Seit seiner Nominierung Mitte Mai ist Will online in den Sozialen Medien aktiv, zuletzt ließ die Pandemielage aber auch vermehrt den direkten Kontakt zur Bevölkerung zu, zum Beispiel an Wahlständen. „Bisher habe ich sehr viel Zuspruch und große Offenheit erfahren“, bilanziert Will, für den im Rennen um den Chefsessel im Rathaus zunächst vor allem eines zählt: Er muss seinen Bekanntheitsgrad trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie erhöhen.
Der gebürtige Koblenzer verbrachte seine Jugendzeit in Lahnstein, machte hier 1999 am Johannes-Gymnasium auch sein Abitur. Danach folgten Jahre der Wanderschaft: Nach dem Wehrdienst in Koblenz studierte Will in Köln Politikwissenschaften und Geschichte. Dem Magisterabschluss schloss sich eine Promotion in Geschichte an, dann einige Jahre als Dozent und Verwaltungsangestellter an verschiedenen Hochschulen in Köln, Karlsruhe und Koblenz sowie kurzzeitig in den USA und Taiwan. 2013 zogen Will und seine Ehefrau wieder ans Rhein-Lahn-Eck. Und nun will er Lahnsteins erster sozialdemokratischer Oberbürgermeister werden.
Ganz aus dem Sinn war die Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Lahn freilich nie, versichert der Kandidat. „Denn natürlich war ich oft meine Eltern besuchen, Lahnstein hab ich niemals aus den Augen verloren“, erklärt er. Die Jahre in der Ferne, die akademische Ausbildung und die letzten Jahre als Teamleiter im Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft – diesen großen Erfahrungsschatz sieht er als einen Vorteil im Hinblick auf die Aufgaben eines Oberbürgermeisters. „Ich konnte Erfahrungen in den unterschiedlichsten Bereichen sammeln und glaube, dieser Blick von außen kann nur von Vorteil sein“, findet Will. Denn: Trotz sozialdemokratischer Wurzeln – Will erhielt seinerzeit ein Stipendium der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung – weist der dreifache Familienvater eben nicht die „klassische“ Politiker-Vita vor. „Ich glaube, Amt und Stadt werden davon profitieren, dass ich eben nicht von klein auf die Politkarriere im Blick hatte.“ Will fühlt sich gerüstet fürs Amt, notwendige Führungs- und Verwaltungserfahrung seien vorhanden.
Die Stadt habe sich seit seiner Jugend gar nicht so großartig geändert, findet der Sozialdemokrat und wiederholt einen Satz, der schon bei seiner Nominierung für Aufregung beim politischen Gegner gesorgt hat. „In der letzten Dekade ist wenig geschehen, Lahnstein braucht Aufbruch.“ Damit habe er aber nicht per se die Arbeit von Verwaltung und (ehrenamtlichem) Rat infrage gestellt, präzisiert Will. „Aber ich glaube, bei einigen Themen hätte ein wenig mehr Dynamik und Zielstrebigkeit seitens der Verwaltungsspitze nicht geschadet.“
Als Teamleiter von mehr als 30 Mitarbeitern im Bildungswerk sei vor allem eines gefragt – Kommunikation. „Und diese Kommunikationsfähigkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die man auch als Oberbürgermeister braucht“, zeigt Will sich überzeugt. Seit der Nominierung Mitte Mai war er, obwohl durch Job und Bau des Eigenheimes doppelt belastet, unterwegs im Stadtgebiet, hat Leute kennengelernt, das Gespräch mit den Bürgern gesucht, auch mit Ehrenamtlern, Vereinsvorsitzenden. In den kommenden Wochen soll dieser direkte Kontakt intensiviert werden, „mir ist es wichtig, die Sorgen und Nöte der Lahnsteiner zu kennen“. Schon jetzt hätten sich zahlreiche Themen aufgetan, an denen sich die Bürger wirklich störten. Diese will er im Wahlkampf thematisieren, einige Kernthemen sind für ihn gesetzt. Darunter:
Eine ausbalancierte Verkehrswende: „Denn die Entwicklung des Verkehrs in Lahnstein gehört sicher zu den wichtigsten Aufgaben eines Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung“, erklärt Will. Auf diesem Gebiet sei in Lahnstein noch vieles zu tun. „Das beginnt schon mit der Sanierung der großen B 42-Brücke. Die Stadt muss – in engem Dialog mit Land und Bund – Sorge dafür tragen, die zu erwartenden Einschränkungen im Rahmen des Erträglichen zu halten.“ Als OB werde er daher „hartnäckig und lösungsorientiert das Gespräch mit dem Landesbetrieb Mobilität suchen“. Auch das Projekt Entlastungsstraße müsse endlich vorangebracht werden, fordert der Kandidat. Darüber werde schon seit Jahrzehnten in Lahnstein diskutiert. Wills Kritik: „Die alte Führung der Stadtverwaltung ist dieses Thema jedoch nie konsequent angegangen, obwohl die Mittel vom Land bereits bereitgestellt sind.“ Mittlerweile würden aufgrund der langen Verzögerung höhere Kosten erwartet, was die Umsetzung des Projekts nicht leichter mache.
Mit dem Bau der Straße müsse die Erstellung einer Fußgängerbrücke sowie eines Kreisverkehrs an der Kreuzung Brückenstraße/Frankenstraße einhergehen, fordert Will. Auch für die Anbindung des Rheinquartiers sei eine Fußgänger- und Radbrücke über die Schienen am ehemaligen Bauhof Süd sinnvoll. Mit einiger Planung und Gesprächen mit anliegenden Unternehmen, so Wills Überzeugung, „mag es sogar möglich und sinnvoll sein, den Schwerlastverkehr vom Überflieger Niederlahnstein bis zur Kreuzung Brückenstraße/Frankenstraße einzuschränken oder gar komplett über die B 42 und Lahnstein Süd umzuleiten“.
Ein weiteres Thema, das Will angehen möchte, sind die Radwege: „Wer sich mit dem Fahrrad durch unsere Stadt bewegt, der braucht Mut“, sagt der Sozialdemokrat. „Es gibt relativ wenige Radwege und nahezu keine, die man sich nicht mit Autos teilen muss.“ Aber: Das Leben für Fahrradfahrende leichter zu machen, bedeute nicht, es für Fußgänger und Autofahrer schwerer zu machen. „Wir müssen eine Balance zwischen allen Verkehrsteilnehmenden schaffen.“ Hier will er über neue Ideen und moderne Konzepte diskutieren und diese mittelfristig umsetzen. Ein Beispiel: „Wir brauchen da, wo es möglich ist, exklusive Radwege“, fordert Will, der außerdem prüfen will, „welche Einbahnstraßen für den Radverkehr in beide Richtungen geöffnet werden könnten“. Die von der SPD seit Jahren geforderte Lahnquerung sei ebenfalls wichtig, betont der 41-Jährige. „Das wäre eine große Errungenschaft für die ganze Stadt und darüber hinaus.“
Letzter Punkt beim Thema Räder: „Es wäre hilfreich, wenn wir in Lahnstein mehr Abstellmöglichkeiten für Räder hätten.“ Dies sei im Stadtrat bereits positiv besprochen worden und werde gern von ihm aufgegriffen. Auf diese Weise mache man das Fahrrad auch für Erledigungen attraktiver.