Die Scham ist oft groß
Neue Strategie der Polizei gegen „Schockanrufe“
Die Anrufer setzen die Opfer unter Schock und nehmen sie aus.
Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Kriminellen geling es immer wieder, mit sogenannten „Schockanrufen“ größere Geldsummen einzusacken. Opfer der Betrugsmasche schweigen oft aus Scham. Mit einer neuen Strategie möchte die Limburger Polizei daher dieser Entwicklung etwas entgegensetzen.

Bei „Schockanrufen“ geht es um möglichst viel Geld, das jemand mit einer Räuberpistole einsacken möchte. Vor allem ältere Menschen werden mit solchen Anrufen konfrontiert. Jemand gibt sich am Telefon als „Enkel“ aus, der sofort Geld braucht, oder als „Polizist“, der vor einem angeblichen Bankeinbruch warnt und das dort gelagerte Vermögen sofort „in Sicherheit“ bringen will, oder ein vermeintlicher „Anwalt“ verlangt am Telefon eine Kaution, weil eine nahe stehende Person verhaftet worden sei. Das Problem ist: Es kann jeden treffen, auch die, die sich sicher sind, ihnen könnte so etwas nie passieren.

Die Limburger Polizei setzt im Kampf gegen Schockanrufe auf eine neue Strategie, wie der Leiter der Polizeistation Limburg, Martin Schlögl, in einer Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses, zur Sicherheitslage in Limburg erklärte. Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen mitbekommen, was für Schockanrufe es gibt, wie man in einer solchen Stresssituation trotzdem ruhig bleibt und sich nicht unter Druck setzen lässt, um nicht auf diese perfide Masche hereinzufallen, und anschließend trotzdem die Polizei informiert.

Darum verschickt die Polizei Belobigungsbriefe

Denn die meisten Opfer schämen sich und wollen darüber nicht reden, schon gar nicht im Freundes- und Bekanntenkreis. Dabei wäre das wichtig, um andere zu warnen. Deshalb ist die Polizei froh, wenn sich Bürger melden, die Schockanrufe erhalten und zum Glück rechtzeitig bemerkt haben, dass da etwas nicht stimmt. Schlögl berichtete den Mitgliedern des Ausschusses, die Polizei bitte dann um die Kontaktdaten, schreibe diese Bürger an, lobe ausdrücklich ihr Verhalten und versorge sie mit Informationsmaterial zum Thema Schockanrufe, damit diese im Freundes- und Bekanntenkreis weiter erzählen, was ihnen passiert ist und wie man sich richtig verhält. Wie eine Polizei-Sprecherin auf Anfrage mitteilt, sind seit Beginn der neuen Strategie im März 2023 bis heute insgesamt 480 Belobigungsbriefe der Limburger Polizei an Bürger im Landkreis Limburg-Weilburg verschickt worden; im vergangenen Jahr seien es 180 Briefe gewesen.

„Wir sind angewiesen auf Hinweise“, sagte auch die stellvertretende Leiterin der Regionalen Kriminalinspektion in Limburg, Tanja Nink-Meder. Das gelte nicht nur für Schockanrufe, auch kleinere Betrugsstraftaten sollten immer bei der Polizei angezeigt werden, selbst wenn der finanzielle Schaden nur gering sei. Zwar könne die Polizei nicht jede Straftat aufklären, aber vor Kurzem sei es der Polizei gelungen, zwei jungen Frauen mehr als 20 Taschendiebstähle nachweisen zu können, weil die Opfer Anzeige erstattet hatten.

Jede Straftat sollte unbedingt angezeigt werden

In der Aussprache im Ausschuss wurde allerdings auch deutlich, dass es Bürger gibt, die selbst Körperverletzungen nicht bei der Polizei direkt anzeigen, weil vielleicht die Hemmschwelle, die Polizei anzurufen, im Einzelfall als zu hoch wahrgenommen wird. So hatte sich zum Beispiel eine Mutter an die Stadt Limburg gewandt, weil ihr Sohn in der Innenstadt geschlagen worden war. Die Stadt gab die Information mit der angegebenen Tatzeit an die Polizei weiter. Weil der Tatort von den Videokameras der Polizei erfasst wird, konnte der Vorfall aufgeklärt werden. Nach Schlögls Angaben führte das sogar zu einem Haftbefehl. Die Mutter wiederum war sehr erstaunt, als die Polizei sich bei ihr meldete. Die Botschaft der Polizei im Ausschuss war deutlich: Jede, wirklich jede Straftat sollte unbedingt angezeigt werden.

Wie kann der Bahnhofsplatz in Limburg aufgewertet werden?

Spätestens seit einer repräsentativen Haushaltsbefragung in Limburg im Herbst 2017 gilt der Bahnhofsplatz in Limburg als „Angstraum“. Daran hat sich bis heute nicht viel verändert, wie eine weitere repräsentative Befragung im Frühjahr 2022 gezeigt hat. Auch in der Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses zur Sicherheitslage in der Domstadt sprachen mehrere Stadtverordnete die schwierige Situation dort an. „Der Bahnhofsplatz wird gemieden“, sagte Marion Schardt-Sauer (FDP). „Das ist ein Verlust von Freiheit.“ Das Erscheinungsbild am Bahnhof habe sich verändert.

Peter Rompf (SPD) fragte die Leiterin der Polizeidirektion Limburg-Weilburg, Mona Mai, was die Stadtpolitik gegen Angsträume wie den Bahnhofsplatz tun könne. Die oberste Polizistin im Landkreis wies auf die regelmäßigen Großkontrollen der Polizei hin, sprach aber auch von „gesellschaftlichen Veränderungen“. Jugendliche bräuchten ebenso ihren Raum in der Öffentlichkeit wie Ausländer und Obdachlose. „Von denen geht per se keine Gefahr aus“, sagte sie. Es gehe nur mit Geduld und einer Veränderungsbereitschaft in der Bevölkerung.

Richard Eisenbach (CDU) wies darauf hin, der Bahnhofsplatz sei ein Nadelöhr für alle, die in die Innenstadt wollen. Wenn es dort zu Auseinandersetzungen komme, sei das für Normalbürger auch dann ein Problem, wenn diese nicht direkt davon betroffen seien. Michael Stock (CDU) regte an, den Bahnhofsplatz attraktiver zu gestalten, zum Beispiel mit Cafés für alle Limburger, um so für eine höhere Aufenthaltsqualität und dadurch soziale Kontrolle zu sorgen. Bürgermeister Marius Hahn (SPD) wies in der Diskussion auch auf die Verantwortung der Deutschen Bahn hin. Noch immer gebe es im Bahnhof keinen Kiosk. „Wir fragen Jahr für Jahr, wann es eine Nachnutzung gibt. Aber da passiert nichts.“

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