Die Wahlnacht war lang. Aber bereits am nächsten Tag gab es erste politische Reaktionen im Rhein-Lahn-Kreis, als Vertreter der Kreisverbände die Ergebnisse schon einmal einordneten. Stimmen und Stimmungen fielen dabei unterschiedlich aus. So fuhr die SPD am Sonntagabend lediglich 16,4 Prozent ein. „Das ist das schlechteste SPD-Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik, insofern kann es einem Sozialdemokraten heute Morgen nicht gut gehen“, sagt Manuel Liguori am Montagmorgen im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die Kampagne hat nicht funktioniert. Das haben wir an den Wahlständen gespürt und insofern ist das Ergebnis nicht überraschend“, so der Kreisvorsitzende der SPD Rhein-Lahn. Die Zuspitzung des Wahlkampfes auf das Thema Migration habe dabei nicht geholfen. „Wir haben die Themen Rente und Mindestlohn sowie Wirtschaft in den Fokus gerückt, aber die haben kaum eine Rolle gespielt.“ Würde er seiner Partei nun empfehlen, in eine Koalition mit der Union einzutreten? „Es war in der Vergangenheit nie ein Herzenswunsch, mit der CDU zu koalieren. Für das Land ist es aber das beste. Wir müssen gemeinsam die Probleme der Menschen lösen. Dafür haben wir noch vier Jahre Zeit, ansonsten werden wir hier österreichische Verhältnisse erleben“, ist der Sozialdemokrat überzeugt. Was sind die roten Linien, die man in eventuellen Koalitionsverhandlungen gegenüber der CDU von sozialdemokratischer Seite ziehen müsste? „Für Ausschlusskriterien ist es zu früh“, meint Manuel Liguori. „Es geht um Kompromisse. Das ist auch der Grund, warum die FDP nicht mehr im Bund vertreten ist, weil sie nicht in der Lage war, Kompromisse einzugehen.“
Die Linke konnte ihre Stimmen mit fast 9 Prozent gegenüber der letzten Bundestagswahl verdoppeln. Sebastian Dohn vom Sprecherrat Die Linke Koblenz/Rhein-Lahn sieht als Ursache hierfür die inhaltliche Ausrichtung des Wahlkampfes: „Wir haben als einzige Partei konsequent die soziale Frage in den Vordergrund gestellt. Und wir haben bei zahlreichen Haustürgesprächen gemerkt, dass dies das Thema ist, das den Menschen unter den Nägeln brennt. In unserem Grundsatzprogramm ist als Ziel der parlamentarische Sozialismus verankert, wie übrigens auch bei der SPD. Das bedeutet, dass wir niemals nach unten, sondern immer nach oben treten werden, um denen etwas wegzunehmen, die zu viel haben und nicht jenen, die sowieso schon zu wenig haben“, sagt Dohn. Die vielen Eintritte in die Partei in jüngster Zeit hätten dieser Fokussierung im Wahlkampf recht gegeben. „Wir sind nun mit 90.000 Mitgliedern die viertgrößte Partei in Deutschland“, sagt der Linkenpolitiker, der sich trotzdem nicht uneingeschränkt über das Wahlergebnis freuen kann: „Dass die AfD so stark wurde, zeigt, dass wir uns mehr um die Belange der Menschen kümmern müssen. Nicht nur im Mindestlohnsektor, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft, bei jenen, die sich abgehängt fühlen.“
Herbe Enttäuschung bei der FDP
Die FDP hat den Einzug in den Bundestag verpasst. „Es war eine herbe Enttäuschung, mit der wir nicht gerechnet haben, weil die Stimmung an den Wahlständen besser war, als das Ergebnis, das wir bekommen haben“, sagt Ralph Schleimer, Kreisvorsitzender der FDP Rhein-Lahn. Schuld sei auch das Ende der Ampel und wie dieses abgelaufen sei. „Das haben einige Bürger nicht goutiert. Meine persönliche Meinung ist, es ist richtig, sparsam mit Haushaltsmitteln umzugehen. Aber die nötigen Mittel für Verteidigung werden wir nicht ohne eine höhere Verschuldung bereitstellen“, so Schleimer. Ihm ist jedoch wichtig, zu betonen, dies dürfe nur das letzte Mittel der Wahl sein. „Zuerst müssen wir sparen“, so der Freie Demokrat. Welche Lehren muss die FDP aus diesem Wahlergebnis ziehen: „Die apodiktische Zuspitzung auf die Schuldenbremse und die Fokussierung auf nur eine Person war sicher ein Fehler. Wir müssen in der Breite zeigen, was es heißt, eine liberale Grundhaltung zu haben“, sagt Schleimer.
„Das war auch eine Protestwahl enttäuschter Wähler.“
Der Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisverbandsvorsitzende Matthias Lammert fordert daher eine zügige Regierungsbildung.
Die CDU im Rhein-Lahn-Kreis war in den Wahlkreisen Montabaur mit 35,7 Prozent der Erst- und 32,5 Prozent der Zweitstimmen und in Koblenz mit 35,7 und 31,5 Prozent jeweils stärkste Kraft geworden. Damit schickt sie ihre beiden Direktkandidaten Harald Orthey und Josef Oster wieder in den Deutschen Bundestag, freut sich der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Rhein-Lahn, Matthias Lammert. Trotz des guten Abschneidens des Kreisverbands mahnt Lammert eine weitere Wahlrechtsreform an. „Denn es kann nicht sein, dass von 14 gewonnenen Direktmandaten der CDU Rheinland-Pfalz nur 11 Kandidaten auch in den Bundestag einziehen.“ Zusätzlich mahnt Lammert eine zügige Regierungsbildung und baldige Umsetzung des Wahlprogramms der CDU an. Auch, um die AfD nicht weiter zu begünstigen. „Denn das war auch eine Protestwahl enttäuschter Wähler“, so seine Analyse. Allerdings geben die vorläufigen Wahlergebnisse des Landeswahlleiters nicht das ganze Bild wieder, so Lammert. Denn für viele Verbandsgemeinden wurden lediglich die Urnenwahl- und nicht die Briefwahlergebnisse angezeigt. Dadurch erscheinen die Stimmenanteile der AfD zum Teil höher, als sie es tatsächlich unterm Strich waren.
Yannik Maaß sieht Grüne im Kreis in der Vorwärtsbewegung
Mehr Erststimmen hätte sich der Direktkandidat der Bündnis 90/Die Grünen für den Wahlkreis Montabaur und Co-Kreisvorsitzender, Yannik Maaß, gewünscht. Mit 6,3 Prozent der Erst- und 8,5 Prozent der Zweitstimmen im Wahlkreis Montabaur und 9,7 und 11,6 Prozent der Erst- und Zweitstimmen im Wahlkreis Koblenz schnitt man im Schnitt etwa 2 Prozentpunkte schlechter ab als bei der vorhergegangenen Bundestagswahl 2021. „In den Städten waren die Ergebnisse noch ganz gut“, auf dem Land bewegt man sich wieder auf dem Niveau von vor 2021. Optimistisch ist er für seinen Kreisverband Rhein-Lahn trotzdem. „Unsere Mitgliederzahl im Kreis ist in den letzten Jahren von 115 auf 180 gestiegen und der Vorstand ist von 5 auf 8 Personen angewachsen“, so Maaß, der seit Herbst 2022 für die Grünen aktiv ist. „Es geht überall vorwärts“, lautet daher sein Fazit für die Grünen im Landkreis.
Nach dem Saarland habe man im Westen das zweitbeste Wahlergebnis bei dieser Bundestagswahl erzielt, zeigt sich schließlich noch der Pressesprecher des AfD-Landesverbands Rheinland-Pfalz, Robin Claasen, mit dem Abschneiden in den Wahlkreisen Montabaur (20,5 Prozent der Erststimmen, 21 Prozent der Zweitstimmen) und Koblenz (16,1 Prozent der Erst- und 16,4 Prozent der Zweitstimmen) zufrieden. Die Themenschwerpunkte Migration und Wirtschaft seien von den Wählern angenommen worden.