Eine kuriose Szene spielt sich ab: Ein Mann, rund drei Meter groß, läuft etwas steifbeinig einem Jungen hinterher und ruft: „Du Halunke, na warte“. Der Junge lacht und rennt ihm einfach davon. Der Langbeinige stellt die Verfolgung ein, keine Chance. Viele andere stehen um ihn herum und schauen dem Treiben amüsiert zu. Der Mann ist Novio, einer der Charaktere, in die der Künstler Markus Mohr regelmäßig schlüpft und dem seine langen Stelzen zu einer gehobenen Aufmerksamkeit verhelfen. Am Ostermontag ist Novio eine von vielen Attraktionen auf dem Loreley-Felsen hoch über dem Rhein: Denn dort finden seit Samstag das Ritterturnier und der Ostermarkt Loreley St. Goarshausen statt.

Mehrere Tausend Besucherinnen und Besucher drängen sich verteilt auf drei Tage um die vielen bunten Buden aus Holz und Zeltstoff auf der Veranstaltungsfläche. Über allem weht schon kurz nach Beginn täglich um 11 Uhr der Geruch von Feuerholz und deftigen Speisen. Die mehr als 50 Ausstellenden bieten alles, was man auf einem gut sortierten Markt im Mittelalter auch gefunden hätte – und wohl noch etwas mehr: Neben ausgefallenem Essen wie „Wildbratwurst im Stockbrot“ auch viele vegetarische und vegane Speisen, vor allem Kunsthandwerk, Holzgeschirr, Seife und Gewänder.

Zwischen Gewandung und Kostüm oder Verkleidung ist unbedingt zu unterscheiden, betont Finn Groschwitz vom Veranstalter-Team. Denn wer sich „der damaligen Zeit entsprechend“ kleidet, erhält 5 Euro Rabatt auf das Eintrittsticket. Beim Mittelalter-Spektakel auf der Loreley sind es traditionell besonders viele, die diesem Angebot folgen und in mittelalterlicher Tracht den Ostermarkt erkunden. „Die Veranstaltung gibt es schon seit 15 bis 20 Jahren“, schätzt Groschwitz, der als „Marktmeister“ und Veranstaltungsleiter der Hauptansprechpartner der Organisatoren vor Ort ist.
Hinter dem Mittelaltermarkt steht die Veranstaltungsgesellschaft „Sündenfrei“, die pro Jahr zwischen 50 und 60 solcher oder ähnlicher Events in ganz Deutschland organisiert. Was den Markt auf dem Loreley-Felsen von allen anderen abhebt, ist das Panorama, unterstreicht der Marktmeister: „So eine Aussicht hat man sonst nirgends. Das beliebteste Fotomotiv hier auf dem Markt ist daher sicher auch das Bild in schöner Gewandung am Aussichtspunkt ins Tal hinunter.“ Viele Urlauber, die ohnehin in der Gegend seien, nutzten die Veranstaltung für einen Tagesausflug – als angenehm empfindet Groschwitz die mittlere Größe des Markts, der wegen der örtlichen Gegebenheiten ohnehin auch nicht mehr größer werden könne.

Einen großen Anteil unter den Besucherinnen und Besuchern machen Kinder aus. Anders als die Erwachsenen zieht es sie oft weniger zu den Fress- und Verkaufsbuden oder zur Bühne, auf der mit Laute, Leier und Fidel Mittelalter-Musik reproduziert wird, sondern eher zu den Ständen, an denen sie selbst aktiv werden können: Bogenschießen, Axtwerfen und Hau-den-Lukas sind die beliebten Klassiker. Aber auch das Wikinger-Karussell steht selten still. Und beim „Sterntaler“ wird die Geschicklichkeit besonders gefordert: Hier geht es darum, horizontal eine Strickleiter entlang zu klettern. Wer das über die gesamte Länge schafft und die Glocke am anderen Ende läutet, kann sich über den Hauptgewinn freuen: einen Golddukaten mit einem Goldwert von immerhin 30 Euro in moderner Währung.

Was alle Markt-Besucherinnen und -Besucher, groß wie klein, wohl gleichermaßen anzieht, ist das große Ritterturnier, das täglich zwei Mal auf der Turnierbahn stattfindet: Im Mittelalter „Tjost“ genannt, reiten hier zwei Ritter auf Pferden aufeinander zu, Lanzen im Arm und versuchen, sich gegenseitig aus dem Sattel zu stoßen. Auf der Loreley kracht es dann auch gewaltig. Aber natürlich sind Ross und Reiter bestens trainiert und alles findet unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt, damit das Spektakel auch wirklich ein reines Spektakel bleibt.