Thementag in Bad Ems
Mit dem Alter kommt die Einsamkeit: Was tun? 
Interessante Infos und Angebote konnten die Besucher der Veranstaltung an den Ständen beim Markt der Möglichkeiten entdecken.
Marta Fröhlich

Einsamkeit ist keine Frage des Alters. Und doch trifft sie Senioren am häufigsten. Warum man sich einsam fühlt und was man dagegen tun kann, das war kürzlich Thema eines Infotages im Kreishaus in Bad Ems. 

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„Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt?“, fragte Anna Reinwarth frei heraus ins Plenum – dort viele nickende Köpfe. So intim diese Frage ist, so präsent ist sie bei vielen Menschen vor allem im höheren Alter. Das nahm das Seniorenbüro des Rhein-Lahn-Kreises „Die Brücke“ zusammen mit dem Kreisgesundheitsmanagement zum Anlass, um einen Infovormittag rund ums Thema Einsamkeit zu organisieren. Gut zwei Dutzend Menschen folgten dieser Einladung und bekamen zunächst von Reinwarth, Forscherin für psychische Gesundheit im Alter an der Uni Mainz, einen Einstieg zum Thema.

„Einsamkeit ist ein unangenehmes Gefühl, das entsteht, wenn man weniger soziale Beziehungen hat, als man sich wünscht“, erläuterte Reinwarth, dabei entscheiden nur die Betroffenen selbst, ob sie sich einsam fühlen, denn nicht jeder, der von außen isoliert wirkt, muss es als unangenehm empfinden. Auch ist Einsamkeit zunächst nichts Schlechtes, „es ist ein Alarmsignal unseres Körpers wie Durst oder Hunger. Dauert Einsamkeit jedoch länger als ein halbes Jahr, ist sie gesundheitsgefährdend“, so die Psychologin, „sie kann so schädlich sein wie 15 Zigaretten am Tag.“ Einsame Menschen leiden unter psychischen und körperlichen Folgen wie Herzkreislauferkrankungen und Depressionen und sterben früher.

Psychologin Anna Reinwarth beleuchtete das Thema Einsamkeit aus wissenschaftlicher Perspektive.
Marta Fröhlich

Laut dem Einsamkeitsbarometer 2024 des Bundesfamilienministeriums gibt es dabei kein Stadt-Land-Gefälle, Betroffene sind meist älter als 75 Jahre, alleinstehende Frauen, Menschen, die intensive Sorgearbeit leisten, aber auch Migranten und Flüchtlinge – Einsamkeit kann also in jedem Alter auftreten, ältere Menschen haben laut Reinwarth jedoch ein höheres Risiko, einsam zu bleiben.

Was Menschen einsam macht, darüber konnten einige aus der Zuhörerschaft berichten. „Die Einsamkeit kommt, wenn die Mobilität abnimmt“, berichtete Yvonne Weiland, Gemeindeschwester plus in der VG Loreley. Das bestätigte auch Nicole Schwamborn von der Fachklinik in Katzenelnbogen: „Wir sehen immer wieder, wenn zum Beispiel der Chor sich auflöst oder die Kirchengemeinde wegbricht, wird es für die Menschen schwer, eine Tagesstruktur aufrechtzuerhalten.“ Deshalb sei es gut, sich feste Termine zu setzen wie Sportgruppe oder Leseclub. „Das ist ein wichtiger Anker“, bestätigte Expertin Reinwarth.

Silke Löhr von den Demenz Netzwerken Rhein-Lahn zeigte auf, dass auch pflegende Angehörige von Isolation berichten. „Deshalb würde ich mir mehr Mut wünschen, diese Menschen anzusprechen und Besuche anzubieten.“ Dem konnte Gaby Laschet-Einig, Koordinatorin bei QueerNet RLP, hinzufügen, dass Einsamkeit häufig mit Stigmatisierung beginnt. „Wenn Menschen mit Diskriminierung konfrontiert sind, ziehen sie sich aus der Gesellschaft zurück“, berichtete sie aus ihrer Arbeit auch mit homosexuellen Senioren.

Uschi Rustler (links), Leiterin des Seniorenbüros „Die Brücke“, und Kreisgesundheitsmanagerin Johanna Breithaupt haben die Veranstalltung im Bad Emser Kreishaus organisiert.
Marta Fröhlich

Was kann man also tun, um den Weg aus der Einsamkeit zu finden? „Es gibt nicht die eine Antwort auf die Linderung eines subjektiven Leidens“, so die Psychologin und betonte die Bedeutung von Prävention. Es sei wichtig, dass Gesellschaft und Politik das Thema sichtbar machen – wie mit der jährlichen Aktionswoche gegen Einsamkeit und einer Strategie der Bundesregierung. Auch setzt sich das Kompetenznetz Einsamkeit mit Ursachen und Folgen von Einsamkeit auseinander und zeigt Präventionswege auf. „Am wichtigsten ist: Schauen Sie auf Ihre Mitmenschen. Ergreifen Sie die Initiative, auch wenn es manchmal leichter scheint, auf einen Anruf zu warten, als selbst zum Hörer zu greifen und einen Verwandten anzurufen“, appellierte Reinwarth, einfach mal zu machen.

Nach dem Fachvortrag konnten sich die Besucher auf dem Markt der Möglichkeiten austauschen, wo Akteure der Seniorenarbeit im Rhein-Lahn-Kreis an verschiedenen Ständen Auskunft über ihre Angebote gaben. Für Abwechslung sorgte die freie Theatergruppe „Findlinge“ mit unterhaltsamen Theatereinlagen.

Angebote für Betroffene und Adressen für Hilfe und Beratung bietet das Kompetenznetz Einsamkeit unter https://kompetenznetz-einsamkeit.de

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