Zu wenige Gruppenleiter
Nach 51 Jahren löst sich Lahnsteins Stamm Lubentius auf
Über Jahrzehnte bot der Pfadfinderstamm Lubentius Kindern und Jugendlichen eine einzigartige Gemeinschaft, in der man viel fürs Leben lernen konnte. Im Sommer löst sich der Stamm auf - es gibt zu wenige Gruppenleiter. Das Foto ist von Mai 2023;
Felix Falke

Im Vorjahr feierten sie noch 50-jähriges Jubiläum, doch bald ist Schluss: Die Pfadfinder vom Stamm Lubentius in Niederlahnstein lösen sich im Sommer auf. Das schmerzt. Doch die Perspektive zur Fortsetzung der Pfadfinderarbeit in Lahnstein ist gut.

Der Pfadfinder ist hilfsbereit und einsatzfreudig – und außerdem „allzeit bereit“, lautet die Grußformel im deutschsprachigen Raum. Der Pfadfinder bekennt sich zur Bruderschaft aller Pfadfinder der Welt, er achtet alle Menschen ohne Unterschied von Rasse, Nation, Religion und Weltanschauung. Der Pfadfinder ist höflich und freundlich gegenüber jedermann. All dies versuchen weltweit rund 54 Millionen Menschen. Einige davon haben vor 51 Jahren im Stadtteil Niederlahnstein den Stamm Lubentius gegründet. Doch dessen Zeit ist bald abgelaufen. Der Stamm, Teil der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG), löst sich aus. Für viele ein Tiefschlag. Doch Pfadfinderarbeit in Lahnstein – und das ist die gute Nachricht – wird es auch weiterhin geben.

Ganzen Stadtteil mitgeprägt

„Die Entscheidung ist im Oktober in der Leiterrunde getroffen worden. Doch angedeutet hat es sich schon seit fünf Jahren.“ Lucas Münch ist Pfadfinder vom Scheitel bis zur Sohle. Begonnen als Kind bei den Wölflingen, der jüngsten Altersstufe bei den Pfadfindern, übernahm Münch, kaum war er 18 Jahre alt, Arbeit im Vorstand. Gemeinsam mit Stephanie Schrötter und Laura Kugel bildet er seit Jahren den Vorstand beim Stamm Lubentius. Der wurde am 4. April 1974 mit 28 Mitglieder gegründet und hat seither das gesellschaftliche und soziale Leben im Stadtteil Niederlahnstein mitgeprägt. Jugendarbeit, Spendenaktionen, Zeltlager, 72-Stunden-Aktionen, Kinderkarnevalsdisco oder das legendäre Fußballturnier auf dem Bolzplatz Allerheiligenberg: Wer Niederlahnsteiner ist, der kennt und schätzt die Arbeit der Pfadfinder vom Stamm Lubentius.

„Es ist ein Ehrenamt, bei dem man Zeit und Engagement investieren muss, um dann so vieles für sein eigenes Leben zurückzubekommen.“
Bettina Molter

Zwei, die sich seit Jahrzehnten im Stamm engagieren, sind Thomas „TomTom“ Molter und seine Frau Bettina: Beide führten den Stamm von 1990 bis 1999, waren und sind aber auch danach noch sehr engagiert – zum Beispiel als langjähriges Küchenteam bei den jährlichen Zeltlagern. „Entsprechend blutet unser Herz“, betonen Molters. „Doch an der Richtigkeit des Entschlusses bestehen keine Zweifel. Es geht einfach nicht mehr.“ Alle sollten stolz auf die geleistete Kinder- und Jugendarbeit in der DPSG sein, findet Bettina Molter. „Es ist ein Ehrenamt, bei dem man Zeit und Engagement investieren muss, um dann so vieles für sein eigenes Leben zurückzubekommen.“ Für sie ist eines ganz deutlich: „Alle, die in diesem Stamm in den letzten 51 Jahren Verantwortung an unterschiedlichen Stellen übernommen haben, werden diese Erfahrung ein Leben lang positiv bewerten.“ Ein großer Dank gelte allen, „die den Stamm begleitet, vorangebracht und in ihn viel Herzblut hineingesteckt haben.“

Ende Juni ist also Schluss, Lubentius löst sich auf. Nicht, weil es in Niederlahnstein nicht genügend Kinder geben würde, die Lust aufs Abenteuer „Pfadfinder sein“ hätten. Die Kindergruppen sind gut besucht, die Nachwuchsarbeit läuft. Nicht jedoch die Suche nach Betreuern – Menschen, die ihre Freizeit für ehrenamtliche Jugendarbeit nutzen möchten.

Es gibt zu wenige Gruppenleiter

„Wir haben wirklich alles versucht, finden für einzelne Events auch immer wieder Helfer“, beschreibt Lucas Münch die mühevolle Suche. „Wenn es aber darum geht, regelmäßig zur Verfügung zu stehen, winken viele ab.“ Mit einer Gruppenstunde die Woche sei es auch nicht getan, die Vor- und Nachbereitung dürfe nicht fehlen, schließlich bedeute Pfadfinderarbeit neben allem Spaß und Abenteuer immer auch Pädagogik. „Man muss sich aktiv einbringen. Diese Bereitschafthaft haben heute nicht mehr viele“, ergänzt Thomas Molter.

Und so blieb in den vergangenen Jahren vieles an denen hängen, die ohnehin schon stark belastet sind. „Die Doppelbelastung aus Gruppenleiter- und Vorstandsarbeit ist für uns auf Dauer nicht zu leisten“, weiß Lucas Münch. Man habe sich wirklich bemüht, motivierte Erwachsene zu finden, die sich für die Ziele und Werte der Pfadfinderei einsetzen – und diese an Kinder und Jugendliche weitergeben möchten. Doch vergebens. Und mit dem eigenen Nachwuchs, aus dem man früher oft Leute für die Leiterrunde und den Vorstand rekrutieren konnte, ist es schwieriger geworden: Der vermehrte Nachmittagsunterricht lässt wenig Raum, nach dem Schulabschluss ziehen viele wegen Studium oder Berufsausbildung weg.

„Dies alles hat uns sehr gefrustet, weil wir alle einen anderen Anspruch an Pfadfinderarbeit haben.“
Lucas Münch

Dies alles führte dazu, dass die bestehende Leiterrunde zunehmend an ihre Belastungsgrenze kam. So mussten Altersstufen zusammengelegt werden, manchmal fanden Gruppenstunden nur noch alle zwei Wochen statt. „Dies alles hat uns sehr gefrustet, weil wir alle einen anderen Anspruch an Pfadfinderarbeit haben“, beschreibt Lucas Münch die eigene Unzufriedenheit der letzten Jahre. „Deshalb ist die Entscheidung, den Stamm aufzulösen, nun die einzig Richtige.“

Ein Leben ohne Pfadfinder ist nicht nur für ihn nur schwer vorstellbar: Lucas Münch.
Tobias Lui

Im Sommer ist also Schluss. Besonders traurig sind darüber natürlich die 20 Kinder, die sich in ihrem Stamm sehr wohlfühlen. „Auch deshalb haben wir gesagt, dass wir bis zur Stammesauflösung noch einiges auf die Beine stellen wollen“, verweist Münch auf das vollgepackte Programm der kommenden Wochen: Neben den regulären Gruppenstunden nimmt der Stamm Lubentius am Pfingstlager in Westernohe teil, ebenso soll ein Ausflug in den Kletterwald den Abschiedsschmerz lindern. Und natürlich soll die große Abschlussveranstaltung am 22. Juni noch einmal ein Highlight werden.

Lange herrschte eine Rivalität mit Oberlahnstein

Schluss mit dem Pfadfindertum am Rhein-Lahn-Eck ist aber auch danach nicht: „Ich persönlich kann und möchte mir ein Leben ohne Pfadfinder gar nicht vorstellen“, sagt Lucas Münch. Er wird – genau wie Kollege Frank Schmidt aus der Leiterrunde und viele der Kinder – zu den Pfadfindern St. Martin nach Oberlahnstein wechseln. „Wir hatten wirklich gute Gespräche, ich freue mich darauf“, sagt Lucas Münch. Denn obgleich gerade in den ersten Jahren nach der Gründung immer eine gewisse Rivalität zwischen den Niederlahnsteiner Pfadfindern von Lubentius und den Oberlahnsteinern von St. Martin herrschte, ist das Verhältnis heute entspannt. Was auch Molters so sehen – auch wenn die schon andere Zeiten erlebt haben. „Wir alle sind doch Pfadfinder, das ist das Entscheidende. Und Pfadfinder bleibt man ein Leben lang.“

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