Bis heute wisse niemand im Theater Lahnstein, wie es weitergeht, ob es überhaupt weitergeht, bis heute habe niemand von der Stadtspitze mit dem Ensemble und den Mitarbeitenden der Städtischen Bühne Lahnstein gesprochen, versichert das Theaterteam. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters sehen in der fristlosen Kündigung des Intendanten Friedhelm Hahn – sie war am 23. Dezember von Oberbürgermeister Lennart Siefert ausgesprochen worden – und der damit verbundenen Streichung aller Vorstellungen bis Anfang April „einen wohl einmaligen Übergriff eines Oberbürgermeisters auf eine Kultureinrichtung und auf Personen dieser Kultureinrichtung“, heißt es in der Presseerklärung.
„Wir konstatieren, dass der Oberbürgermeister Lennart Siefert, seine gegenüber dem Ensemble, dem Stadtrat und der Öffentlichkeit geäußerte Zusage, den Spielbetrieb des Theaters Lahnstein bis zum Sommer 2023 in der geplanten Form mit den Schauspieler*innen aufrechterhalten zu wollen, nicht einhält.“ Die Unterzeichnenden gehen davon aus, dass die Absage der Veranstaltungen ab Januar seit Langem geplant war, nur durch die jetzt erfolgte fristlose Kündigung auf den 28.12. vorgezogen worden sei. Und das trotz eines Antrags des Stadtrates, den Spielplan bis Ende Mai 2023 sicherzustellen, was von Oberbürgermeister Siefert immer wieder öffentlich bestätigt worden sei.
„Wir konstatieren deshalb, dass Herr Oberbürgermeister Siefert die Öffentlichkeit, den Stadtrat und das Theaterteam belogen hat“, so heißt es weiter. Entgegen Sieferts Informationen an den Stadtrat, dass alle Mitarbeitenden im Theater informiert worden seien, „ist niemand aus dem gesamten Team in irgendeiner Form kontaktiert und informiert worden.“ Und weiter: „Dass dem gesamten Theaterteam die letzten ausverkauften gemeinsamen Veranstaltungen genommen wurden und das Team diese Entscheidung einen Tag vor Weihnachten durch die Presse erfahren musste, zeugt von Respektlosigkeit gegenüber der kulturellen Arbeit.“
Im Einzelnen stellen die Unterzeichner fest: „Die Begründung für die fristlose Kündigung des Intendanten seitens der Stadt ist absurd. Sie rekurriert hauptsächlich auf eine Überziehung des Haushalts im Jahr 2022 um behauptete 80.000 Euro, wofür Friedhelm Hahn verantwortlich gemacht wird.“ Dieser habe bereits in einer Mail am 11. Oktober 2022 an die Stadtratsfraktionen auf ein mögliches Haushaltsdefizit hingewiesen, das zum Großteil Ergebnis des von der Stadtspitze im November 2021 verhängten Corona-Lockdowns für fünf Monate mit dem Wegfall vieler Produktionen in 2021 und 2022 sei. Zudem seien noch nicht alle Einnahmen von Dezember 2022 richtig abgerechnet, sodass die Zahlen, die zur fristlosen Kündigung führten, nicht verifiziert seien.
Die Unterzeichnenden kritisieren und verurteilen zutiefst, „dass all diese Eingriffe in den Theaterbetrieb zulasten des Haushalts seitens der neuen Stadtspitze ohne irgendeine Rücksprache mit den Intendanten oder den Mitarbeitenden“ erfolgt seien. Die mit der fristlosen Kündigung verbundene Absage aller Aufführungen bis Ende April betreffe insgesamt vier Produktionen. „Diese Absage kommt einem Berufsverbot für alle Schauspieler*innen gleich“, heißt es weiter. „Ein Gespräch hierüber, eine Information der Mitarbeiter*innen, gab es in keiner Form.
Die Absage seitens des Oberbürgermeisters ist Ausdruck eines Machtgebarens, das auf die Kunst und die sie betreibenden Künstler*innen keine Rücksicht nimmt“, heißt es in der Erklärung. Nicht zuletzt treffe die Absage aller Produktionen das Publikum des Theaters Lahnstein im besonderen Maße. Gerade um Weihnachten und Silvester herum sei die Vorfreude auf einen Theaterbesuch groß.
Auch würden jedes Jahr viele Theaterkarten zu Weihnachten verschenkt, allein elf Vorstellungen rund um Weihnachten und Silvester seien ausverkauft gewesen. Nach Ansicht des Theaterteams hätten die vier Stücke, die allesamt von Hahn geschrieben und inszeniert wurden, unter einer Interimslösung durchaus gezeigt werden können, zumal Friedhelm Hahn vom 1. bis zum 23. Januar (an diesem Tag sei der Kammergerichtstermin in Koblenz) ohnehin nicht im Haus gewesen.
Der öffentliche Imageschaden sei immens, heißt es. Den finanziellen Schaden errechnet das Theaterteam mit rund 100.000 Euro (50.000 Euro Verlust durch die abgesetzten Stücke, 50.000 durch Gehälter die bis April weitergezahlt werden) und lastet dies Oberbürgermeister Siefert an. Man geht sogar noch weiter: „Hier sollten sich sowohl Bürger*innen von Lahnstein als auch der Stadtrat überlegen, ob ein Misstrauensantrag gestellt werden kann“, heißt es wörtlich.
Lahnsteins Oberbürgermeister Lennart Siefert weist die erhobenen Vorwürfe des Theaterensembles zurück. Zur Kritik an fehlender Transparenz erklärt er, dass er die Mitarbeitenden des Theaters über alle eingeleiteten Schritte zur Kündigung des Intendanten per E-Mail informiert habe. Dass das Ensemble in Unklaren gelassen worden sei, sei schlichtweg falsch.
„Ich habe auch immer deutlich gemacht, dass die Gehälter der Schauspieler und Mitarbeiter weitergezahlt werden“, sagt Siefert. Und zwar unabhängig davon, ob die abgesetzten Stücke gespielt werden oder nicht. „Niemand aus dem Theaterensemble muss eine finanzielle Einschränkung befürchten“, versichert Siefert. Dass die vier von Friedhelm Hahn inszenierten Stücke nicht gespielt werden, habe urheberrechtliche Gründe.
Wie es mit dem Lahnsteiner Theater weitergeht, will Siefert direkt nach dem Jahreswechsel bekannt geben: Die Stadt Lahnstein lädt für Montag, 2. Januar, zu einer Pressekonferenz ein, in deren Rahmen die „Künstlerische Interimsleitung der Städtischen Bühne Lahnstein“ vorgestellt werden soll.