pikullik, Gemeindeschwester Plus in der Verbandsgemeinde Loreley, und der Unterstützung der VG Nastätten eine Infoveranstaltung am 30. Mai, 14 bis 18 Uhr, im Bürgerhaus Miehlen. Auf dem Programm stehen Fachvorträge zur Pflege und zur Pflegeselbsthilfe, darüber hinaus können Besucher an Infoständen vieler Akteure rund um Pflege und Gesundheit wie zum Beispiel dem Deutschen Roten Kreuz, den Demenz Netzwerken Rhein-Lahn, dem Pflegestützpunkt Loreley-Nastätten und verschiedenen Betreuungsdiensten Wissenswertes zum Thema erfahren. Das Ziel der Veranstaltung soll auch die Gründung einer Selbsthilfegruppe pflegender Angehöriger sein, denn so eine fehlt bisher im Kreis. „Wir haben Selbsthilfegruppen für bestimmte Krankheitsbilder wie Demenz, aber noch keine speziell für pflegende Angehörige. Dabei ist Pflege schon lange kein gesellschaftliches Randthema mehr. 6 Millionen Menschen werden in Deutschland gepflegt, 84 Prozent davon zu Hause“, erzählt Gemeindeschwester Pikullik, die seit Jahrzehnten in der Pflege tätig ist.

Das Statistische Landesamt hat im Jahr 2023 im Rhein-Lahn-Kreis 8057 Pflegebedürftige erfasst. Doch die Dunkelziffer wird ungleich höher sein, denn in der Statistik werden allein Menschen geführt, die Leistungen wie Pflegegeld erhalten oder von Pflegediensten versorgt werden. „Deutlich mehr Menschen werden bereits zu Hause gepflegt, noch bevor sie eine Pflegestufe beantragen und so in irgendeiner Statistik auftauchen“, ist Pikullik überzeugt. „Pflege ist dabei schon lange nicht mehr nur ein Seniorenthema. Immer mehr Menschen müssen gepflegt werden, darunter auch Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen, aber auch Kinder. Und Pflege kann auch zur Belastung werden. Das sehe ich in meiner täglichen Arbeit“, sagt sie.
Denn mit der Aufgabe, einen Angehörigen zu pflegen, kommen psychische, seelische und körperliche Belastungen auf die Pflegenden zu, die häufig zur Selbstaufgabe und Isolation führen. Schon lange gibt es keine früher selbstverständlichen Strukturen mehr, wie Pflege im großen Familienverbund mit mehreren Generationen unter einem Dach geleistet werden kann. Deshalb sei es enorm hilfreich zu hören, welchen Weg andere bereits gegangen sind, wie man diese Aufgabe bewältigen kann und wo man Entlastung findet. „Und Entlastung beginnt nicht erst, wenn der Pflegedienst ins Haus kommt. Schon allein Ideen zu bekommen, wo man überhaupt anfangen soll, sich Hilfe zu holen, welche Entlastungsangebote es überhaupt gibt, das kann schon eine enorme Hilfe sein. Wir zeigen Angebote auf, auch wenn noch kein Pflegegrad vorliegt“, betont Büschkes.
Entlastung auch ohne Pflegegrad
Dabei geht es bereits beim Thema Vorsorgevollmachten und Verfügungen los, berichtet auch Benjamin Engel, Bereichsleiter Sozialer Service beim DRK Mittelrhein und mit im Orgateam des Infostages in Miehlen. Auch Netzwerke wie die Netten Nachbarn oder andere Entlastungsangebote sollen bekannt gemacht werden – ein umfangreiches Programm zu allen Facetten der Pflege soll geboten werden. Gerade weil alle Beteiligten in ihrem Arbeitsalltag deutlich spüren, wie viel Rede- und Entlastungsbedarf bei den Pflegenden besteht, freuen sie sich sehr darauf, viele Kräfte beim Infotag bündeln zu können – der Eintritt ist frei.
Besucher, die Unterstützung bei der Betreuung eines Angehörigen während der Veranstaltung vor Ort oder zu Hause benötigen, können sich an Benjamin Engel vom Deutschen Roten Kreuz wenden, Tel. 06772/9681477, E-Mail an benjamin.engel@drk-mittelrhein.de