Grund war eine Erkrankung eines Zugverkehrssteuerers, der speziell für das Stellwerk in Oberlahnstein geschult ist und nicht ohne Weiteres ersetzt werden konnte. Doch als Berufspendlerin sind solche Zugausfälle, die Bettina Harleb nach eigener Schilderung seit fast zwei Jahren fast täglich erlebt, so nicht zu akzeptieren, wenngleich ihr nichts anderes übrig bleibe, als sie schlussendlich hinzunehmen.
Keine Ausnahme
Den Eindruck, dass Zugausfälle auf der rechten Rheinseite keine Ausnahme sind, bestätigt in Teilen auch Thorsten Müller, Verbandsdirektor SPNV-Nord, und lobt gleichzeitig den Einsatz seitens Vias, Lösungen zu finden: „In den letzten Wochen hatten wir schon sehr häufig Ausfälle auf der rechten Rheinseite, weil in Frankfurt in der Betriebszentrale der DB InfraGO Personale nicht die Arbeit machen.
Irgendwie hat es ganz oft die verbleibende Mannschaft bei DB InfraGO hinbekommen, die Ausfälle zu reduzieren und den Nahverkehr doch noch fahren zu lassen. Auch dank der sehr intensiven Arbeit der Vias ist bislang viel Schaden von den Fahrgästen ferngeblieben. Jetzt hat das eben nicht mehr funktioniert.“ Am Freitag sei Vias chancenlos gewesen: „Das Problem liegt eindeutig bei der DB. Dort fehlen aus welchen Gründen auch immer zu viele Personale im Betriebsdienst, also besonders als Fahrdienstleiter auf einem Stellwerk. Die Gründe scheinen vielfältig zu sein und müssen dort schnell gelöst werden“, fordert Müller namens der SPNV-Nord.
Busnotverkehr eingerichtet
Rund 5000 bis 6000 Personen seien am Freitag von den Zugausfällen betroffen gewesen, schätzt Vias auf Nachfrage unserer Zeitung. „Seitens Vias wurde kurzfristig Busnotverkehr eingerichtet, der circa im Stundentakt verkehrte“, teilte ein Pressesprecher mit. Doch dieser „war für mich weder am Bahnsteig noch auf der Bahn-App erkennbar“, berichtet Harleb von ihrer Erfahrung. Zudem sei es ihr erst gegen 8.10 gelungen, jemanden telefonisch bei DB-Regio zu erreichen, der sie über den eingerichteten Schienenersatzverkehr informieren konnte, „bei der Vias-Rheingaulinie ertönte jedes Mal der Satz: ,Dieser Anschluss ist zurzeit nicht erreichbar'.“
Schienenersatzverkehr hätte für Bettina Harleb bedeutet, mit dem Bus zum St. Goarshäuser Bahnhof, von dort weiter zur Fähre zu fahren, die Rheinseite zu wechseln, um dann mit der Bahn nach Koblenz zu fahren. Für die Strecke Kamp-Bornhofen braucht Harleb normalerweise 26 Minuten, der durch den Schienenersatzverkehr um 114 Minuten angewachsen wäre, wie sie vorrechnet. „Ganz zu schweigen, dass ich mehrere Züge Richtung Bonn nicht erreicht hätte“, wo sich ihr Arbeitsplatz befindet.
Angespannte Personallage
So oder so ähnlich wie Bettina Harleb dürfte es mehr Menschen am Freitag ergangen sein. Als Gründe nennt die Deutsche Bahn auf Nachfrage eine angespannte Personallage im Stellwerk Oberlahnstein. „Bei den Mitarbeitenden in den Stellwerken handelt es sich um hoch spezialisierte Fachkräfte, die kurzfristig schwer ersetzbar sind.“
„Der Hebel eines ausfallenden Mitarbeiters auf einem Stellwerk am rechten Rhein ist riesengroß: Allein im Nahverkehr fahren dann keine Züge, und für Tausende von Menschen bricht in der Zeit ihre Mobilität zusammen“, beschreibt auch Thorsten Müller die Konsequenzen. Mit Hochdruck werde laut einer Bahn-Specherin an der Aufrüstung der personellen Ausstattung gearbeitet, doch auch die Deutsche Bahn spüre, „dass der Fachkräftemangel stetig zunimmt und wir uns weiter für den zunehmenden demografischen Wandel aufstellen müssen“.
Für Bettina Harleb ein schwacher Trost: „Es ist durchaus ein positives Fazit, dass am besagten Freitag nur wenige Schüler verspätet zur Schule gekommen sind, jedoch lasse ich es als Entschuldigung oder eingerichteten Schienenersatzverkehr nicht gelten.“ Für sie ist es nur „eine fade Ausrede, dass kein Personal zur Verfügung gestanden habe. Der angebliche Fachkräftemangel oder Personalmangel kann und sollte nicht für jegliche Unfähigkeit eingesetzt werden“, formuliert sie drastisch. Auch Thorsten Müller sieht den daraus entstanden wirtschaftlichen Schaden sicher als „sehr hoch und übersteigt den wirtschaftlichen Schaden für die Vias, weil der Zug nicht fahren konnte, bei Weitem“.