Von heute an wieder Lebensmittelausgabe in Nastätten - Diez und Bad Ems folgen bis Mitte Juli
Nach langem Lockdown: Tafeln öffnen nach und nach für Bedürftige
In der Oberstraße bereitet Marion Moll die Öffnung der Tafel vor. Die Mitarbeiterin des Diakonischen Werks markiert mit Klebestreifen den vorgeschriebenen Abstand für jene, die vor der Tür darauf warten, bis sie in das Ladenlokal der Lebensmittelausgabe eintreten dürfen.
Carlo Rosenkranz

Hunderte bedürftige Menschen im Rhein-Lahn-Kreis können sich bald wieder bei den Tafeln des Diakonischen Werks mit Lebensmitteln versorgen. Nachdem die Ausgabestellen in Nastätten, Bad Ems und Diez aufgrund von Corona seit Mitte März geschlossen waren, nehmen diese den Betrieb nach und nach wieder auf. Den Anfang macht am heutigen Donnerstag die Tafel in Nastätten. Doch nicht nur das Abstandsgebot macht weiterhin Einschnitte notwendig.

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In der Oberstraße bereitet Marion Moll die Öffnung der Tafel vor. Die Mitarbeiterin des Diakonischen Werks markiert mit Klebestreifen den vorgeschriebenen Abstand für jene, die vor der Tür darauf warten, bis sie in das Ladenlokal der Lebensmittelausgabe eintreten dürfen.
Carlo Rosenkranz

Das vergangene Vierteljahr war für viele der Bedürftigen ein entbehrungsreiches. Der gewohnte Gang zu den Tafeln, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen, die anderswo aussortiert wurden, war nicht mehr möglich.

Da nahezu alle der für die Tafeln ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter im fortgeschrittenen Alter sind und damit zu denen gehören, die durch Covid-19 besonders stark gefährdet sind, musste der Betrieb eingestellt werden. Weder für das Einsammeln überschüssiger Lebensmittel im gesamten Kreis noch für deren Ausgabe gab es ausreichend Freiwillige.

Jetzt hat die zuständige Koordinatorin Marion Moll ein Hygieneschutzkonzept entwickelt, um den Betrieb der Tafeln wieder aufzunehmen. In gewohntem Umfang wird dies bis auf Weiteres jedoch nicht möglich sein.

Die Tafel öffnet nur noch einen Tag pro Woche

„Wir müssen uns anders aufstellen als bisher“, sagt Moll. Ein Teil der ehrenamtlichen Mitarbeiter stehe nicht mehr zur Verfügung, weil diese das Risiko einer Corona-Erkrankung minimieren wollen. „Das kann ich gut nachvollziehen“, meint die Tafel-Verantwortliche des Diakonischen Werks Rhein-Lahn. Schließlich seien viele der Helfer 70 Jahre und älter.

Die Folge: Die Tafel öffnet nur noch an einem Tag pro Woche anstatt zuvor an zwei Tagen. Damit alle berechtigten Empfänger in den vier Stunden der Ausgabe bedient und die geltenden Hygiene- und Abstandsvorgaben erfüllt werden können, kann der Einzelne vorerst nur noch alle zwei Wochen vorstellig werden.

Die erste Tafel-Ausgabestelle öffnet heute in der Nastättener Oberstraße. Dort deckt man eine besonders weitläufige Region ab, obwohl eigentlich weniger Bedürftige als beispielsweise in der Tafel Bad Ems als Empfänger registriert sind.

Das machte die Auslieferung von gespendeten Lebensmitteln und anderen Hilfen in den Monaten der Tafelschließung besonders zeit- und personalaufwendig. Die Theke im Ladenlokal ist in den vergangenen Tagen mit einem Spuckschutz ausgestattet worden.

Mundschutz, Desinfektionsmittel und Ausgabe im Fünf-Minuten-Takt als Schutzmaßnahmen

Marion Moll klebte am Dienstag rot-weiße Markierungen auf den Bürgersteig vor den Räumlichkeiten, die den Zwei-Meter-Abstand deutlich machen. Was man im Fernsehen von den Tafeln in Großstädten gesehen hat, wo es zu Drängeleien vor den Ausgabestellen kam, hat die Diakonie-Mitarbeiterin erschreckt. „Da habe ich entschieden: Wir machen das anders“, sagt sie.

Um den Andrang der Bedürftigen zu entzerren, wurden alle angeschrieben und für die Öffnungszeit zwischen 14 und 18 Uhr im Fünf-Minuten-Takt geladen. Die übrigen Schutzmaßnahmen ähneln denen, die aus Gaststätten oder kleinen Geschäften bekannt sind.

So gibt es Desinfektionsmittel, und nur eine Person darf den Laden betreten. Eine Mund-Nasen-Abdeckung ist Pflicht. Wartende müssen mit Abstand zueinander vor der Tür stehen. Die Empfänger dürfen keine eigenen Tragetaschen oder Tüten mehr mitbringen. Diese werden nun ebenfalls von der Tafel ausgegeben.

Die Wiedereröffnung beendet für einige Bedürftige eine lange Durststrecke

Mit der Öffnung in Nastätten geht im Blauen Ländchen für jene, die Unterstützung nötig haben, eine dreimonatige Durststrecke zu Ende. Nicht nur, dass die Tafel-Ausgaben zum Schutz der Ehrenamtlichen schließen mussten. Auch die Supermärkte hatten zeitweise spürbar weniger überschüssige Lebensmittel abzugeben.

Immerhin: Spendenaktionen in einigen Märkten sorgten dafür, dass eine gewisse Versorgung aufrechterhalten blieb. Jüngere Freiwillige halfen bei der Zuteilung und der Auslieferung der Lebensmittel zu den Bedürftigen nach Hause.

Vor allem die Kunden des Nassauer Rewe-Marktes zeigten sich freigiebig und finanzierten zahlreiche Lebensmittelpakete, die in mittlerweile vier Touren den Bedürftigen nach Hause geliefert wurden.

„Das kann ich gut nachvollziehen.“

Marion Moll über die Entscheidung einiger der ehrenamtlich tätigen Senioren, ihre Mitarbeit in Zeiten von Corona nicht fortzusetzen.

Die Tafeln in Diez und Bad Ems eröffnen erst in ein paar Wochen

„Das hat es extrem erleichtert“, zeigt sich Marion Moll dankbar für das Engagement von Kaufmann Ulrich Pebler. Das Diakonische Werk stellte zudem Warengutscheine und einmalige Beihilfen zur Verfügung. Auch dafür haben Privatleute und Organisationen in den vergangenen Monaten gespendet. Dennoch wird die Wiedereröffnung der drei Tafeln im Kreis sehnsüchtig erwartet. „Die Leute fragen jede Woche, wann es wieder losgeht“, sagt Koordinatorin Marion Moll.

In Diez und Bad Ems müssen sich die Bedürftigen noch ein wenig gedulden. In der Grafenstadt soll vom 30. Juni an wieder eine Ausgabe an die Bedürftigen erfolgen, in Bad Ems will man am 13. Juli wieder starten.

Die Zeit bis dahin werden Marion Moll und ihre Mitstreiter brauchen. Schließlich ist für das Diakonische Werk noch einiges vorzubereiten. Zunächst muss die Koordinatorin die ehrenamtlichen Mitarbeiter an den beiden noch geschlossenen Standorten fragen, ob und in welchem Umfang sie künftig für die Arbeit der Tafel zur Verfügung stehen.

Einige haben in den vergangenen Wochen unter dem Eindruck von Corona bereits ihren Rückzug erklärt. Doch der Personalbedarf ist groß.

Ehrenamt liegt fast ausschließlich in der Hand von Senioren

Je 16 Freiwillige pro Woche sind für Bad Ems und Nastätten im Regelbetrieb der Tafeln notwendig, für Diez gar 24 Ehrenamtler, um die überschüssigen Lebensmittel im gesamten Kreisgebiet einzusammeln und in den drei Stützpunkten zu verteilen.

Fast alles erledigen Senioren. Jüngere stehen laut Moll kaum zur Verfügung, weil sie durch Schule, Studium oder Beruf in Anspruch genommen sind. Ein paar Ausnahmen jedoch gibt es. So unterstützen seit etwa zwei Jahren sechs Schüler nachmittags die Lebensmittelausgabe der Tafel in Bad Ems.

Das Engagement der jungen Leute geht laut Koordinatorin Moll auf die Initiative ihres Lehrers zurück. Jetzt legen die Jugendlichen ihre Mittlere Reife ab und beenden ihre Schullaufbahn, doch das Diakonische Werk darf hoffen. „Sie wollen weitermachen“, sagt Marion Moll erfreut.

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