Ursächlicher Grund für den Schritt der KV ist ein Urteil des Bundessozialgerichts, wonach die Poolärzte in den Bereitschaften künftig sozialversicherungspflichtig sind. Um nach Lösungen aus dem Dilemma zu suchen, hat sich Jens Güllering, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nastätten, an die Bundestagsabgeordneten Tanja Machalet (SPD) und Josef Oster (CDU) gewandt.
Veränderungen notwendig
Das Wichtigste vorweg: Es gibt bei der Bereitschaft in Nastätten Veränderungen, wie deren Leiter, Sanitätsrat Dr. Michael Rothländer, auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt, doch die Versorgung der Bevölkerung sei nach wie vor gewährleistet. In der Praxis, für die Räume im Nastätter Krankenhaus angemietet sind, die aber unabhängig vom Krankenhaus zu sehen ist, entfallen künftig die Wochendienste montags, dienstags und donnerstags – wie in ganz Rheinland-Pfalz. Mittwochs ist die Praxis von 16 bis 22 Uhr, freitags von 14 bis 22 Uhr besetzt.
Ähnlich sieht es an Wochenenden und Feiertagen aus, wenn die Praxis in Nastätten von 9 bis 17 Uhr statt wie bisher bis 22 Uhr besetzt ist. Was bestehen bleibt, so Rothländer, sind die Fahrdienste von Nastätten aus an den Wochenenden und Feiertagen. Und vor allem gibt es ja den sogenannten aufsuchenden Fahrdienst der Kassenärztlichen Vereinigung, der immer dann einspringt, wenn die Nastätter Praxis geschlossen ist. „Man muss sich das vorstellen wie beim ADAC auf der Autobahn“, so Rothländer. „Die Autos des Fahrdienstes kreisen stets in ihrem Einsatzgebiet und können bei Bedarf direkt zu den Patienten fahren. Damit ist eine Versorgung rund um die Uhr gewährleistet. Und parallel dazu kann man in absoluten Notfällen stets die Telefonnummer 112 anwählen für eine eventuelle Alarmierung des Notarztes.“
Andere Praxen vor dem Aus
Sieben Bereitschaftspraxen in Rheinland-Pfalz haben nicht das Glück wie die in Nastätten; sie werden von der KV zum 1. Januar geschlossen. Die Öffnungszeiten der verbleibenden 36 Praxen werden eingeschränkt. Grund: KV-Chef Peter Heinz rechnet damit, dass wegen der künftigen Sozialversicherungspflicht landesweit 50 Prozent der Poolärzte ihre Arbeit nicht fortsetzen werden. Sie übernähmen jedoch fast 60 Prozent der Dienste. Eine Mehrbelastung der eigentlich dienstverpflichteten Praxisinhaber hatte die Vollversammlung der KV, das Parlament der Kassenärzte, mehrheitlich abgelehnt.
Wegen der Dienstverpflichtung hat man in Nastätten bereits relativ früh, im Jahr 2005, über einen Verein eine Bereitschaft organisierte – Fachärzte und Allgemeinmediziner, die ja eh schon lange Arbeitstage haben, sollten von den Nacht- und Wochenenddiensten entlastet werden. Das klappte auch und wurde Jahre später von der KV übernommen. Und ist im Blauen Ländchen absolut notwendig, denn in der Woche werden hier im Schnitt rund 150 Patienten behandelt und beraten, regelmäßig sind sogar absolute Notfälle darunter bis hin zum Atemstillstand.
Es rechnet sich nicht mehr
Der Pool der Ärzte in der Nastätter Bereitschaftspraxis besteht laut Michael Rothländer aus Weiterbildungsärzten, Medizinern im Ruhestand, Krankenhausärzten, aber auch niedergelassenen Ärzten, die Interesse an dem „Nebenjob“ haben. Das hat immer funktioniert. Bisher mussten die Poolärzte für ihr Stundensalär keine Sozialversicherungskosten abführen, sie führten ja eine selbstständige Nebenbeschäftigung aus, mit den neuen Auflagen aber rechnet es sich für den ein oder anderen nicht mehr. „Das Problem ist nun, genügend Ärzte zu finden“, sagt Michael Rothländer, „denn die fehlen ja allerorten.“
Bürgermeister Jens Güllering (CDU) ist natürlich erst einmal froh, dass die Bereitschaftspraxis in Nastätten bestehen bleibt, wenn auch mit Veränderungen insbesondere im Hinblick auf die Öffnungszeiten. In seinem Brief an die Bundestagsabgeordneten schreibt er jedoch: „Dennoch besteht natürlich die Sorge, dass durch den nun beginnenden Prozess auch irgendwann der Standort in Nastätten infrage gestellt werden könnte. Dies wäre wiederum fatal für die örtlichen Haus- und Fachärzte, die letztlich als Vertragsärzte für die Sicherstellung der Notdienste zuständig und verantwortlich sind. Gerade in einer Zeit, in der mehr und mehr Hausärzte ihre Praxen schließen, müssen wir gemeinsam alle Möglichkeiten nutzen, die Rahmenbedingungen für das Hausarztwesen gerade im ländlichen Raum attraktiv zu gestalten. Dazu gehören auch verlässliche Arbeitszeiten und – wenn überhaupt – planbare Notdienste.“
Eigeninitiative hat geholfen
Im Gebiet der Verbandsgemeinde Nastätten, so Güllering, habe es in den vergangenen Jahren massive Veränderungen in der hausärztlichen Versorgung gegeben. Nur durch ein hervorragendes Miteinander von Ärzten, Kassenärztlicher Vereinigung, der kommunalen Familie und einem hohen persönlichen Einsatz habe man die Situation stabilisieren und letztlich sogar ausbauen können. „Diese Bemühungen und die positiven Effekte“, so der Bürgermeister, „dürfen nicht durch eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen (...) konterkariert werden.“
Güllering macht auf ein Schreiben von Dr. Barbara Römer, Vorsitzende des Hausärztinnen und Hausärzte Verbands Rheinland-Pfalz, aufmerksam, in dem diese eine eventuelle Lösung für das Problem skizziert: Eine vergleichbare Bedrohungslage im Bereich des notärztlichen Rettungsdienstes, so Römer, sei 2016/2017 mit einer Regelung gelöst worden, wonach Tätigkeiten von Notärzten im Rettungsdienst von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Da der allgemeine Bereitschaftsdienst inhaltlich und strukturell dem notärztlichen Rettungsdienst entspreche, ja geradezu gleichrangig und gleichwertig ist, wäre es laut Barbara Römer nur folgerichtig, die Tätigkeiten im ärztlichen Bereitschaftsdienst mit in die Befreiungsvorschrift aufzunehmen und damit das Poolarztsystem auch in Rheinland-Pfalz zu retten.
Diese Initiative des Hausärzteverbandes hat Bürgermeister Güllering nun aufgegriffen und in der Sache die Abgeordneten Machalet und Oster um deren persönliche Unterstützung und die ihrer Fraktionen im Deutschen Bundestag gebeten.