Fichte ade: Förster Andreas Meyer erklärt, was die aktuellen Herausforderungen im Wald sind
Nach Borkenkäferplage: Zukunftsfähiger Wald ist kein Kurzstreckenlauf
Nicht überall, wo durch die Käferplage Kahlflächen entstanden sind, muss nachgepflanzt werden. Die Natur verjüngt sich auch selbst, wie Förster Andreas Meyer an diesen Ahornbäumchen im Bucher Wald zeigt.
Cordula Sailer

Nastätten/Region. Den Wald nach der Borkenkäferplage zukunftsfähig zu machen, ist kein Kurzstreckenlauf. Andreas Meyer spricht bei dieser Aufgabe lieber von einem Marathon – einem, den man kontinuierlich weiterlaufen und die nächsten Schritte mit Bedacht wählen muss. Wie der Leiter des Forstreviers Nastätten erklärt, hat der Borkenkäfer seinem Revier in den vergangen drei Jahren mehr als 100 Hektar Kahlfläche beschert. Jetzt gilt es, viele Dinge im Wald anzupacken. Doch nicht alles lässt sich gleichzeitig lösen. Und das hat nicht nur mit fehlender Arbeitskraft zu tun.

Im Jahr 2018 hat das Borkenkäferdrama seinen Lauf genommen, befördert durch Windwurf und trockenes Klima. Durch anhaltende Trockenheit gelang es dem Schädling, sich stetig weiter zu vermehren – er liebt eine trockene und warme Witterung. Den Bäumen hat die Hitze der vergangenen drei Jahre jedoch zugesetzt. Und geschwächte Fichten, die zu wenig Feuchtigkeit haben, werden zu einer leichten Beute für den Borkenkäfer. „Das feuchte Frühjahr hat die Entwicklung des Käfers verlangsamt“, sagt Andreas Meyer über dieses Jahr. Statt wie im Vorjahr drei oder vier Generationen, würden aber wohl dennoch zwei Käfergenerationen ausschwärmen. Meyer schätzt, dass im laufenden Jahr noch 6000 bis 8000 Festmeter Käferholz im Forstrevier Nastätten aufgearbeitet werden müssen. 2020 seien fast 51.000 Festmeter aus dem Wald geschafft worden. Die Fichte wuchs einst auf etwa einem Drittel der Waldfläche im Forstrevier. Bis Jahresende werden wohl nur noch zwei Prozent davon übrig sein, lautet Andreas Meyers Prognose.

Derzeit wird Borkenkäferholz dort gefällt, wo es die Verkehrssicherheit gefährden könnte – an Straßen, aber auch an Fußgängerwegen. Als Beispiel nennt Meyer den Bereich um „Hagen’s Hütte“. „Da ist ein beliebter Spazierweg, der durch den Gemeindewald Buch führt“, sagt Meyer. Des Weiteren gilt es, frisch befallenes Holz schnellstmöglich aufzuarbeiten. Zum einen natürlich, um die Käfer unter der Baumrinde aus dem Wald zu schaffen. Zum anderen soll die Qualität des Holzes für den Verkauf noch gut sein. Denn befallene Bäume, die im Sommer ein halbes oder Dreivierteljahr stehen bleiben, können Trockenrisse bekommen. Ein anderes Problem können weitere Schädlinge sein, die die Fichten nach dem Borkenkäfer befallen und das Holz zerstören. Hier gehe es beispielsweise um die Holzwespe oder den Bockkäfer, erläutert Meyer.

Parallel zu den Aufräumarbeiten des Käferholzes muss die Wiederaufforstung geplant und vorbereitet werden. Über ein digitales Verfahren vermisst Meyer die gerodeten Flächen mittels GPS. „Diese Grunddaten braucht man für alle weiteren Planungen“, erklärt der Förster. Mithilfe der Flächengröße lässt sich feststellen, wie viele Bäume darauf nachgepflanzt werden können, oder auch, wie viel Gatter gegen Wildverbiss gebraucht wird. Zudem seien die exakten Flächengrößen notwendig, um Fördermittel zu beantragen.

Und so kommt der Förster auch gleich auf die weiteren Vorbereitungen zu sprechen, die zu treffen sind: den Bedarf an Pflanzen und Verbissschutz berechnen sowie natürlich die damit anfallenden Material- und Arbeitskosten. Für die Neupflanzungen gilt es sodann auch, Fördermittel zu beantragen, projektbezogen für einzelne Flächen. Doch nicht überall muss aufgeforstet werden, natürlich verjüngt sich die Natur auch selbst.

Die Flächen, die jedoch neu bepflanzt werden, müssten alle gesondert betrachtet werden, um zu entscheiden, welche Bäume dort künftig die richtigen sind. „Die standörtlichen Voraussetzungen jeder Borkenkäferfläche fließen in die individuelle Planung für die nächste Waldgeneration mit ein“, erklärt Andreas Meyer. Dabei spielen unter anderem der Boden sowie die Wasser- und Nährstoffversorgung am jeweiligen Standort eine Rolle.

Ziel sei es, einen Wald mit möglichst vielen klimaresistenten Laub- und Nadelbaumarten zu etablieren. Diese sollen ökologische Funktionen erfüllen, aber künftig auch wieder den nachhaltigen Rohstoff Holz liefern. „Mit dem, was wir da festlegen, legen wir uns für mindestens 100 Jahre fest“, sagt Meyer, um zu verdeutlichen, wie wichtig eine gut durchdachte Planung im Vorfeld der Pflanzungen ist.

Um die Kahlflächen auf die neue Bepflanzung vorzubereiten, müssen sie zuerst noch von Reisig und Ästen befreit werden. Wo nötig, werden bereits Zäune zur Wildschadensverhütung gebaut, und die Bereiche, in denen angepflanzt werden soll, werden abgesteckt. Abgeschlossen sein sollen die vorbereitenden Arbeiten möglichst vor der Pflanzzeit. Denn diese ist nicht üppig: Im Frühjahr und Spätherbst stehen jeweils nur etwa vier Wochen für Neupflanzungen zur Verfügung. „Wenn ich möglichst viele Flächen in dieser Zeit bepflanzen will, kann ich dann nicht auch noch die Zäune bauen“, sagt der Förster.

Im Frühjahr sind im Forstrevier Nastätten bereits 12.000 neue Pflanzen gesetzt worden. Doch auch diese wollen gepflegt und in den Sommermonaten von Brombeeren oder Klettenlabkraut freigeschnitten werden, um wachsen zu können. Die Liste der zu erledigenden Aufgaben im Wald scheint endlos – zu bewerkstelligen sind sie von Andreas Meyer, vier Forstwirten in seinem Revier und teilweise eingesetzten privaten Unternehmen. Nicht immer geht alles gleichzeitig: Käferholz zum Verkauf aufarbeiten, Verkehrssicherung und Vorbereitung der Pflanzflächen.

Doch ohnehin könnten nicht alle auserkorenen Flächen für eine Aufforstung auf einen Schlag neu bepflanzt werden. Die Produktion in den Baumschulen könne nicht kurzfristig gesteigert werden, erklärt Meyer. Hier sei man gerade dabei, die Kapazitäten auszuweiten, um der Nachfrage gerecht zu werden. Denn bis aus entsprechendem Saatgut eine kleine Douglasie oder Eiche gewachsen sei, die sich anpflanzen lässt, gingen mindestens zwei bis drei Jahre ins Land.

Zudem müsse es sich stets um herkunftsgesichertes Pflanzgut handeln. Denn: „Es ist wichtig, dass diese Bäume in unserer Region wachsen können“, sagt Meyer. Daher würden Pflanzen bezogen, deren Saatgut aus Gegenden mit ähnlichen Standortbedingungen stammt. Die Chance, dass sie im Forstrevier Nastätten gut wachsen, sei dann hoch. Letztlich sei eine Neubepflanzung der Borkenkäferflächen eine Aufgabe der nächsten fünf bis zehn Jahre.

Und schließlich bleibt da noch die Frage der Finanzierung: Um den Wald fit für die Zukunft zu machen, muss jetzt investiert werden. Doch gleichzeitig ist der Preis für das Fichtenholz auf dem Markt durch die Borkenkäferplage eingebrochen, und Einschlagsmöglichkeiten in den Folgejahren fallen weg. Allein würden die Waldbesitzer die Kosten für den Aufbau von klimastabilen Wäldern für die Zukunft nicht stemmen können, meint Andreas Meyer. Den Erhalt der Wälder sieht er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Meyer würde sich freuen, wenn Waldbesitzer künftig von der CO2-Bepreisung profitieren.

Von unserer Redakteurin Cordula Sailer

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