Nun also doch: Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Lahnstein hat der Forderung der Aufsicht- und Dienstleistungsdirektion in Trier (ADD) nachgegeben und eine Erhöhung der Grundsteuer B zugestimmt: Bei einer Gegenstimme entschied der Ausschuss, getrennte Hebesätze einzuführen und „aufkommensneutrale Sätze“ zu verabschieden: Demnach gilt für Wohngrundstücke in diesem Jahr ein Satz von 650 Prozent, für Gewerbegrundstücke 1250 Prozent. Hintergrund ist, dass am 1. Januar 2025 in ganz Deutschland neue Bewertungsregeln für die Grundsteuer A und B wirksam wurden. Die ADD verlangte von den Kommunen, dass diese zu einem ungefähr gleichen Aufkommen führen wie 2024. Sollte der Stadtrat diese Entscheidung bestätigen, wäre dies erreicht. Für diesen Fall hat die ADD eine Haushaltsgenehmigung in Aussicht erstellt. Ein Druckmittel, das wirkte. Doch leicht tat sich der Hauptausschuss mit dieser Entscheidung nicht.
OB prognostizierte im Januar, dass der ADD ablehnen werde
Rückblick: In einer turbulenten Stadtratssitzung Mitte Januar verabschiedete eine Mehrheit von CDU, FBL, SPD und FDP einen Haushaltsplan, der im Ergebnishaushalt einen Jahresfehlbetrag von 3,97 Millionen Euro hat. Das 500 Seiten starke Zahlenwerk umfasste auch eine neue Hebesatzsatzung, die nach der bundesweiten Grundsteuerreform notwendig geworden war. Um die geforderte Aufkommensneutralität zu erreichen, schlug die Verwaltung mit Oberbürgermeister Lennart Siefert an der Spitze vor, die Grundsteuer B auf 990 Punkte zu erhöhen. Der Aufschrei im Rat war groß. Doch nur auf diese Weise, so die Warnung des Stadtchefs damals, werde die ADD den Haushalt genehmigen. Eine Ratsmehrheit (nur die Unabhängige Liste stimmte dagegen) beschloss, den alten Hebesatz von 540 beizubehalten. Mitte März reagierte die ADD, lehnte den Haushalt der Stadt zwar nicht direkt ab, drängte aber deutlich auf eine Anpassung der Hebesätze für die Grundsteuer B: Ein Satz von mindestens 765 Punkten sei notwendig, um zumindest aufkommensneutral zu sein. Andernfalls, so die mehr als deutliche Drohung der Behörde, werde der Haushalt trotz sonstiger Sparbemühungen des Rates abgelehnt.
Ärger über Drohungen der ADD ist groß
So also die Ausgangssituation vor der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses. „Um die Handlungsfähigkeit im Rest des Haushaltsjahres sicherzustellen“, empfahl die Verwaltung hier, dem Drängen nachzugeben. „Die ADD verlangt größtmögliche Anstrengungen zum Haushaltsausgleich“, berichtete OB Siefert von den Gesprächen mit der ADD. Die geplante Beibehaltung des alten Hebesatzes werde von der Aufsichtsbehörde als Steuererleichterung bewertet, zitierte er aus den Gesprächen. „Und eine solche lehnt man aufgrund unseres Haushaltsdefizits ab.“ Mit dem Minus in Millionenhöhe verstoße man gegen geltendes Recht. „So bekommen wir unseren Haushalt nicht genehmigt“, appellierte Siefert und bat darum, Einigkeit zu zeigen und die ADD-Forderungen zu erfüllen.
An der recht unverhohlenen Drohung der Behörde aus Trier störte sich nicht nur die CDU um Fraktionschef Günter Groß. „Die ADD sollte lieber mal schauen, wie unzureichend die Kommunen finanziell ausgestattet sind“, kritisierte dieser. Seine Fraktion lehne es ab, an der Steuerschraube zu drehen, vielmehr sehe man noch andere Einsparmöglichkeiten: Als Beispiel nannte er den Ausbau der Parkraumbewirtschaftung und die Streichung von Projekten. In vorgelagerter nicht öffentlicher Sitzung hatte die CDU unter anderem vorgeschlagenen, die Stelle des künstlerischen Theaterleiters zu streichen, genau wie den Nikolausmarkt. CDU-Chef Groß störte sich auch an den schwammigen Formulierungen der ADD. „Wenn diese meint, wir müssen die Grundsteuer erhöhen, dann soll sie uns das auch genauso mitteilen.“ Stattdessen setze die ADD dem Rat die Pistole auf die Brust, „und wir sollen dies bei der Bevölkerung dann ausbaden“.
SPD besteht auf getrennten Hebesätzen
Der Oberbürgermeister machte deutlich, dass jegliche Einsparungen nicht zur Genehmigung führen werden, „denn die ADD verlangt grundsätzlich die Aufkommensneutralität von Kommunen, die ein Haushaltsdefizit haben“. Auch die anderen Fraktionen hatten an dieser Lesart keine Zweifel. „Wir stehen in der Pflicht, uns zusammenzureißen, um einen genehmigten Haushalt zu bekommen“, erklärte Perry Metten-Golly, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Allerdings werde die SPD nur einem getrennten Hebesatz zustimmen, der einen Unterschied zwischen Gewerbe- und Privatgrundstücken mache. „Ansonsten wird es sozial ungerecht“, so Metten-Golly. Stefanie Muno-Meier von der ULL erklärte, es bereite niemandem Freude, die Grundsteuer zu erhöhen. „Aber wir haben von Anfang an für die Aufkommensneutralität plädiert, weil klar war, dass die ADD ablehnt.“ Muno-Meier schloss sich der SPD an, dass es nun sehr schnell gehen müsse, „denn wir dürfen hier keinen Stillststand haben“.
Grünen für Erhöhung, aber nicht in dieser Höhe
Projektstau, Ende freiwilliger Leistungen und, und, und – trotz der Drohkulisse eines abgelehnten Haushaltes mochte Fraktionschefin Jutta Niel für die Grünen nicht der vorgeschlagenen Erhöhung zustimmen. „Wir sind der Meinung, an vielen Stellen noch einsparen zu können, würden die Grundsteuer auch moderat anheben. Aber nicht auf diese Höhen“, kündigte Niel an. Im Zweifelsfall müsse man auch das Risiko eingehen, dass die ADD ablehne.
FBL-Fraktionschef Reiner Burkard sprach von „Erpressung durch die ADD“, letztlich sei doch wichtig, dass Geld eingespart werde, „wie, sollte egal sein“. Dennoch „kommen wir heute nicht eher nach Hause, bis wir eine Lösung haben“. Die FBL könne mit den gesplitteten Sätzen von 650 und 1250 „leben“, wie Burkard erklärte. Doch auch in Zukunft drohten Konflikte mit der Behörde, „denn ein ausgeglichener Haushalt in den nächsten Jahren ist illusorisch“.
Auch Sascha Weinbach, FDP-Fraktionsvorsitzender, sah es pragmatisch. „Wir sollten es jetzt in Gottes Namen wie gefordert machen. Dennoch müssen wir bei den Haushaltsberatungen für 2026 alle Positionen ganz genau beleuchten – und auch Streichungen anpacken.“ Andreas Birtel (CDU) kritisierte „eine fast absurde“ Situation: „Die ADD will Einsparungen nicht nehmen, aber Steuern“, so Birtel. Auch Fraktionschef Groß mochte das nicht akzeptieren „Was bitte machen wir denn im nächsten Jahr? Die Spirale geht immer weiter, deshalb tun wir uns so schwer.“
Nach einer Sitzungsunterbrechung samt Hintergrundgesprächen wurde schließlich abgestimmt: Jutta Niel (Grüne) stimmte mit Nein, die CDU-Ausschussmitglieder enthielten sich – und eine Mehrheit verabschiedete den Haushaltsplan mit den geforderten Hebesätzen. Außerdem soll aus dem Ausschuss eine Gruppe gebildet werden, welche die Haushaltsberatungen für 2026 vorbereitet. Der Stadtrat muss diese Entscheidungen Ende des Monats bestätigen. Hier dürften die Diskussionen neu aufflammen.